Freitag, 24. Februar, kurz vor Börsenbeginn: Das Medtechunternehmen Synthes gibt die Jahreszahlen bekannt. Der Umsatz im Steigflug: von 1,7 auf 2 Milliarden Dollar. Der Reingewinn um ein Drittel nach oben geschraubt: auf 436 Millionen Dollar. Ein Super-Ergebnis. Und kaum sind die Good News draussen, bricht der Kurs ein. Es ist noch nicht Mittag, und der Titel ist um rund vier Prozent abgesackt.
Tage vorher: Credit-Suisse-Chef Oswald Grübel ist zufrieden, «sehr zufrieden», wie er sagt. Die zweitgrösste Schweizer Bank ist wieder da und hat mit knapp sechs Milliarden Franken den höchsten Gewinn aller Zeiten erzielt. Kaum sind die Worte an der Medienkonferenz verhallt, kommt es zu einer Verkaufsorgie am Ring. Bis Handelsschluss ist der Kurs um 7,5 Prozent in den Keller gesaust, rund 9 Milliarden Franken Börsenkapitalisierung haben sich innert weniger Stunden in Luft aufgelöst.
Peter Wuffli, dem Chef des Konkurrenten UBS, ergeht es nicht viel besser: Rekordgewinn von 14 Milliarden Franken, und der Kurs gibt trotzdem nach. Und das, obwohl der für gewöhnlich vorsichtige Peter Wuffli für 2006 einen ähnlich stolzen Geldregen in Aussicht stellt.
Verkehrte Welt: Schweizer Unternehmen machen Gewinne wie nie. Und die Kurse purzeln ohne Gnade. Im vergangenen Jahr haben die börsenkotierten Unternehmen insgesamt 58 Milliarden Franken an Gewinnen eingefahren, wie der «Tages-Anzeiger» errechnet hat, ein Fünftel mehr als ein Jahr zuvor. Dennoch sausten die Kurse talwärts, kaum waren die meist respektablen Zahlen publik: Bei Nestlé resultierte innert Stunden ein Kursminus von 3,3 Prozent, bei Novartis minus 2,6 Prozent, Vögele minus 12 Prozent, Kudelski minus 7,4 Prozent, Lindt & Sprüngli minus 6 Prozent. Und meist ist der Grund monoton gleich: Die Zunft der Analysten, jene Spezies, die im Auftrag der Banken die Unternehmen beurteilt, habe mehr erwartet. Glücklich sind nur die, welche die kühnen Erwartungen der modernen Zahlenritter zu übertreffen vermögen. Über diesen Aktien entzündet sich ein wahres Kursfeuerwerk: Die Zürich-Versicherung verzeichnet am Tag der Jahresbilanzen Kursavancen von 6 Prozent, Schindler gar plus 14 Prozent, Julius Bär 9,5 Prozent, ABB 5,7 Prozent oder Syngenta 6,5 Prozent.
Und auch in diesen Fällen haben die Analysten die Finger im Spiel: Werden die Erwartungen erfüllt, zeigt der Daumen nach oben, und die Kurse steigen. Sind sie enttäuscht, zeigt er nach unten, und der Wert der Aktien fällt, unabhängig davon, ob das Unternehmen Milliardengewinne ausgewiesen hat oder nicht. Es sind marktmächtige Kantonisten, meist Meinungsmacher in den Branchen, die sie analysieren. Ein Mirko Sangiorgio etwa, einst Head of Research bei der Bank Pictet und heute bei der Bank Swissfirst, war noch nie einer, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hielt. Oder Heinrich Horst Wiemer, ehemals Bank Sal. Oppenheim und heute selbständig, pflegt mit harten Bandagen zu kämpfen und stellt einen Titel kurzerhand auf «sell», wenn ihm die Leistung des CEO nicht behagt. Christoph Gretler, Analyst bei Credit Suisse, pflegt beste Kontakte in die Medtechbranche, und es gibt kein Gerücht, das ihm nicht zu Ohren käme. Oder James Amoroso, Analyst bei Helvea, einer, der sich vom Patisseur zum Nahrungsmittelspezialisten hochgearbeitet hat und dort als Schweizer Primus gilt.
Leute wie sie haben sich mit der Hausse an den Aktienmärkten wieder zurückgemeldet und sind wieder einflussreicher denn je. Sie sind die Aktienflüsterer jener Klientel, die Milliarden verwalten und nach dem New-Economy-Crash wieder gewillt sind zu investieren. Hievt einer der Zahlenboys einen Titel hoch, wissen das innert Sekunden Hunderte von institutionellen Investoren, Pensionskassen- und Fondsmana-gern auf der ganzen Welt, Portfoliomanager legen den Kunden die Titel ins Depot, die Eigenhandelsabteilung der Bank tritt ebenfalls in Aktion. Es ist das Verdikt des Analysten, das diese Betriebsamkeit auslöst.
Mirko Sangiorgio weiss, wie dieses Monopoly läuft. Lange Jahre war er Chef der Analyseabteilung der Genfer Bank Pictet, so häufig wie kaum ein Zweiter Auskunftsperson für die Presse und einer der wenigen seiner Spezies, die bisweilen auch die eigene Zunft mit bissigen Kommentaren zu beurteilen pflegen. «Analysten erstellen prinzipiell Kursziele, die zu hoch oder zu tief sind», sagt er. «Das liegt in der Natur des Geschäfts, und nur so lassen sich Kurse bewegen.» Mehr noch: Bewegen sich die Kurse seitwärts, meint Sangiorgio, «verdienen die Brokerhäuser kein Geld». Bewegung bei den Titeln, das ist Musik in den Ohren der Analysten und lässt die Kassen ihrer Brötchengeber klingeln.
Ein durchsichtiges Spiel. Eins, das auch ermüden kann. Mirko Sangiorgio jedenfalls ist froh, dass er nicht mehr mitspielen muss. Heute arbeitet der 49-Jährige im Asset Management der Bank Swissfirst und meint rückblickend: «Das ist etwas für Junge zwischen 25 und 35», sagt er. Dann wechseln viele in die Corporate Finance, heuern an bei Unternehmen oder anderen Abteilungen einer Bank. «Häufig», sagt er, «werden die Erwartungen an die Unternehmensabschlüsse von Analysten hochgeschraubt.» Um jeden Preis. Ein Management, das da nicht mitkommt, fällt durch bei den Analysten. «Die Latte», sagt Sangiorgio, «liegt oft einfach viel zu hoch.»
Und dieses «Roulette der hoch gesteckten Erwartungen» kann jeden treffen, selbst eigentliche Lieblinge der Investoren wie jüngst den Dentalhersteller Straumann. Im Herbst 2005 verkündete CEO Gilbert Achermann vor Journalisten der Dentalfachpresse in München, dass in Europa und Asien eine neue Dentaloberfläche lanciert werden solle. «Einige Analysten», sagt Achermann, «haben ihre Umsatzerwartungen daraufhin massiv erhöht.» Und der Aktienkurs hüpfte um fast ein Drittel nach oben. Dieses absurde Spiel nahm erst ein jähes Ende, als Straumann die nächsten Quartalszahlen veröffentlichte, die Analysten sich «enttäuscht» zeigten und der Aktienkurs auf sein ursprüngliches Niveau zurückfiel. Viel heisse Luft um nichts.
Im Schwitzkasten der Analysten versuchen die Chefs mitunter, präventiv zu wirken und allzu euphorische Prognosen mit persönlichem Einsatz zu dämpfen. Der Finanzchef der Basler Chemiefirma Syngenta, Domenico Scala, soll in solcher Mission schon zum Telefonhörer gegriffen haben, um aus der Spur laufende Analysten zur Räson zu bringen. Und auch Walter Kielholz soll sich zu seinen Zeiten als CEO der Swiss Re schon einmal bei Analysten über zu hohe Kursschätzungen beschwert haben. Wer freilich unbotmässige Einflussnahme auf Analysten wittert, liegt möglicherweise falsch. Scala lässt aus einer Investorenkonferenz von Lehman Brothers in Spanien ausrichten, zu Analystenkommentaren gebe es keine Kommentare.
Das grosse Zittern des Chefs vor dem Analysten ist ein relativ junges Phänomen. «Vor 20 Jahren», sagt etwa Vontobel-Analyst René Weber, «sass der Analyst noch in seinem stillen Kämmerlein und mühte sich mit einer Bilanz von Hoffmann-La Roche ab. Dass der Analyst bei seiner Arbeit einen leibhaftigen CEO zu Gesicht bekam, kam höchstens einmal im Jahr vor – wenn überhaupt.» Damals waren andere die Meinungsmacher am Ring, Händlertypen wie ein Martin Ebner (siehe «Forcierter Muskelaufbau»). Sie waren es, die den Markt mit Gerüchten und News aus den Teppichetagen versorgten und damit die Titel bewegten. Der Beruf des Analysten dagegen fand im Verborgenen statt. Einzige Ausnahme: Hans Kaufmann, seinerzeit Chefanalyst bei der Bank Bär – er brachte es innert weniger Jahre auf über 100 TV-Auftritte und ebnete so seine zweite Karriere als SVP-Nationalrat. Grössere, auch öffentlich wahrnehmbare Bedeutung gewann der Berufsstand erst, als 1996 der elektronische Handel eingeführt wurde und der Beruf des Ringhändlers ausstarb und er als Whistleblower ausfiel. Eine Lücke, welche die Analysten umgehend zu besetzen versuchten.
Mit weit reichenden Folgen für das Verhältnis zwischen Firmenspitzen und Heerscharen von Analysten: Wo vor Jahren noch Sprachlosigkeit herrschte, gilt heute aktives «Earnings Management». Manager pflegen die Kontakte zu den Analysten meist persönlich, unterstützt von Investor-Relations-Managern, welche die launischen Diven unter den Analysten mit wohldosierten Prognosen bei Laune zu halten versuchen. So trifft sich selbst Nestlé-Chef Peter Brabeck zum informellen Lunch mit den Vertretern dieser Zunft, obwohl er kein Freund von Kapitalmarktpflege ist. Andere lauschen, was diese zu sagen haben – beispielsweise wenn James Amoroso, wohl bekanntester Detailhandelsanalyst der Schweiz, einen Vortrag unter den Titel «How to deal with the financial community» stellt. Andere, wie der Hörgerätehersteller Phonak, versuchen mittels punktgenauer Prognosen gut Wetter zu machen, und liegt das Umsatzwachstum nur ein Prozent über den eigenen Prognosen, folgt sofort eine Ad-hoc-Mitteilung an die Finanzcommunity.
Kaum ein Manager eines börsenkotierten Schweizer Unternehmens äussert sich kritisch über diese Zustände. Kein von BILANZ angefragter Topmanager wollte Stellung beziehen – als hätten sie Angst, bei allzu kritischen Voten bei den Analysten in Ungnade zu fallen. Einzig Heliane Canepa, Chefin von Nobel Biocare, liess es nicht auf sich sitzen, als die Analysten enttäuscht auf die jüngsten Quartalszahlen reagierten. «Ehrlich?», gab sie zurück, «wo haben wir enttäuscht? Ich denke nicht in Quartalen, sondern will Mehrjahresziele erreichen.» Ähnlich denkt Novartis-Chef Daniel Vasella und meinte kürzlich, der Finanzmarkt sei die falsche Instanz, seine unternehmerischen Leistungen zu beurteilen. «Das glauben Sie doch selber nicht, dass der Aktienmarkt die Leistung eines Unternehmens widerspiegelt», donnerte er, «der Kurs eilt der tatsächlichen Entwicklung voraus oder hinterher.» Und Logitech-Gründer Daniel Borel sieht in der Börse gar eine Zusammenrottung zwielichtiger Gestalten, «ein Tummelplatz für kurzfristige Spekulanten». Mit schwer wiegenden Folgen für die Unternehmen, denn es sei unmöglich, einen Aktienkurs zu kontrollieren.
Während Manager und Unternehmer den wieder erstarkten Einfluss der Analysten hinter vorgehaltener Hand geisseln, beurteilt dies die Wissenschaft aus Distanz. «Dass sich Analysten mit Unternehmen befassen, den CEO auf die Finger klopfen und deren Vorhersagen überprüfen», sagt etwa der Berner Professor für Finanzmanagement Claudio Loderer, «stellt eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion dar.» Ein Fallstrick sei darin zu sehen, dass diese Kontrolle Manager dazu verführen könnte, «kurzfristig zu denken und zu handeln». Studien aus den USA belegen, dass viele Konzernchefs den schnellen Gewinn dem langfristigen Erfolg vorziehen. Jeder zweite US-Manager, so eine Umfrage, verschiebt den Start von teuren Projekten, wenn diese mit Ergebniseinbussen, die den Analysten sauer aufstossen könnten, verbunden sind. Vier von fünf Befragten würden aus ähnlichen Gründen Investitionen in Forschung und Entwicklung kürzen. «Verfehle ich die Markterwartungen», meinte ein Manager, «kostet mich das den Job.»
Analysten avancieren so mitunter zum Schmiermittel für Managerkarrieren oder begünstigen deren Abbruch. Einer, der an diesem Rad munter mitgedreht hat, ist Heinrich Horst Wiemer, langjähriger Finanzanalyst bei Sal. Oppenheim. Publizierte er Aktienempfehlungen, wurden diese seziert; war er mit einem Manager nicht zufrieden, griff er zum rhetorischen Zweihänder. Vor zwei Monaten wechselte der 40-Jährige die Seite, machte sich selbständig und schreibt nun Analysen für dieselben Unternehmen, die ihn früher schon mal vor die Tür gestellt hatten, wenn eine seiner Analysen zu kritisch ausgefallen war. «Wenn ein Titel von einem Analysten einer grossen Bank von ‹halten› auf ‹kaufen› hochgestuft wird», sagt Wiemer, «steigt der Kurs.» Das sei praktisch eine Self-fulfilling Prophecy. Heute schätzt er es, von zu Hause aus arbeiten zu können. «Es geht immer nur um die Kursbewegung», schiebt er nach und weiss, dass er seinen Jagdinstinkt noch nicht ganz verloren hat.
Jäger sind all jene, die an den Börsen zum Halali blasen. Und wer in eine Treibjagd gerät, für den wird es ungemütlich. «Letztes Jahr setzte Goldman Sachs das Rating für Lindt & Sprüngli auf ‹verkaufen›», erinnert sich Food-Analyst James Amoroso, «und der Aktienkurs fiel während einer ganzen Woche.» Sind die Götter unter den Analysten jedoch gnädig gestimmt, winkt unverhofft der Kursanstieg. Bei der Versicherungsgesellschaft Bâloise tendiert der Titel seit einem Jahr steil nach oben – kurz zuvor hatten die Analysten der marktmächtigen US-Bank Citigroup dem vergleichsweise kleinen Basler Versicherer das Kaufetikett aufgedrückt (siehe PDF unten). «In so einem Fall», meint Analyst Mirko Sangiorgio, «fliesst viel angelsächsisches Kapital in den Titel.» Die Folge: Ein Analyst folgt dem anderen und nimmt das Rating ebenfalls hoch. Carsten Stolz, Head of Investor Relations bei Bâloise, bemüht sich zwar, den Kursanstieg mit dem einwandfreien Gewinnausweis von Bâloise in Zusammenhang zu bringen. Neuerdings, konstatiert auch er, halten zahlreiche angelsächsische Investoren Bâloise-Titel.
Treten Angelsachsen auf den Plan, lösen sie bei der Konkurrenz meist einen Herdentrieb aus – eine explosive Mischung für die Entwicklung eines jeden Aktienkurses. Unkontrollierbare Ausschläge nach oben oder nach unten sind die Folge – immer öfter aber geht die Reise nach unten. «Gegenwärtig wird jede Nachricht, ob gut oder schlecht, negativ interpretiert», urteilte etwa der Westschweizer Unternehmer André Kudelski Ende vergangenen Jahres. Kudelski fühlt sich missverstanden, und das mit einigem Recht. Obwohl der Firmenpatron 2005 das beste Ergebnis der Firmengeschichte präsentieren konnte, verpassten praktisch alle Analysten dem Titel einen Verkaufsstempel.
Für die Analysten ist es nicht einmal entscheidend, auf welche Farbe sie die Ampel stellen, wenn sie eine Aktie beurteilen. «Mehr Aktienverkäufer als Analytiker», sagt Sangiorgio, seien die Analysten heute. Es geht, kaum verwunderlich, um Geld. Ein Sell-Side-Analyst wird in erster Linie durch Kommissionen entschädigt, welche Kunden und Institutionelle mit dem Handel von Aktien erwirtschaften. Wer Bewegung im Markt hält, generiert Volumen und kassiert mitunter Extra-Boni. So ist es wohl zu erklären, dass die französische Bank CA Cheuvreux ihre Empfehlung für die UBS-Aktie innert acht Monaten gleich achtmal geändert hat, obwohl sich das Geschäft der Schweizer Bank in diesem Zeitraum stabil entwickelte (siehe Grafik auf Seite 46). Dass bei den Banken die Erträge aus dem Wertpapiergeschäft geradezu explodiert sind, ist vor diesem Hintergrund nicht erstaunlich. Bei der UBS haben sich diese in den letzten drei Jahren auf rund acht Milliarden Franken verdoppelt.
Als Alphatiere der Börse haben Analysten in jüngster Zeit mächtige Konkurrenz erhalten. Im Endlos-Monopoly um Aktien, Kurse und Renditen mischen immer stärker auch Hedge Funds mit, wenn es darum geht, einen Titel «zu stossen». Da wird mit harten Bandagen gekämpft, Gerüchte werden gestreut, Leerverkäufe getätigt. Und immer mit dem gleichen Ziel: Musik in eine Aktie zu bringen. «Zunehmend versuchen Hedge-Fund-Manager sogar, Analysten für ihre Zwecke einzuspannen», sagt CS-Analyst Christoph Gretler, «meist sind diese gut informiert und versuchen, mich für ihre Story zu begeistern.» Ein Vorgehen mit Untiefen: Im Falle von Nobel Biocare, so Gretler, sei mancher Kollege Hedge Funds auf den Leim gegangen. Diese hatten verbreitet, schwedische Professoren hätten bei Produkten der Firma einen unverhältnismässig hohen Knochenschwund festgestellt. Noch bevor die Professoren selbst an die Presse gingen, erwähnten Analysten diesen Zusammenhang in ihren Berichten – obwohl sich die Studie nur auf eine kleine Zahl von Fällen bezieht und damit einen zweifelhaften wissenschaftlichen Wert aufweist. Es war auch ein Hedge-Fund-Manager gewesen, der Gretler erstmals zugeflüstert hatte, dass die Schweizer Firma Centerpulse den Markt mit verschmutzten Produkten infiltriert habe und Millionenklagen zu erwarten seien. Als dann Jahre später absehbar war, dass die Klagen beigelegt werden würden, setzte Gretler den Titel wieder auf ‹kaufen›. Erste Kunden waren Hedge Funds.
Als Transmissionsriemen für heisse, börsenrelevante News und damit als eigentliche Meinungsmacher am Ring fungieren traditionsgemäss auch Investment Banker. 1998, als die Fusion von SBG und Bankverein beschlossene Sache war, waren es Londoner Investment Bankers, welche die heisse Kunde von der Themse-Stadt einem Analysten in der Schweiz zuflüsterten. Dieser war Hans Kaufmann, damals Chefanalyst der Bank Bär, der noch am Tag vor Bekanntgabe der Fusion die Details an die Presse weitergab. Als dann am nächsten Tag um 8.30 Uhr die Fusion verkündet wurde, konnten die Topmanager die Details bereits auf der Frontseite des Zürcher «Tages-Anzeigers» nachlesen.
In jüngster Zeit wurden gleich zwei Fälle publik, die nur durch Indiskretionen von Investment Bankers zu erklären sind. Als bekannt wurde, dass der Biotechkonzern Serono «diskret» via Goldman Sachs einen Käufer suchte, schoss die Aktie am selben Tag um zwölf Prozent hoch. Ähnlich bei der «Zürich», nachdem publik geworden war, dass der US-Versicherer St. Paul die Schweizer übernehmen wollte – Kurstreiberei in der reinsten Form.
Analysten befinden sich also in guter Gesellschaft, wenn es darum geht, mit spekulativer Energie die Kurse an der Börse in Bewegung zu halten. So klingeln die Kassen – zumindest bei den Banken, den Brötchengebern der Analysten.