Der erste Eindruck sei entscheidend, sagen Fachleute für nichtverbale Kommunikation. Anastasia Li-Treyer wirkt auch nach einem grossen Wochenpensum frisch und völlig entspannt. Dabei ist Promarca eine Organisation mit 86 Mitgliedern, die zusammen immerhin einen Gesamtumsatz von mehr als 9 Mrd Fr. erzielen. Da gilt es, permanent am Ball zu sein und verschiedenste Interessen unter einen Hut zu bringen – mediale, politische und emotionale, die alle zusammen den Eindruck von
Markenführung und Branding prägen.
Wieso hat sich diese Frau einem solchen Spagat verschrieben? Sie muss sich keine Sekunde besinnen. «Was mich an dieser Aufgabe so begeistert, ist der Gedanke, dass unsere Produkte die Schweizerinnen und Schweizer vom Morgen bis zum Abend begleiten», sagt sie und erwähnt Ovomaltine und Elmex-Zahnpasta, Knorr Vie und Rivella, Kambly Biscuits und Camille-Bloch-Schokolade.
Lebenslanges Lernen
Anastasia Li-Treyer wirkt selbstsicher, ohne überheblich zu sein. Das geht manchmal nicht Hand in Hand. Da stellt sich natürlich sofort die Frage: Wie wächst eine Frau auf, die sich in der schweizerischen Wirtschaftslandschaft ganz oben behaupten kann? Diese Spezies ist bekanntlich immer noch sehr rar.
«Ich bin von Ausserberg – ein kleines Nest am Lötschberg.» Ihr Vater wünschte, dass sie Lehrerin werde. Aber sie wählte einen anderen Weg. Li-Treyer absolvierte das Executive-MBA-Nachdiplom-Studium in Unternehmensführung an der HSG St. Gallen sowie das Strategic-Leadership-Programm in Oxford und erlangte in Zürich an der Graduate School of Business Administration den Bachelor. Li-Treyer ist ein Vorbild für lebenslanges Lernen.
Und warum heisst sie eigentlich Li? Sie lächelt. «Asien hat mich immer fasziniert. In China habe ich die Liebe meines Lebens getroffen. Ich gestehe ganz offen, dass mein Mann – er ist Chinese, darum das ‹Li› im Namen – meine ganz grosse Stütze ist.»
Und da heisst es immer, hinter jedem erfolgreichen Mann stehe eine starke Frau. Anastasia Li-Treyer sagt: «Es könnte auch umgekehrt sein. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass mein Mann sich um unsere beiden Kinder kümmert und kocht und mir den Rücken freihält.»
Gibt es etwas, das ihr bei dem hektischen Leben Entspannung bietet? Jetzt kommt die Antwort, die auch bei männlichen CEO automatisch erfolgt: «Meine Familie.» Und sonst so? Etwas, das ganz speziell ist? «Ich bin Dressurreiterin und habe ein Pferd. Dieses Hobby bedeutet mir sehr viel.» Wie viel? «Eigentlich komme ich nur noch am Wochenende zum Reiten. Aber meine beiden Töchter haben grosses Interesse an diesem Steckenapferd.»
Darauf angesprochen, dass junge Mädchen – ihre Kinder sind sechs und neun Jahre alt – normalerweise nur so lang Spass an Pferden haben, bis sie einen Freund haben, offenbart Anastasia Li-Treyer Humor. «Es gibt doch auch Ausnahmen wie mich.»
Sie ist und bleibt eine Ausnahme, auch als erste Direktorin der Promarca. Ihre früheren beruflichen Stationen waren General Manager von Zyliss, Projektleite-rin bei Sulzer Innotec im Rahmen der Einführung der Balanced Scorecard, Geschäftsführerin der Marke Clinique bei Estée Lauder und Verantwortliche bei der De Beers Company für Trainee-Programme.
Treiber des Wohlstands
Und wie sieht sie die Zukunft von Promarca? Der Gesamtumsatz ist zwar respektabel. Aber könnte die Mitgliederzahl nicht noch höher sein? Immerhin gibt es eine Studie in Deutschland, die zeigt, dass sowohl die alte wie die junge Käuferschaft ein immer extremeres Branding-Bewusstsein entwickelt.
«Unser Ziel ist es, zu wachsen. Wir vertreten die gemeinsamen Interessen der Mitglieder im regulatorischen Prozess und suchen einen konstruktiven Dialog mit den Handelspartnern. Es geht auch darum, die volkswirtschaftliche Bedeutung von Markenunternehmen vermehrt aufzuzeigen, wie auch ihre zentrale Rolle als Treiber von Wohlstand und Wachstum.»
Ein anderes Lieblingsthema von ihr ist die Stop-Piracy-Kam-pagne, bei der sich Promarca an vorderster Front engagiert hat. Bei diesem Thema wird die an sich sehr locker wirkende Direktorin ernst: «What is worth copying is worth protecting!» Was sie offensichtlich echauffiert, ist die Tatsache, dass selbst renommierte Unternehmen mittlerweile Detektive anstellen müssen, um herauszufinden, dass kopierte Produkte unter ihrem Namen vertrieben werden. «Ich finde es wirklich bedauerlich, wenn der Konsument durch Fälschung und Piraterie irregeführt, je nachdem sogar gefährdet wird. Das gilt auch für den Ruf der Originalhersteller. Informationen zum Thema Markenschutz stehen weit oben auf meiner Traktandenliste», sagt sie.
Denn das ist ihr Lebensmotto: Das Produkt muss halten, was es verspricht. Schon bei Zyliss galt es, die Marke neu zu positionieren und dafür zu sorgen, dass die Umsetzung in 32 Ländern stimmte. Auch als Verantwortliche für mehrsprachige, international zusammengesetzte Seminarprogramme für De Beers musste sie immer nach vorne schauen und Möglichkeiten eruieren, wie neue geografische und von Kunden gewünschte Geschäftsfelder erobert werden.
Nicht lockerlassen
Da gibt es noch ein Thema, das sie derzeit umtreibt: Die soeben publizierte Stellungnahme von Promarca zur Revision des Bundesgesetzes über technische Handelshemmnisse. «Wir begrüssen das Cassis-de-Dijon-Prinzip, aber wir wollen uns dafür einsetzen, dass unsere Forderung nach gleich langen Spiessen eingehalten wird. Nur so kann vermieden werden, dass Produzenten, die sich an die schweizerischen Sonderregelungen und Normen halten müssen, diskriminiert werden.»
Li-Treyer analysiert einen komplizierten Sachverhalt auffallend oft mit einfachen Worten: «Die vorgeschlagene Gesetzesrevision hat zwei gravierende Nachteile. Sie erleichtert einseitig den Zugang von Produkten aus Europa, die unter Rahmenbedingungen hergestellt werden, die nicht mit jenen der Schweizer Hersteller vergleichbar sind. Gleichzeitig werden die rein lokalen Produzenten benachteiligt, die sich weiter an die oft rigiden schweizerischen Normen halten müssen.» Sie lässt keine Zweifel darüber offen, dass Promarca auch hier nicht lockerlassen wird. «Kommt hinzu, dass durch die Beibehaltung der Sonderregelungen und Normen für die Schweiz die an sich positiven Auswirkungen des Cassis-de-Dijon-Prinzips für die Konsumenten praktisch wirkungslos bleiben.»
Li-Treyer bearbeitet mehrere Anliegen gleichzeitig – sie verficht die Interessen der Mitglieder auf verschiedenen Ebenen und setzt sich gegen die Markenpiraterie sowie gegen eine Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse ein, die die schweizerische Wirtschaft nach wie vor benachteiligen. Der letzte Eindruck von dieser Frau ist wie der erste: Sie wirkt kämpferisch und kein bisschen müde.
«Was mir immer wieder genützt hat, ist meine Passion für andere Sprachen. Das ist heute für eine berufliche Karriere unabdingbar», sagt sie. Li-Treyer hat, ergänzend zu ihrem akademischen Werdegang, auch noch die Dolmetscherschule in Zürich absolviert. Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch sind kein Problem für Anastasia Li-Treyer, und Mandarin übt sie täglich zu Hause.
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ZUR PERSON
Steckbrief
Name: Anastasia Li-Treyer
Funktion: Direktorin von Promarca
Geboren: 1958
Wohnort: Raum Winterthur
Familie: Verheiratet, 2 Töchter
Karriere
- 1981–1987 Caisse d’Epargne du Valais, Sion
- 1988–1995 De Beers Diamond Education Services, Lausanne
- 1995–2002 Estée Lauder GmbH
- 2002–2003 Project Management und Executive MBA, HSG, St. Gallen
- 2003–2006 Zyliss AG, General Manager Europe
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Führungsprinzipien
1. Ohne Ziel kein Weg.
2. Interne und externe Kommunikation nicht unterschätzen.
3. Im Mittelpunkt steht die Marke.
4. Es ist für eine Frau möglich, zu arbeiten und ein Familienleben zu haben.
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Firma
Promarca
Der Schweizerische Markenartikelverband vertritt die Interessen von Herstellern, Importeuren und Handelsvertretungen von Markenartikeln. Ihm gehören 86 Unternehmen mit 13000 Mitarbeitern und 2000 vertretenen Brands an.