Ernst & Young war die Pflicht, der FCZ ist die Kür», sagt Ancillo Canepa, wenn man ihn fragt, weshalb er sich, 53-jährig, aus der Geschäftsleitung von Ernst & Young zurückgezogen hat, um neuer FCZ-Präsident zu werden. «Es ist wie beim Eiskunstlauf: Um Weltmeister zu werden, muss man beides erfolgreich, aber gerne machen.» Sagts und zieht genüsslich an seiner Pfeife.



In seinem Büro, das er bis zum Umzug in eigene Räumlichkeiten noch bei Ernst & Young hat, hängt ein Dutzend Fussballtrikots. Von Klubs aus jeder Stadt, wo Teams von Ernst & Young arbeiten samt den Unterschriften der Mitarbeitenden. Es war das Abschiedsgeschenk an den Chef in Zürich. «Darüber habe ich mich enorm gefreut, auch wenn jetzt Trikots von Basel und YB hier hängen.»

Den «Pflichtteil» hat Ancillo Canepa mit Bestnoten absolviert. Aufgewachsen in Rüti im Zürcher Oberland, trat er nach dem HWV-Studium 1976 bei Ernst & Young ein, «weil das für mich der intelligenteste Weg war, um schnell viele Branchen und Firmen kennen zu lernen». Er habe nie geplant, 30 Jahre in der Wirtschaftsprüfung zu bleiben. Doch man habe ihm immer wieder neue, spannende Aufgaben angeboten. Die letzten acht Jahre führte er die Abteilung Wirtschaftsprüfung mit rund 1000 Mitarbeitenden, die zwei Drittel des Firmenumsatzes generieren.

Bekannt wurde Canepa auch durch seine Frau Heliane, erfolgreicher CEO bei Nobel Biocare, vor allem aber durch seinen viel beachteten 3000-seitigen Untersuchungsbericht zum Niedergang der Swissair. In nur sechs Monaten wurde dieser unter schwierigsten Rahmenbedingungen und höchstem Zeitdruck verfasst und im Januar 2003 vorgestellt. «Eine extrem intensive, äusserst faszinierende Zeit und fachlich sicher der Höhepunkt meiner Karriere», wie Canepa heute sagt.

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Ein Mittagessen mit Sven Hotz



Dass Canepa am 11. Dezember 2006 zum Verwaltungsratspräsidenten des amtierenden Schweizer Fussballmeisters gewählt wurde, kam überraschend. Den langjährigen FCZ-Präsidenten und Generalunternehmer Sven Hotz lernte er erst 2005 kennen, nachdem er Hotz seine Bereitschaft, sich an der geplanten Aktienkapitalerhöhung zu beteiligen, kundgetan hatte.

Monate später rief Hotz Canepa an und man vereinbarte ein gemeinsames Mittagessen. «Die Chemie zwischen uns hat sofort gestimmt», erinnert sich Canepa und Hotz’ Wunsch, er möge Einsitz in den VR nehmen, habe er nicht ausschlagen können. Bereits im ersten Jahr übernahm Canepa verschiedene Aufgaben wie etwa die Vertragsverhandlungen mit Trainer Lucien Favre. Dann kam das Statement von Hotz, sich aus gesundheitlichen Gründen per Ende Jahr ganz zurückziehen und der Vorschlag, Canepa als seinen Nachfolger zu wählen.

«Viele Jahre lang las ich an Wochenenden lieber Fussballzeitschriften wie «Kicker» oder «Sportbild» statt die ebenfalls bereitgestellte Fachliteratur zu neuen Rechnungslegungvorschriften und dergleichen. Ich dachte immer, es wäre toll, zum Zeitpunkt X meine grosse Leidenschaft Fussball zum Beruf zu machen. Dass es gleich das FCZ-Präsidium sein würde, habe ich natürlich nicht erwartet», sagt Canepa, und die leuchtenden Augen sprechen Bände über seine langjährige FCZ-Leidenschaft.

Am 1. Januar 2007 hat er seinen Job offiziell angetreten – als einziger Präsident eines Super-League-Klubs im Vollamt und erst noch ehrenamtlich. «Ich kann eine solche Aufgabe nicht seriös im Nebenamt erledigen. In meiner beruflichen Laufbahn habe ich viele Führungskräfte erlebt, die sich zu viel zumuteten. In einem solchen Amt muss man flexibel sein. Dass ich es ehrenamtlich mache, geht nur, weil ich in verschiedener Hinsicht unabhängig bin», stellt Canepa klar.

Für 1,4 Mio Fr. hat er Aktienkapital gezeichnet – nicht um Geld zu verdienen. Da gäbe es fürwahr intelligentere Investments. Im Transferbereich kann er sich künftig ebenfalls gewisse Engagements vorstellen. Der Not gehorchend, werden diese ausserhalb des Klubs von einer kleinen Gruppe Privater finanziert. Klar ist aber auch, dass Canepa nicht im Stil von Sven Hotz Gelder in den Klub schiessen wird. Der legendäre Präsident hat in den letzten Jahren nach vorsichtigen Schätzungen mehr als 30 Mio Fr. in den FCZ investiert. Oberste Priorität hat jetzt die wirtschaftliche Stabilität. Der Verein soll sich mittelfristig selbst finanzieren. Canepa ist sich bewusst, dass das ein anspruchsvolles Ziel ist.

Der einfachste Weg wäre der sportliche Erfolg, möglichst eine Champions-League-Qualifikation. Canepa hat die Ziele hoch gesteckt, weil ihm aufgefallen ist, dass Fussball-Präsidenten, aber auch Trainer und Manager, ungern ambitiöse Ziele definieren. Kein Problem für Canepa. «Wenn wir die nächsten fünf Jahre nie die CL-Quali schaffen, habe ich etwas falsch gemacht», setzt er sich selbst unter Druck.

Um 3 bis 5 Mio Fr. will er das Budget erhöhen, durch höhere Sponsoringeinnahmen und eine noch konsequentere Vermarktung des Klubs. Auch mit dem neuen Letzigrund-Stadion wachse das Potenzial. Als seriösen, positiven und verlässlichen Geschäftspartner will er den FCZ positionieren und sich niemals auch nur im hellgrauen Bereich bewegen. «Wir haben hierzulande erlebt, was passiert, wenn Fussballklubs sich auf unseriöse Leuten einlassen oder mit Geldern wirtschaften, die ihnen nicht gehören. Die Folge waren Konkurse, inhaftierte Klubpräsidenten, sogar Selbstmorde. Alles was wir hier machen, muss unter allgemein gültigen Corporate-Governance-Regeln geschehen.»

Überhaupt sieht Canepa keine wesentlichen Unterschiede im Führen eines KMU und eines Super-League-Klubs. Mit einer Ausnahme: «Wir stehen extrem im Schaufenster. Das öffentliche Interesse ist gewaltig. Sobald hier nur das Kleinste schiefläuft, ist es medienrelevant. Welchen Transfer wir tätigen, interessiert die Öffentlichkeit mehr als die Dividendenhöhe eines Weltkonzerns.»

Werte wie Loyalität, Integrität und Ehrlichkeit lebt Canepa vor und verlangt dasselbe von allen im Klub – auch von den Spielern. Bereits hat er sich eine schwarze Liste von Personen angelegt, mit denen er nicht mehr an einen Tisch sitzt. Darunter sind nicht nur dubiose Spielerberater und potenzielle Spieler, sondern auch einzelne Väter von Spielern.

Der «offene» Chef



Strukturell hat er im Klub bereits einiges angepasst. Die Zuständigkeiten sind heute klarer geregelt. Canepa selbst verantwortet den sportlichen Bereich, Operations sowie Corporate Affairs. René Strittmatter, der VR-Delegierte, kümmert sich ums Marketing und den Spielbetrieb, wobei sich die beiden als Team verstehen. «Zu wichtigen Verhandlungen gehen wir meist zu zweit», sagt Canepa.

Überhaupt betont er die Teamarbeit. Die Leidenschaft der Mitarbeiter, die er beim FCZ übernehmen konnte, hat ihn tief beeindruckt. Canepa bezeichnet sich als offenen Chef, der Probleme direkt anspricht und – falls notwendig – auch sofort anpackt. Gleiches fordert er von seinen Mitarbeitenden. «Es wird zu oft nicht klar und ehrlich gesagt, was Sache ist. Das ist eines der grössten Mankos in unserer Wirtschaft, ja überhaupt in unserer Gesellschaft.»

Der neue Präsident – selbst begeisterter Stürmer bei den Veteranen des FC Küsnacht-Herrliberg – ist fasziniert von der Strahlkraft dieses Sports. «Alle sprechen von Integration, wir machen sie», sagt er. Als nach der letzten Saison mehr als 10000 Menschen quer durch alle Altersklassen und Schichten auf dem Zürcher Helvetiaplatz den Meistertitel feierten, war für ihn klar: «Das schafft nur der Fussball.» Angebote für lukrative VR-Mandate hat Canepa bislang alle abgelehnt. Seine volle Aufmerksamkeit gilt dem FCZ.



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ZUR PERSON: Steckbrief



Name: Ancillo Canepa

Funktion: Präsident FC Zürich

Alter: 53

Wohnort: Rüschlikon

Ausbildung: Studium HVW, eidg. dipl. Bücherexperte

Familie: Verheiratet

Karriere

- 1976 Eintritt bei Ernst & Young

- 1993–1997 Leitung Abteilung Mergers & Acquisitions

- 1998–2006 Mitglied der GL und Leitung Wirtschaftsprüfung

- 1987–1997 Mitglied in Bundesrats-Expertenkommissionen

- 1987–1993 Fachsekretär Fachkommission für Empfehlungen zur Rechnungslegung (FER)



Führungsprinzipien

1. Aufgaben-Profile optimal mit Mitarbeiter-Profilen in Einklang bringen.

2. Direkte Kommunikation.

3. Gefällte Entscheide rasch und konsequent umsetzen.

4. Teamarbeit ist entscheidend.

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Firma



FCZ

Der FC Zürich ist zehnfacher Schweizer Meister. Insgesamt sieben Mal in der Vereinsgeschichte wurde der Klub Cupsieger. Der Verein beschäftigt 70 Mitarbeitende, inkl. die Spieler der ersten Mannschaft, und verfügt über ein Jahresbudget von rund 12 Mio Fr. Trainer ist Lucien Favre, Sportchef Fredy Bickel.