Der Name prangt in grossen Lettern zwischen zwei Säulen, die sich an die Fassade des Eckhauses schmiegen: Temenos. Das klingt griechisch und ist es auch: «Temenos», wird später CEO Andreas Andreades nicht ohne Pathos aufklären, «heisst schützenswert, wertvoll». Wie passend, dass das Hauptquartier des weltweit grössten Anbieters von Bankensoftware gerade an der Genfer Place des Philosophes liegt.

Ruhige Betriebsamkeit herrscht in den gediegen möblierten Gängen. Bis Andreas Andreades strammen Schrittes durch die Tür rauscht. Der Grieche im korrekten Businessoutfit verbreitet um sich jene typische Aura von Geschäftsleuten, die wenig Zeit für Small Talk haben und gewohnt sind, das für sie Wesentliche sofort in Angriff zu nehmen. Flink lässt er sich auf dem brokatbezogenen Stuhl am Kopfende des massiven Tisches im Sitzungszimmer nieder und lässt, ganz sendungsbewusster Chef, erst einmal einen Werbespot für Temenos los.

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Im hartumkämpften Markt der Anbieter von Bankensoftware ist Temenos seit ein paar Jahren weltweit der Leader, nicht jedoch im Schweizer Markt. Das erfolgreiche und einzige Produkt der Firma mit Namen Globus, so erklärt Andreades in einwandfreiem Englisch mit britischem Akzent, «ist etwas, was jeden Tag den Banken und deren Kunden die Arbeit erleichtert». Dahinter steckt die Philosophie, dass eine Software, die alle Banken auf ihre Weise nutzen können, weniger anfällig und einfacher im Support ist als viele verschiedene, individuell für jede Bank entwickelte. Die Strategie ging bis jetzt auf, Temenos hat in den letzten zehn Jahren eine exponentiale Entwicklung hinter sich gebracht; zu den 400 Banken, die in über 100 Ländern auf das Know-how von Temenos vertrauen, gehören unter anderem Merrill Lynch, die Deutsche Bank, Credit Suisse oder die Banca de Santander. Andreades stiess vor knapp fünf Jahren zum Team und begann zunächst als Finanzchef.

Im Tandem mit dem Gründer

Dem Kind den Namen gegeben und es grossgezogen hat ein anderer: George Koukis, ebenfalls Grieche, Gründer und geistiger Vater von Temenos, der sich inzwischen aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat. Andreades ist nicht nur sein Sparringpartner, sondern auch sein Nachfolger in dieser Funktion. Keine einfache Sache, dieser Job, denn Übervater Koukis atmet noch immer aus jeder Pore des Unternehmens. Wenn die Sprache auf ihn kommt, beginnen die runden, braunen Augen von Andreades zu leuchten. «Wir sind seit fast fünf Jahren ein gut funktionierendes Tandem», sagt er.

Zwei Griechen, die sich gefunden haben und auf ideale Weise ergänzen: Hier der Visionär und Kreative Koukis, der pausenlos Ideen liefert, dort Andreades, der Rechner, der dafür sorgt, dass die Dinge dann auch so zustande kommen, wie sie geplant wurden. Zunächst als CFO eingestellt, avancierte Andreades schon nach zwei Jahren zum Stellvertreter von Koukis. Der Schritt zum CEO im Juli 2003 war nur die logische Konsequenz daraus, «wir spürten alle, dass die Zeit für seinen Rückzug reif war». Wenn auch nicht vollständig, Koukis hat sich auf die Kontaktpflege und neue Projekte zurückgezogen. Andreades leitet das Geschäft. Er entspricht nicht dem Image des unorganisierten Griechen, im Gegenteil, «ich bin ein Organisationstalent», sagt er und ist sich sicher, dass er damit der Firma dient. Ansonsten teilt er Koukis' Firmenphilosophie uneingeschränkt.

Für ihn gibts immer Lösungen

Andreades war 1999 für Koukis, der das Unternehmen innerhalb von zehn Jahren nahezu zum Global Player gemacht hatte, genau der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt. Der Zypriot hatte jahrelange Erfahrung bei grossen Unternehmen wie KPMG und Pepsi-Cola gesammelt und konnte diese nun in die aufstrebende Temenos integrieren. Vor allem die fünfjährige Tätigkeit bei Pepsi-Cola, das, amerikanisch geführt, in stetem Wettbewerb zu Coca-Cola steht, hat ihm gezeigt, wie man «furchtlos den Kampf gegen die Konkurrenz» antritt: «Wir haben dort gelernt, dass es für alles eine Lösung gibt.» Dort hat er sich auch den Durchhaltewillen geholt, sich nicht mit zweiten Plätzen zu begnügen. Der neue CEO will mit der Bankensoftware uneingeschränkter Marktführer sein, daraus macht er keinen Hehl, «wir wollen an die Spitze». Und die Mitarbeiter sind davon überzeugt, dass er das schaffen wird. Schliesslich haben die fünf Jahre, seit er bei Temenos arbeitet, zum grössten Wachstum geführt: Als Andreades 1999 einstieg, hatte die Firma 200 Angestellte und einen Umsatz von 20 Mio Dollar. Heute ist das Unternehmen börsenkotiert, hat weltweit 1200 Angestellte und macht einen Umsatz von 130 Mio Dollar.

Der neue CEO hat zudem bewiesen, dass er auch in turbulenten Zeiten kühlen Kopf behält. Möglicherweise ist es ihm zu verdanken, dass Temenos einigermassen schadlos die grösste Krise seit seiner Gründung überstand. Vor rund zwei Jahren war es, als beim erfolgsverwöhnten Temenos praktisch von einem Tag auf den anderen die Aufträge ausblieben. Der 11. September 2001 liess die Banken bei den Investitionen auf die Bremsen treten, der Aktienkurs brach zusammen, die Firma machte Verlust und die Aktien, die am ersten Tag noch mit 22.15 Fr. gehandelt wurden, fielen auf unter 3 Fr. Zeitweise musste das Unternehmen um seine Liquidität bangen. Andreades musste Temenos zur Ader lassen und 350 Leute entlassen.

Das war für ihn und vor allem für George Koukis das Schlimmste. Gerade weil bei Temenos die Mitarbeiter als Schlüssel zum Erfolg betrachtet werden: «Wenn dich so etwas nicht killt, dann macht es dich stärker», sagt der CEO nachdenklich. Doch sein Durchhaltewille und die Strukturbereinigungen haben Früchte getragen: 2003 kann Temenos wieder Gewinn vorweisen. Eine Tatsache, die den CEO mit Genugtuung erfüllt: «Jetzt, da wir die letzten drei Jahre Rezession überlebt haben, werden wir die dominante Company der Zukunft sein.»

Gerne in der Schweiz

Studiert hat der gebürtige Zypriot, der die Insel 1982 verliess, in Cambridge. Zunächst Ingenieurswesen, was ihm aber «nicht so zusagte», ihn, den Zahlenmenschen, zog es ins Rechnungswesen, und er liess sich zusätzlich in Grossbritannien zum staatlich geprüften Steuerberater ausbilden. Seine berufliche Karriere begann 1988 bei KPMG in London, wo er fünf Jahre als Rechnungsprüfer arbeitete. 1993 dann wechselte er zu Pepsi-Cola und sammelte Erfahrungen in unterschiedlichen Managementpositionen. Inzwischen hat er London verlassen, ist mit Frau und kleiner Tochter nach Genf übergesiedelt. Und geniesst seine neue Wahlheimat, «das gute Essen, die Sauberkeit in der Schweiz». Zypern sieht der Vielbeschäftigte nur mehr ein paar Tage im Jahr. Kein grosses Problem sagt er, «meine Eltern besuchen uns häufig in der Schweiz».

Die Arbeit in der Firma ist intensiv für Privatleben bleibt zu wenig Zeit. Und die, die Andreades hat, verbringt er am liebsten mit Frau und Tochter. Wenn die Rede auf den zweijährigen Nachwuchs kommt, beginnt sein Gesicht zu leuchten. Und sonst? Wie hält er es mit Sport? Er lacht, «das Stählen von Muskeln gehört nicht zu unserer Firmenphilosophie». Lieber will er das Leben geniessen, gut essen, einen Wein trinken, Spass haben. Dass auch die Liebe zur Oper zu kurz kommt, nimmt er gelassen: «Ich versuche, wann immer ich nach London oder New York komme, Tickets für eine Oper zu ergattern».

Ist die Belastung als CEO nicht deutlich grösser als die des Stellvertreters? Er schüttelt den Kopf, und lässt noch einen Werbespot los: «Das Business ist gut, die Firma ist gut, das Produkt ist fantastisch, das Team exzellent.» Was soll bei so vielen Superlativen noch schief gehen können?



Steckbrief

Name: Andreas Andreades

Funktion: CEO Temenos

Alter: 38

Wohnort: Veyrier GE

Familie: Verheiratet, ein Kind

Karriere

1988 - 1993 Rechnungsprüfer bei KPMG in London

1993 - 1999 Strategie- und Verkaufsmanagement bei Pepsi-Colain London

1999 - 2000 CFO bei Temenos

2000 - 2003 Stellvertretender CEO und Direktor von Temenos

Seit Juli 2003 CEO von Temenos



Firma

Der Bankensoftwarespezialist wurde 1993 vom Griechen George Koukis in Genf gegründet. Hauptprodukt ist die Software «Globus», die verfeinert und ausgebaut wurde. Temenos hat einen rasanten Aufstieg hinter sich. Bis 2001 konnte das Unternehmen jedes Jahr einen Umsatzzuwachs von 35% verzeichnen, vor fünf Jahren hatte es 200 Angestellte, jetzt sind es 1200 Mitarbeiter, die einen Umsatz von rund 130 Mio Fr. erwirtschaften. Die Kundenliste umfasst viele renommierte Banken mit Merrill Lynch, Banco Santander, Deutsche Bank oder Credit Suisse Private Banking.