Sie hat mit Technologie eigentlich nichts am Hut. Trotzdem verdiente Apples Retail-Chefin Angela Ahrendts mit zuletzt 26,5 Millionen Dollar fast doppelt so viel wie CEO Tim Cook. Nun beendet Amerikas höchstbezahlte Managerin ihre Karriere beim iPhone-Hersteller. Als ehemalige Burberry-Chefin baute sie die Apple-Stores zu den heute bekannten Gadget-Boutiquen um.
Ahrendts wolle persönlich und beruflich neue Herausforderungen angehen, kommunizierte der Konzern in der Nacht auf Mittwoch. Laut «Wall Street Journal» plane sie, mit ihrem Mann auf Reisen zu gehen.
Der Abgang der 58-jährigen Managerin kommt für Apple zu einem heiklen Zeitpunkt: Im Weihnachtsgeschäft enttäuschten die iPhone-Verkäufe – der Umsatz schrumpfte im letzten Quartal 2018 um 15 Prozent auf rund 52 Milliarden Dollar. Schmerzlich ist für Tim Cook besonders der Rückgang in China, die Verkaufszahlen sanken um 22 Prozent. Apple habe die wirtschaftliche Abschwächung in Fernost unterschätzt, sagte er im Januar.
Längst hat das iPhone seine Aura des Besonderen verloren. China-Handys sind heute technisch ebenbürtig und nur halb so teuer. In Sachen Design stehen sie dem iPhone in nichts nach. Und Apples nächstes grosse Ding lässt schon lange auf sich warten. Wachstum verspricht primär der Service-Bereich: Apple Music, Apple Care, iCloud und der App Store.
68 Millionen Dollar zum Antritt
Für Ahrendts ist der Zeitpunkt gut gewählt. Apples Verkaufszahlen haben jüngst den Zenit überschritten, in den nächsten Jahren dürfte sich der Konkurrenzkampf verschärfen. Finanziell hat Ahrendts längst ausgesorgt: Apple versüsste 2014 ihren Stellenantritt mit einem der grössten Golden Hellos überhaupt – so wurden ihr Aktien im Wert von 68 Millionen Dollar in Aussicht gestellt. Doch wieso setzte Tim Cook ausgerechnet auf eine Frau aus Indiana, die lediglich einen Bachelor in Marketing besass und von der Tech-Branche keine Ahnung hatte?
Wahrscheinlich gerade deshalb. Techies habe Cook zu Tausenden im Konzern, sagte er zu Ahrendts, wie sie 2018 in einem Podcast-Interview erzählt. Was ihm fehlte, war jemand, der das Retail-Geschäft versteht. Ihr Vorgänger, der britische Supermarkt-Manager John Browett, floppte. Er stellte die Läden um auf Profitmaximierung und fuhr den Service-Aspekt zurück. Das kam bei Mitarbeitern und Kunden nicht gut an und sorgte für medienwirksamen Ärger. Nach einem Jahr musste er wieder gehen.
Ahrendts hingegen legte eine steile Karriere hin. Direkt nach ihrem Studium flog sie nach New York und heuerte bei einem Herrenausstatter an. Es folgten Stationen bei den Modelabels Donna Karan, Henri Bendel und Liz Claiborne. 2006 wechselte sie als Chefin zum damals angeschlagenen Luxuskonzern Burberry. Ihr gelang es, das Label vom angestaubten Image zu befreien, die Luxuskleider erfolgreich im Internet zu vermarkten und Umsatz sowie Aktienkurs zu verdreifachen. Sie brachte den Glamour zurück.
Eine Frau wird Ahrendts Nachfolgerin
Vor fünf Jahren wurde sie von Tim Cook zu Apple geholt. Statt um Karo-Mode kümmerte sie sich nun um den Verkauf der Apple Watch, verschmelzte den Retail mit dem Online-Handel und vereinheitlichte die Auftritte im Laden und im Internet. Vor allem brachte sie den Event- und Service-Charakter zurück in die Läden und gestaltete Flagshipstores im Stile eines grosszügigen Marktplatzes an Adressen in Paris oder Mailand, wo sonst Luxuslabels präsent sind. Apple hat inzwischen 506 eigene Läden und mehr als 70’000 Mitarbeiter im Detailhandel.
Ersetzt wird Ahrendts nun durch die Personalchefin Deirdre O’Brien. Sie soll die zuletzt abgeschwächte Nachfrage im Handel wieder ankurbeln. Ob sie die richtige Besetzung ist? O’Brien wird neben dem Personalwesen, das sie seit 2017 leitet, die Verantwortung über Läden und Online-Handel zusätzlich übernehmen. Und nimmt damit eine Doppelbelastung auf sich. Andererseits kennt sie den Konzern wie nur wenige.
«Deirdre versteht die Qualitäten und Stärken unseres Teams besser als jeder andere», sagt Tim Cook. Seit 30 Jahren arbeitet sie für Apple, in den letzten 20 Jahren hat sie jede neue Lancierung eines Produkts eng begleitet. Bevor sie Personalchefin wurde, leitete sie die Abteilung, welche die Nachfrage nach Apple-Produkten vorhersagt und für die Belieferung der Detailhandelskanäle sorgt.