Thomas Gottstein, CEO der Credit Suisse, dürfte mit gemischten Gefühlen an die diesjährige Strategie-Retraite im Grand Resort Bad Ragaz gereist sein. Dort im noblen Hotelkomplex von Zementbaron Thomas Schmidheiny, vor vielen Jahren selbst einmal im Board der Credit Suisse, trifft sich die Konzernleitung und der Verwaltungsrat jeweils zur Retraite in Sachen Strategie.
Die Zahlen sprechen nicht für den CEO. Verlust beim Hedgefonds Archegos: 5,4 Milliarden. Ausfallrisiko bei den Lieferkettenfonds von Lex Greensill: bis zu 2,3 Milliarden. Aktienkurs seit Anfang Jahr: zweistellig im Minus. Die CS ist die einzige Aktie von allen grossen Schweizer Unternehmen, die dieses Jahr so heftig ins Minus gerutscht ist. Schon bald nach Bekanntwerden des Riesenverlustes bei Archegos wurden in der Presse Rufe nach einem Rücktritt von Thomas Gottstein laut.
«Es ist auch viel gemacht worden in den vergangenen zwölf Monaten, worauf ich sehr stolz bin.»
Thomas Gottstein, CEO Credit Suisse
Doch er will weitermachen. Er habe gute Gespräche sowohl mit dem outgoing Chairman Urs Rohner sowie dem incoming Chairman António Horta-Osório gehabt und viel Support gespürt. «Ich habe mich dazu entschieden, ein Teil der Lösung zu sein», sagt Gottstein. «In meiner 30jährigen Karriere waren die letzten drei Monate wahrscheinlich die schwierigsten», so Gottstein weiter.
Besonders getroffen hätten ihn die Rückschläge, weil vieles ja auch sehr gut laufe, sagt er, und verweist auf die Underlying Numbers, die zugrunde liegenden Kennzahlen zur Performance im Geschäft: «Es ist auch viel gemacht worden in den vergangenen zwölf Monaten, worauf ich sehr stolz bin», sagt Gottstein.
CEO in der Pflicht
So zeige das adjustierte Ergebnis im ersten Quartal das zweithöchste Vorsteuerergebnis in der 165jährigen Geschichte der Bank und das höchste seit der Finanzkrise. Doch in Analystenkreisen werden die Forderungen lauter, die CS müsse endlich den grossen Schritt wagen, etwa das Investmentbanking über Bord werfen. Der CEO ist in der Pflicht: er muss glaubwürdige Rezepte für die Zukunft liefern. Er steht dabei unter verschärfter Beobachtung: am 30. April ist mit António Horta-Osório ein neuer Präsident angetreten, der als sehr fordernder Chef gilt.