Die USA machten am Wochenende den Iran für die Attacken verantwortlich. Dieser wies die Anschuldigungen umgehend zurück und warnte vor einem Krieg. Der Beschuss von zwei zentralen Produktionsanlagen legte nach Angaben des betroffenen staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco mehr als die Hälfte der heimischen Förderung lahm. Das sind über fünf Prozent der Weltproduktion. An den Finanzmärkten wurde mit einem spürbaren Ölpreisanstieg gerechnet. Experten schlossen Panikreaktionen zu Wochenbeginn nicht aus.
Zu den Angriffen kam es am Samstag vor Tagesanbruch. Auf Fernsehbildern waren später hohe Flammen und Rauchsäulen zu sehen. Die Brände wurden nach Angaben des saudiarabischen Innenministeriums bald unter Kontrolle gebracht. Berichte über Tote oder Verletzte lagen nicht vor.
Die Urheberschaft der Attacken ist umstritten. Zwar übernahmen die dem Iran nahestehenden Huthi-Rebellen im Jemen die Verantwortung dafür und sprachen von zehn eingesetzten Drohnen. Aber US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, es gebe keinen Beweis dafür, dass der Beschuss tatsächlich aus dem Jemen gekommen sei. Stattdessen gab Pompeo dem Iran die Schuld. «Inmitten aller Appelle für eine Deeskalation hat der Iran einen beispiellosen Angriff auf die weltweite Energieversorgung gestartet», hiess es in einer Twitterbotschaft des Ministers.
Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump ein Treffen mit seinem iranischen Amtskollegen Hassan Ruhani bei der UN-Vollversammlung in diesem Monat in New York als möglich bezeichnet. Ruhani allerdings machte eine Aufhebung der US-Sanktionen gegen sein Land zur Bedingung für solch eine Begegnung. Am Samstag telefonierte Trump mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der die Drohnenattacken als «terroristische Aggression» bezeichnete.
Die Spannungen in der Region haben zugenommen, seit Trump das internationale Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufkündigte. Danach weitete er die Sanktionen gegen die Islamische Republik aus, die vor allem auf deren Ölindustrie abzielen. Unterstützt werden die USA dabei von ihren Golf-Verbündeten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate.
Ein Sprecher des iranischen Aussenministeriums wies den Vorwurf, sein Land sei für den Anschlag auf die saudiarabische Ölindustrie verantwortlich, als «unsinnig und unhaltbar» zurück. Der Luftwaffenchef der Revolutionsgarden, Amirali Hadschisadeh, sagte der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Tasnim zufolge, der Iran sei bereit für einen Krieg. Er warnte zugleich: «Jeder sollte wissen, dass amerikanische Stützpunkte und Flugzeugträger in einer Entfernung von bis zu 2000 Kilometern zum Iran in Reichweite unserer Raketen sind.
Nach Ansicht von Regierungsvertretern in Teheran und von Analysten werden die wachsenden Spannungen vor allem den iranischen Hardlinern nützen, die sich gegen eine Öffnung des Landes zum Westen durch Präsident Ruhani stemmen.
Weltgrösste Ölraffinerie in Abkaik getroffen
Die saudischen Behörden hielten sich zunächst mit konkreten Vorwürfen zurück. Das Energieministerium stellte den Drohnenbeschuss in eine Reihe mit früheren Angriffen auf heimische Ölanlagen und Tanker in der Golfregion. Der Irak dementierte Medienberichte, wonach die aktuellen Angriffe von seinem Staatsgebiet aus erfolgten. In dem Land haben vom Iran unterstützte paramilitärische Organisationen zuletzt an Macht gewonnen.
Eine Sprecherin der EU-Aussenbeauftragten Federica Mogherini wertete die jüngsten Drohnenangriffe als «reale Gefahr für die Sicherheit in der Region» und forderte die beteiligten Parteien zu «maximaler Zurückhaltung auf.
Von dem Drohnenbombardement getroffen wurden die weltgrösste Ölraffinerie in Abkaik sowie eine weitere Anlage in Churais. Dadurch wurde eine Fördermenge von 5,7 Millionen Barrel pro Tag bis auf weiteres lahmgelegt. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person sagte der Nachrichtenagentur Reuters, eine Rückkehr zur vollständigen Produktionskapazität dürfte eher Wochen als Tage dauern. Für den Ölriesen Saudi Aramco kommt der Ausfall denkbar ungelegen, denn der Konzern steuert derzeit auf den mit Spannung erwarteten größten Börsengang aller Zeiten zu.
«Abkaik ist das Nervenzentrum des saudischen Energiesystems», sagte Rohstoffmärkte-Expertin Helima Croft von der Investmentbank RBC Capital Markets. «Selbst wenn die Exporte in den nächsten 24 bis 48 Stunden wieder hochgefahren werden, ändert dies den Anschein der Unverwundbarkeit.»
Analysten sagten für den Wochenbeginn einen deutlich Anstieg des Ölpreises voraus, der zuletzt bei rund 60 Dollar je Barrel (1 Barrel = 159 Liter) notierte. Manche Experten rechnen sogar mit Panik. Die Marke von 100 Dollar könnte demnach wieder in Reichweite rücken, sollte der weltgrösste Ölproduzent nicht in der Lage sein, schnell wieder seine normale Kapazität zur Verfügung zu stellen. Die USA zeigten sich bereit, auf ihre Ölreserven zurückzugreifen, um Engpässe zu verhindern.
Der Bürgerkrieg im Jemen wird weithin als ein Stellvertreterkonflikt der beiden Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran betrachtet. Die Huthi-Miliz wird von einer Militärallianz unter Führung Saudi-Arabiens bekämpft. Sie hat bereits in der Vergangenheit die Verantwortung für mehrere Drohnen- und Raketenangriffe auf Städte, Flughäfen und Ölanlagen in Saudi-Arabien übernommen, die allerdings größtenteils abgefangen wurden. Die Führung in Riad wirft dem Iran vor, die Huthis mit Waffen zu beliefern. Das wird sowohl vom Iran als auch den Huthis bestritten.
(reuters/dhü)