Wie ist der Run auf die Schweizer Small und Mid Caps zu erklären?
Bernhard Signorell: Wir hatten Ende 2002 und Anfang 2003 eine Phase massiver Unterbewertung. Dieses «Abschlachten» von Aktien wurde korrigiert in den Jahren 2003 und 2004. Zugleich sind die Zinsen heute tief, die Bilanzen der Firmen sind gesünder, das Wirtschaftsbild hat sich verbessert. Im 2. Quartal dieses Jahres flossen dann Gelder aus dem Small/Mid-Cap-Bereich ab in Richtung Blue Chips, weil die Leute das Gefühl hatten, die Titel seien gut gelaufen. Das war auch die Zeit, in der wir unsere Kunden zurückhalten mussten. Wir konnten unser Niveau kapitalmässig aber halten.
Kurz vor der Zeit also, als die Übernahmewelle so richtig begann.
Signorell: Ja, das hat das ganze Segment durchgeschüttelt. Alle immer noch relativ günstigen Werte erfuhren eine Anpassung. Ich würde sagen, etwa die Hälfte des Kursanstieges im Bereich der Small und Mid Caps ist auf das Übernahme- und Konsolidierungsfieber zurückzuführen.
Geht die Übernahmewelle weiter?
Signorell: Davon gehe ich aus, und zwar nicht nur in der Schweiz. Nach wie vor ist sehr viel Geld vorhanden bei Hedge-Fonds und Private-Equity-Häusern. Im internationalen Quervergleich gibt es noch immer unterbewertete Perlen bei uns: Ein Beispiel: Sollte bei Saurer wirklich etwas passieren, dann wird es bei anderen Unternehmen, zum Beispiel Georg Fischer oder Rieter, zu Neuanpassungen kommen, sprich: Sie würden nochmals um 10% bis 20% steigen. Denn auch diese Unternehmen haben kein Kernaktionariat und könnten deshalb mögliche Übernahmeopfer sein.
Welche Branchen sind besonders gefährdet für Übernahmen?
Signorell: Das sind im Biotechbereich kleinere Firmen im ausserbörslichen Bereich, aber auch ein Unternehmen wie Cytos, falls positive Studienresultate geliefert werden. Dann auch die Private-Banking-Branche, wo es kein Wachstum mehr gibt. In unserem Fonds führen wir die Bank Sarasin, die günstig bewertet ist. Ich bin überzeugt, in der Branche kommt es zu einer Konsolidierung. Auch der Bausektor ist ein verzettelter Markt, in dem etwas passieren wird. Generell kann man sagen, dass Firmen auf den Radarschirm kommen, die sich ihrer Probleme entledigt haben und wieder attraktiv sind. Nehmen Sie Ascom: Dort besteht die Bilanz zur Hälfte aus Cash-Positionen.
Sarasin haben Sie also im Fonds aufgrund von Spekulation, die Bank werde übernommen?
Signorell: Spekulation ist das falsche Wort. Die Überlegung ist die: Falls eine andere Privatbank, etwa die Banca del Gottardo, übernommen werden sollte, dann fangen Analysten an, die Konkurrenten durchzurechnen und merken, dass einige viel zu billig sind. Man muss also nicht mal selber das Opfer sein, damit es zu einer Kurssteigerung kommen könnte.
Wie verhalten sich die Schweizer Firmen im Abwehrkampf?
Signorell: Saia-Burgess zum Beispiel macht ja schon fast beängstigende Anti-Japanparolen. Das war eher auf der peinlichen Seite.Die Aufgabe des Verwaltungsrates ist ja die Prüfung der Fragen wie: Macht das Angebot Sinn für die Firma, ist der Preis fair, können Arbeitsplätze erhalten werden? Wenn man das bejahren kann, spielt es keine Rolle, woher der Käufer kommt. Die Details imFall Saia kann ich jedoch nicht beurteilen.
Wie verhielten Sie sich als Fondsmanager bei einem Übernahmeangebot einer Firma, die Sie im Portefeuille haben?
Signorell: Das passierte schon, bei Bon appétit.Da musste ich allerdings andienen, da es ein Angebot eines Mehrheitsaktionärs war. Bei einem Bieterkampf würde ich ohne Sentimentalitäten verkaufen, ich muss ja im Interesse der Anleger auch einen Gewinn realisieren. Die Herkunft des Käufers ist eigentlich nicht entscheidend. Sich auf den Punkt zu stellen, man dürfe kein fremdes Blut in der Schweiz haben, wäre falsch. Im Gegenteil: Da und dort kann das beleben, und wir Schweizer sind ja auch sehr wacker im umgekehrten Fall.
Was sind die Kriterien für einen Aktienkauf bei Ihrem Fonds?
Signorell: Wir haben einen internen Screening-Prozess. Da forsten wir durch, welche Firmen ein Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von unter 1 haben. Oder wir suchen im Industriebereich Werte, die ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von unter 12 haben. Aber auch der Unternehmenswert im Verhältnis zum operativen Gewinn (EV/Ebitda) ist für die Beurteilung entscheidend. Nach diesen quantitativen Erhebungen kommen die Management-Meetings. Wir haben mehr als 200 davon jährlich. Dazu kommen Präsentationen, Bilanzanalysen, Quervergleiche, Management-Beurteilungen. Ein falsches Management kann sehr viel Geld kosten.
Die grösseren Positionen in Ihrem Fonds sind Inficon, Carlo Gavazzi, COS, Kardex oder Citron. Warum gerade diese Firmen?
Signorell: Gavazzi hat den Turnaround geschafft, die Bilanz ist gesund, das KBV ist 1. Den Turnaround hat COS noch vor sich.Dort halten wir 10% der Firma, und das Management besitzt ein Grossteil eigene Aktien ein wichtiges Kriterium. Inficon hat gut geführte Divisionen und ist profitabel. Citron, im Waste-Management tätig, ist dagegen eine Wachstumsstory. Das wird ein grosses Thema in Europa. Generell haben wir sehr viele Maschinenwerte, die von der Bewertung her günstig sind.
Es sind Titel, die in anderen Fonds nicht so oft zu sehen sind.
Signorell: Wir sind klassische Stockpicker und unterscheiden uns sehr stark von den Banken. Deren Fondsmanager lehnen sich automatisch näher an einen Index, um sich abzusichern. Von unseren Bewertungskriterien passen die Firmen, die in den Indizes hoch gewichtet sind, nicht zu uns. Obwohl Titel wie Synthes oder Nobel Biocare natürlich auch gut gelaufen sind.
Nach der Rallye muss man wohl jahrelang warten, bis die Bewertungen wieder günstig werden?
Signorell: Das «Easy Money» ist sicher gemacht. Kursverdoppelungen werden wir sicher so schnell nicht wieder sehen.Von Schwindel erregenden Bewertungen würde ich allerdings auch nicht sprechen. Sie sind fair. Mit Stockpicking kann man nach wie vor Geld verdienen. Die Small Caps etwa haben ein KGV von 13 für 2006. Die Bewertungen, aber auch das Zinsniveau und die Konsolidierung sprechen eher noch für höhere Kurse.
3V Asset Management: Gut rentiert
Der Fonds «3V Invest Swiss Small & Mid Cap», gemanagt von Bernhard Signorell, ist mit einer Performance von 63% der beste seiner Klasse in den letzten drei Jahren. Die grössten Positionen sind Inficon und Kardex. Besitzerin ist die 3V Asset Management in Zürich, früher eine Tochtergesellschaft der Sal. Oppenheim Schweiz. (dhü)