Eine Film-Visionierung, ein schönes Stück Schweiz auf der Leinwand – und zwei frustrierte Stars. So beginnt der neue hollywoodeske Werbefilm von Schweiz Tourismus, der an den Erfolg des Vorgänger-Epos «No Drama» mit Roger Federer und Robert De Niro anknüpfen will.
Das Star-Duo besteht dieses Mal aus Tennis-Maestro Federer und der US-amerikanischen Schauspielerin Anne Hathaway («Brokeback Mountain», «Der Teufel trägt Prada», «Ocean’s 8», «Les Misérables»). Frustriert sind Hathaway und Federer im Visionierungsraum, weil sie zwar vor der Kamera ordentlich in der Swiss Landscape herumgeturnt sind, zum Schluss aber marginalisiert werden in dem Film, der die Schönheit der Roadtrip-Reise «Grand Tour of Switzerland» bildstark auf die Leinwand bringt.
Die Botschaft, welche die Schweizer Werbeagentur Wirz damit der ganzen Welt unterjubeln will: Die Schweiz ist der Star. Nicht die Stars. Livio Dainese, Co-CEO der Werbeagentur Wirz, erzählt, wie man an einen Weltstar wie Anne Hathaway rankommt, wie die Schauspielerin an ihrem Schweizerdeutsch feilte und warum man den Erfolg einer Werbefilm-Klickgranate nicht in Buchungszahlen messen kann.
Das erste Star-Video mit Roger Federer und Robert De Niro sorgte letzten Frühling für weltweites Aufsehen. Wir haben bei 48 Millionen Youtube-Klicks für «No Drama» aufgehört zu zählen. Wie lautet Ihre Schlussabrechnung?
Livio Dainese: Mit gegen 53 Millionen Aufrufen war Youtube der wichtigste Schauplatz. Über alle Online-Plattformen hinweg wurde das Video über 100 Millionen Mal angeschaut.
Wie lautete das Briefing von Schweiz Tourismus für das Werbe-Sequel? Livio, bring uns 200 Millionen Klicks?
So war das nicht. Das Briefing lautete: Dreht einen Film zur Grand Tour of Switzerland, der Lust macht, diese Rundreise anzutreten. Zwei Parameter waren dabei vorgegeben: die Schweiz und Roger Federer. Der Rest war uns überlassen.
Waren die 100 Millionen Klicks, die der erste Film eingespielt hatte, Ansporn oder Albtraum?
Beides. Als Kreativer hat man natürlich immer den Bammel, dass man den Erfolg des Vorgängers nicht mehr hinkriegen oder toppen kann. Aber das muss man verdrängen. Von ähnlichen Erfolgsfilmen wie jenen der Steinböcke Gian und Giachen für Graubünden Ferien kannte ich solche Situationen. Man muss sich lösen vom Erfolgsdruck.
Was war Ihre Rolle beim Werbefilm-Sequel?
Ich war stark involviert, schrieb die Grundidee zum Script und war von Anfang bis zum fertigen Film konstant im Austausch mit dem Regisseur. Doch natürlich hat jede Arbeit viele Väter und Mütter. In diesem Fall auch Anne Hathaway, die – anders als damals Robert De Niro – selber am Script mitgearbeitet hat.
Wie kommt man überhaupt an einen Star wie Anne Hathaway ran?
In meinem Adressbuch steht sie leider nicht. Der Schlüssel heisst Roger Federer. Er kennt viele Leute, und die Leute mögen ihn. Wenn Roger Federer kommt, gehen die Türen auf. So auch in diesem Fall.
Wo wurde das Sequel gefilmt, wo liegt dieser Visionierungsraum?
In einem schmucklosen Gebäude in Schlieren ZH.
Und dorthin konnte man den Hollywood-Star locken?
So ist es. Am 17. Februar 2022 kam Anne Hathaway für die Filmaufnahme in den Content-Park an der Wagistrasse in Schlieren.
Die gute Dame konnte zu zwei Schweizerdeutsch-Wörtern bewegt werden. Einmal sagt sie «Chumm jetzt» («Come on), einmal zischt sie «Mischt» («Shoot»). Wie viel gutes Zureden brauchte das?
Gar nicht viel. Anne Hathaway fand das sehr cool. Aber sie wollte schon ganz genau wissen, wie hart das Wort «Mischt» hierzulande konnotiert ist. Und an «Chumm jetzt» hatte sie ziemlich zu beissen, bis es gut klang.
Viele Youtube-Klicks sind das eine. Das andere: Wie kann man das konkret in Erfolg für die Destination Schweiz ummünzen?
Es geht bei diesem Spot nicht darum, sofort Buchungen zu generieren. Am Schluss taucht ja auch gar kein «Call to Action», ein konkreter Aufruf für eine Reservation, auf. Worum es geht: Aufmerksamkeit und Bewusstsein für die Schweiz zu steigern. Eine klare Awareness-Kampagne also.
Was nützen all die Klicks dem Bergbähnler, dem Ausflugsgastronomen, dem Hotelier an der Grand Tour of Switzerland?
Mit solchen Kampagnen fällt die Schweiz auf, sie zeigt, dass sie Charme und Witz hat. Was all den touristischen Akteuren hilft, auf die Landkarte zu kommen.
Was hat die Kampagne mit Frau Hathaway gekostet?
Das weiss ich nicht. Und wüsste ich es, dürfte ich es nicht sagen. Was ich sagen kann: Dadurch, dass der Film nicht im klassischen Fernsehen läuft, sparen wir eine Menge an Werbekosten. Wenn solche Clips online viral gehen, ist das eine günstige Massnahme.
Die Botschaft des Films lautet: Die Schweiz ist der Star, nicht die Stars. Warum braucht es dann trotzdem Stars?
Die Stars sorgen dafür, dass die Leute überhaupt erst zuschauen. Reine Landschaftsbilder genügen dazu nicht. Es braucht die Stars und ihre Irritation, damit die Grand Tour of Switzerland zum Star wird.
Arbeiten Sie schon an der Star-Irritation Nummer drei?
Wir sind in Planung. Aber noch ohne Skript. Und ohne Köpfe.