Wegen der Frankenstärke und der weltweit sehr unsicheren Konjunktur befürchten Behörden und Arbeitgeber in der Schweiz einen Anstieg der Arbeitslosigkeit.

«Bleibt der Wechselkurs auf diesem Niveau, müssen wir insbesondere in der Maschinenindustrie mit einer grossen Zahl von Produktionsverlagerungen ins Ausland und Entlassungen rechnen», sagte Serge Gaillard, Leiter der Direktion für Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».

«Negative Effekte werden wir auch im Tourismus und bei den Banken haben - in allen Branchen, die der internationalen Konkurrenz ausgesetzt sind», ergänzte Gaillard.

Das Seco hatte bereits als der Euro noch zwischen 1,20 und 1,30 Franken notierte mit steigender Arbeitslosigkeit ab Herbst gerechnet. Inzwischen fiel die europäische Gemeinschaftswährung unter 1,10 Franken. Ein solcher Wechselkurs bleibt laut Gaillard nicht ohne «schwerwiegende Folgen für die Schweizer Wirtschaft».

Innerhalb von 18 Monaten sei die Schweiz für das Ausland allein wegen der Wechselkurse um weit mehr als 20 Prozent teurer geworden. «Das hat auf die Wirtschaft die gleiche Wirkung, wie wenn die Löhne um mehr als 20 Prozent erhöht worden wären», sagte Gaillard.

Economiesuisse fordert Steuererleicherungen

Für Gerold Bührer, Präsident des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, sind nun nicht kurzfristiger Aktionismus, sondern langfristige wachstumsstärkende Massnahmen gefragt, damit es nicht zu massiven Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland kommt.
Dazu zählte Bührer in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» die gezielte Erleichterung bei Steuern und Abgaben, weitere Marktöffnungen durch Freihandelsabkommen, Innovationsförderung, Abbau bürokratischer Hürden sowie Gewährleistung der tieferen Importpreise. In ausserordentlichen Lagen solle auch ein Wechselkursziel nicht ausgeschlossen werden.

Der Geschäftsgang in den einzelnen Unternehmen ist laut dem neuen Präsidenten des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt, sehr unterschiedlich: «Es gibt Unternehmen, denen es hervorragend geht und die auch gute Aussichten für die Zukunft haben, und solche die in ihrer Existenz gefährdet sind», sagte Vogt der Zeitung «Der Sonntag».
Er rechnet daher damit, dass dieses Jahr die Differenzen bei den Lohnanpassungen so gross sein werden wie nie in den letzten Jahren. Von Reallohnerhöhungen bis zu einer Nullrunde sei je nach finanzieller Verfassung einer Firma alles denkbar.

Lohnkürzung als letzte Massnahme

Lohnkürzungen sollten aber erst ins Auge gefasst werden, wenn die Existenz eines Unternehmens bedroht sei und alle anderen Massnahmen ausgeschöpft seien. Ziel müsse es in jedem Fall sein, die Arbeitsplätze zu erhalten, sagte Vogt, der den Firmen auch schon dazu geraten hatte, Mitarbeiter bei gleichem Lohn länger arbeiten zu lassen.

Aber auch der Arbeitsgeberpräsident erwartet im zweiten Halbjahr eine steigende Arbeitslosigkeit. Im Juni war die Arbeitslosenquote in der Schweiz noch auf 2,8 Prozent gefallen. Das war der tiefste Stand seit November 2008, als sich die Finanzkrise auszuwirken begann.

Ende Juni 2011 waren 110'378 Arbeitslose bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldet. Über die Entwicklung bis Ende Juli will das Seco am Montag berichten.

(rcv/sda)

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