Staatsmännisch und ruhig trat Edgar Oehler zuletzt auf Wirtschaftspodien auf. Keine Klagen, keine harten Worte. Nichts deutete darauf hin, dass der Unternehmer vor acht Monaten Macht, Unbesiegbarkeit und den Chefposten beim Bauausstatter Arbonia-Forster (AFG) nach Verlusten und heiklen Bezügen verloren hatte. Wenn die Scheinwerfer leuchten, sieht man einen gefassten Mann. «Alles ist bestens», sagt Oehler in solchen Momenten zu seiner Situation und jener von AFG.

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Doch Oehler leidet. «Es ist noch immer schwer für ihn», sagt ein Bekannter. «Er kann nicht loslassen.» Jahrelang hat er das Unternehmen geprägt und eine Vision der grossen Expansion verfolgt. Die AFG war sein Lebenswerk. Jetzt ist er zum einfachen Verwaltungsratsmitglied degradiert. Auf Oehlers neuen AFG-Visitenkarten steht: «Früher Verwaltungsratspräsident und CEO».

Kaum ein Ablöseprozess in einer Schweizer Chefetage war in der Vergangenheit schwieriger als jener jetzt bei der AFG. Seit Sommer ist ein neues Management unter Chef Daniel Frutig am Werk und richtet das verästelte Konglomerat neu aus. Bereits sind erste Verlustlöcher gestopft. «Aufräumarbeiten» nennen es Beobachter. Aber das Aufräumen steht unter Beobachtung des früheren Patrons. Noch immer ist Oehler mit 18 Prozent mit Abstand grösster Aktionär. Keiner kennt die Holding mit ihren fünf Divisionen von Fenster über Heiztechnik bis zu Küchen besser als er. Oehler weiss das. Die Konstellation ist einmalig.

Letztes Mandat in China

Fernab der Scheinwerfer schweigt der bald 70-Jährige nicht. «Oehler kritisiert vieles, was sich jetzt bei der AFG verändert», sagt einer, der ihn kennt. Für den früheren Patron würden heute zu viele Entscheide an Berater delegiert. Unternehmerische Kriterien kämen häufig zu kurz, man verkenne Chancen, man achte zu wenig auf die Stimmung im Betrieb.

Am Hauptsitz bei der AFG herrscht über das Gerede nicht nur Freude. Nicht gerade zur vollständigen Entspannung dürften aktuelle Entwicklungen beitragen. Derzeit reist Oehler öfters in die Umgebung von Schanghai. Für Arbonia-Forster (AFG) bringt er dort als letzten operativen Auftrag den Bau einer Fabrik für Hartverchromung zum Abschluss. Die Fabrik gehörte zu den Expansionsplä-nen aus jener Zeit, als Oehler noch der starke Mann war. «Überdurchschnittliches Wachstum» prognostizierte er damals der gesamten Hartverchromungs-Division. Dutzende von Millionen warf er in die Schlacht.

In der Konzernzentrale in Arbon rechnet derweil das Management nach. Revisionsexperten sind engagiert. Sie drehen und wenden noch immer Zahlen, die aus der Ära Oehler stammen. Die aktuelle Bestandesaufnahme ist ernüchternd. Nicht alles bei der AFG ist heute so viel wert, wie es noch vor kurzem schien. «Es wird zu Wertberichtigungen kommen», sagt einer, der mit den Verhältnissen vertraut ist. Noch sei nicht abschätzbar, wie hoch die Summe am Ende ausfallen werde. Man rechnet aber damit, dass die Abschreiber noch in der laufenden Jahresrechnung verbucht und dann kommuniziert werden.

Abschreiber für 2011

Die AFG selber äussert sich dazu nur zurückhaltend. «Zum heutigen Zeitpunkt sind Aussagen zu Bewertungen nicht möglich. Die Überprüfung der Werthaltigkeit von Vermögensbestandteilen erfolgt wie üblich im Rahmen der Revision des Jahresabschlusses», sagt Aloys Hirzel, Sprecher von AFG.

Für einen Abschreiber wird auch der Oberflächenbehandlungs-Bereich STI/Hartchrom sorgen, zu dem das Projekt in China zählt, das Oehler derzeit noch betreut. Zu diesem letzten noch laufenden Mandat ist er gekommen, weil keiner die Verhältnisse vor Ort besser kennt als er. Der Abschluss hatte sich zuletzt verzögert, im Januar sollte es nun so weit sein. Schon jetzt ist allerdings klar, dass der Wert des gesamten Bereichs STI/Hartchrom überschätzt wurde, den Oehler 2007 aus seinem Eigenbesitz in die AFG einverleibte. In den Büchern steht STI/Hartchrom mit rund 170 Millionen Franken. «Es hat derzeit einen Wert in einem höheren zweistelligen Millionenbereich», berichtet ein Branchenkenner.

Die Abschreiber sind Salz in den Wunden von Oehler. Noch einmal werden nackte Zahlen belegen, dass seine Vision der forcierten Expansion nicht aufgegangen ist. In den Jahren vor der Finanzkrise kaufte Oehler eine Firma nach der anderen auf. Miele Küchen, Piatti Küchen, Ego-Kiefer-Türen und -Fenster. Es waren Schachzüge, perfekt für Schönwetterperioden.

Als die Märkte drehten, verschlechterte sich die Bilanz rapide. Zuerst machten die Grossbanken UBS und CS Druck, die stimmkräftigen Inhaberaktien von Oehler abzuschaffen und dem Patron die Vorherrschaft so zu entreissen. Der ehemalige CVP-Nationalrat wehrte sich lange, und sein angekündigter Rückzug vom Chefposten blieb aus. Als er Anfang 2011 noch immer keinen Nachfolger präsentierte, machten Vorwürfe die Runde, er habe zwischen Geschäft und eigenem Nutzen nicht messerscharf geschieden. So soll er Küchen von AFG zum Einstandspreis für eigene Geschäfte erworben und eine eigene Wohnung auf Kosten des Konzerns eingerichtet haben. Oehler musste dafür über 2 Millionen Franken zurückzahlen. Danach dauerte es nur noch Wochen, bis Oehler die Waffen vollständig streckte und auch das Verwaltungsratspräsidium räumte.

«Mit Blick auf meine Nachfolger habe ich immer und öffentlich festgehalten, dass sie die Sache besser als ich machen sollten», sagt Oehler heute rückblickend. Doch in der Praxis war der Neustart schwierig. Zu Beginn seien die Verwaltungsratssitzungen äusserst ruppig verlaufen, berichtet ein Kenner der Verhältnisse. Nicht nur der Ton sei gereizt gewesen, Oehler habe als Verwaltungsrat auch Informationen vom Management verlangt in einem Ausmass, wie er sie früher als Chef selber nie geliefert hatte.

Kein Verkauf des Aktienpakets

Oehler sagt dazu: «Ich glaube nicht, dass man jemals zu 100 Prozent abtreten kann, wenn man zeitlebens unternehmerisch dachte und handelte.» Selbstverständlich berge alles Neue Vorteile, aber oftmals auch Gefahren in sich. Nicht alle alten Besen hätten schlecht gekehrt, wie auch nicht alle neuen Besen nur gut kehrten.

Auf kurze Sicht ändert sich an der Konstellation vorderhand nichts. Oehler dürfte zwar keine operativen Mandate mehr erhalten, aber weiterhin als Aktionär im «aktiven Vor-Ruhestand» mitreden. «Die Frage eines Verkaufs meines Aktienpakets stellt sich derzeit nicht», sagt Oehler. Er habe den Verkauf auch abgelehnt, als man ihm in der heissesten Phase der Hochkonjunktur mehr als 450 Millionen Franken für sein damaliges Paket offeriert habe.

Im Sommer waren seine Frau und zwei Töchter mit dem Auto schwer verunfallt. Vielleicht sei es eine zeitliche Koinzidenz, mutmasst ein Bekannter von Oehler, aber in letzter Zeit sei der Grundtenor versöhnlicher geworden. Ob das anhält, wird sich zeigen. Oehlers Grundsatz lautet: «Wer Ecken und Kanten hat, eckt an. Nur Softies und Kuscheltierchen tun dies nicht.» Er wird weder das eine noch das andere je sein wollen.