Mit der Idee von Klaus Schwab für das World Economic Forum (WEF) ist Davos zum weltweit bekannten Kongresszentrum aufgerückt. Trotzdem hat sich das Tagungsgeschäft nur langsam entwickelt. Hängt das mit dem Handicap des abgelegenen Bergkurortes zusammen?

Armin Egger: Wir haben einen gewissen Standortnachteil gegenüber Städten, es gibt aber auch Vorteile. Ausschlaggebend sind die Wünsche des Kongressorganisators, der in vielen Fällen gerade diese Abgeschiedenheit sucht. Beim WEF ist dies gesucht. Die Teilnehmer sollen nicht rasch ein- und gleich wieder wegfliegen, wie das an einer Zentrumslage möglich ist. Als Kongressort können wir zahlreiche Freizeitaktivitäten und das Naturerlebnis anbieten.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das WEF müsste bei der Vermarktung als Magnet für andere Tagungen wirken?

Egger: Der Bekanntheitsgrad hilft uns natürlich. Das WEF hat den Namen Davos in die Welt getragen. Viele kleinere Veranstaltungen finden aus diesem Grund hier statt. Das darf aber nicht überbewertet werden. Bekanntheit öffnet sicher Türen, aber es geschieht nichts automatisch.

Wie nutzen Sie diesen Goodwill bei der Akquisition von Kongressen?

Egger: Mit Broschüren und Werbematerial, das eine Verbindung zum WEF herstellt, und durch Beziehungen, die wir am WEF aufbauen können.

Die CEO fast aller grossen Multis sind jeweils im Januar in Davos. Da eröffnen sich doch Chancen für weitere Firmenanlässe?

Egger: Ja, nur wird das überschätzt. Natürlich sind die Chefs der 1000 grössten Unternehmen hier, nur haben die nicht unbedingt ein Ohr für Firmenseminare. Gewisse CEO regen das sicher an, es gibt aber ebenso das Argument, dass nach der Visite des obersten Chefs nicht auch noch das übrige Kader bei uns tagen soll, diverse Firmenchefs möchten auch bei den Tagungsorten eine Hierarchie einhalten.

Das WEF allein ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wie hoch ist der Anteil des Kongress- und Seminargeschäftes an den gesamten Übernachtungen?

Egger: Zwischen 17 bis 20% der gesamten Nächtigungen.

Davos setzt auf eine Fünfsäulenstrategie mit Sommer- und Wintertourismus, Gesundheits- und Kongresstourismus, Kulturtourismus und Spitzensport. Eine Höhenklinik nach der anderen schliesst wegen der knappen Budgets im Gesundheitsbereich ihre Pforten. Könnte diese Lücke nicht mit einem forcierten Angebot im Kongresstourismus ausgeglichen werden?

Egger: Das versuchen wir. Der Kongresstourismus wird gefördert, man muss aber dabei auch von einer gewissen Saisonalität ausgehen. Das Kongresszentrum ist heute an 270 Tagen im Jahr belegt. Da unternehmen wir Anstrengungen, um die Infrastruktur noch gleichmässiger und länger auszulasten. Der Aderlass im Gesundheitssektor war voraussehbar, spätestens nach den Reformen in Deutschland. Wir verfügen aber weiterhin über ein gewichtiges Standbein in diesem Bereich und setzen nach wie vor auf den Gesundheitsplatz Davos.

Ärztekongresse waren einst das Markenzeichen von Davos. Büssen Sie da ein?

Egger: Nein, wir festigen unseren Ruf für medizinische Aus- und Weiterbildungen laufend. Die Kongresse im Bereich Medizin und Pharmazie sind für uns sehr wichtig, und sie haben sich in den wirtschaftlich schwächeren Jahren auch sehr stabil weiterentwickelt.

Lässt sich in Davos ein Kongress- und Seminarbetrieb über das gesamte Jahr hinweg aufrechterhalten, wenn in der Nebensaison ein Grossteil der Infrastruktur geschlossen ist?

Egger: Wegen unseren rund 14000 Einwohnern kennen wir eigentlich keine tote Saison. Der Herbst geht bei uns fast nahtlos in die Wintersaison über. Unser Ziel ist es, ein Zwölfmonats-Ort zu sein. Heute sind wir bei knapp elf Monaten. Einzig der Mai weist eine Lücke auf, nicht zuletzt aufgrund der Natur, die nach der Schneeschmelze weniger attraktiv ist.

Im kommenden Jahr findet die «MPI Professional Education Conference-Europe» in Davos statt. Was wird bei diesen Entscheidungsträgern der internationalen Meetings-Branche zur Förderung des eigenen Standortes und der Destination Schweiz unternommen?

Egger: Wir nutzen diese Konferenz im März 2006 gemeinsam mit Graubünden und Schweiz Tourismus für eine Präsentation der eigenen Vorzüge. Die Bühne für Partner zur Teilnahme haben wir im Sommer eröffnet.

Mit welchen Marketinginstrumenten werden bestehende und potenzielle Kunden bearbeitet?

Egger: Im Nahbereich gehen wir die grossen Firmen direkt an. Den Rest der Welt bearbeiten wir vorwiegend über Partnerschaften und Kooperationen.

Welches sind die wichtigsten Auslandsmärkte?

Egger: Im Vordergrund steht Zentraleuropa mit Grossbritannien. Auch in Skandinavien sind wir gut verankert. Immer bedeutender wird zudem Osteuropa. Dazu kommen die Überseemärkte. Der wichtigste Zielmarkt insgesamt ist neben der Schweiz Deutschland.

Asien, allen voran China und Indien, stecken in einem Wachstumsboom. Wie können Sie davon profitieren?

Egger: In diesen Ländern sind wir nicht allein unterwegs. Da gehen wir gemeinsam mit Partnern vor. Einerseits mit Graubündenferien, St.Moritz und der Rhätischen Bahn in der Werbegemeinschaft «Fernmärkte Graubünden», andererseits mit unserer Marketinggemeinschaft «Best of the Alps», der zwölf Orte aus dem europäischen Alpenraum angehören. Wir müssen in diesen Schwellenmärkten möglichst früh aktiv sein. Uns hilft dabei der Bekanntheitsgrad, den wir in China mit Fernsehübertragungen vom WEF erworben haben, bereits als dieses Land noch relativ abgeschottet war.

Der Verein Wissensstadt Davos will gemeinsam mit der Tourismus-Fachhochschule Chur Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen anbieten. Soll dies für eine bessere Belegung der Infrastruktur auch in den touristischen Randzeiten sorgen?

Egger: Wir haben gewichtige Forschungsinstitute, die allerdings in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Diesen Wissensstandort möchten wir auf der Schiene des Kongress- und Seminargeschäftes weiter ausbauen. Zudem ist die Möglichkeit für Ausbildungen im Topmanagement des Tourismus kaum vorhanden. Das wollen wir im Fortbildungsbereich gemeinsam mit der Swiss School of Tourism and Hospitality (SSTH) in Chur ändern. Mit Universitäten aus den USA, Deutschland und dem asiatischen Raum wollen wir den Bildungsort Davos weiter ausbauen.

Wann soll das anlaufen?

Egger: Diesen Herbst werden nach einer dreijährigen Vorbereitungszeit die ersten Studenten aus Grossbritannien und Asien eintreffen. Dabei nutzen wir zukünftig für Aufenthalte von bis zu neun Monaten die bestehenden Kapazitäten in der Parahotellerie, den Hotels, dem Kongresszentrum und dem Gymnasium.

Das Kongresszentrum wurde für knapp 20 Mio Fr. auf den neuesten Stand gebracht. Hat die Seminarhotellerie entsprechend mitgezogen?

Egger: Ja, es wurden in den Seminarhotels massive Investitionen getätigt. Diese erneuerten Infrastrukturen ergänzen das Kongresszentrum in idealer Weise.

Es wird immer wieder bemängelt, dass Davos über zu wenig Fünfstern-Hotels verfüge. Wird sich das ändern?

Egger: Da müssen wir über die Bücher. Bei grossen Kongressen sollten wir mehr Kapazitäten im Fünfstern-Bereich haben.

Gibt es konkrete Projekte?

Egger: Es gibt verschiedene Pläne. Bekannt ist der Turmbau auf der Schatzalp, verbunden mit der Umwandlung des bestehen-den Hotels in ein Luxushotel. Dazu kommen Projekte, die aber im Moment noch nicht spruchreif sind.

Ohne hochwertige Infrastruktur in der Hotellerie ist auch das WEF nicht langfristig gesichert. Was unternehmen Sie, um sich gegen Konkurrenzstandorte wie New York, Salzburg oder Südafrika zu behaupten?

Egger: Das WEF in Davos ist nicht sakrosankt. Wir behandeln Klaus Schwab wie einen Topkunden, wissen aber auch, dass der Kunde die Wahl hat, wohin er geht. Natürlich haben wir gewisse Vorteile, aber auf denen dürfen wir uns nicht ausruhen. Auf beiden Seiten ist ein enormes Know-how vorhanden, und das wollen wir gemeinsam weiterpflegen. Die im Kongresszentrum getätigten Investitionen zeigen, dass wir mit dem WEF mitwachsen wollen.

Ist damit das WEF für die nächsten Jahre gesichert?

Egger: Wir haben nicht die Sicherheit eines langfristigen Vertrags. Diese Vereinbarung erneuert sich von Jahr zu Jahr.

Wie schätzen Sie die Expansionschancen für das Kongressgeschäft ganz generell ein?

Egger: Ich bin sehr optimistisch. Die Tourismusbranche steckt in schwierigen Zeiten. Auch der Businesstourismus durchlebt eine turbulente Phase. Das wird nicht ohne Strukturbereinigungen von ganzen Destinationen abgehen, die heute mit Subventionen künstlich am Leben erhalten werden.

Der Tourismusdirektor: Steckbrief

Name: Armin Egger

Geboren: 27. Februar 1964

Zivilstand: Verheiratet

Ausbildung: Hotelfachschule; Fachhochschule für Tourismus und Management

Funktion: Tourismusdirektor in Davos