Armin Meier überlegt lange. Dann sagt der Kuoni-Chef: «Mich hat überrascht, wie in dieser Branche gearbeitet wird, wie man verhandelt. Es braucht Beziehungen, es braucht Menschen, die miteinander ein Geschäft machen. Es sind nicht nur zwei Unternehmen, die miteinander zu einem Abschluss kommen, sondern zwei Menschen.» Für Meier ist die Reisebranche Neuland, er ist Informatiker.
Gleich von Beginn weg hat er den Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesucht. Einen Tag hat er an der Front in einem Reisebüro verbracht. «Ich habe gesehen, wie aufwendig die Arbeit ist. Man muss die Welt kennen, man muss den Kunden kennen und sollte am Ende des Tages noch ein Geschäft machen.» Wenn er im Büro am Kuoni-Hauptsitz im Zürcher Kreis 5 ist, geht er auch mal in die hauseigene Kantine essen. «Ich möchte bei den Leuten sein und hoffentlich auch ab und zu ein bisschen lachen.» Das dürfte ihm nicht schwer fallen: Wenn er erzählt, dann oft auch mit einer Prise Humor. «Bin ich jetzt tatsächlich ein Kandidat?», fragte er sich zum Beispiel, als er seinen Namen vergangenes Jahr im Zusammenhang mit der Nachfolge von Migros-Chef Anton Scherrer in der Zeitung las. Für ihn war der Posten zu dieser Zeit kein Thema. Damals, 2004, war er Leiter des Logistik- und Informatikbereiches bei der Migros.
Meier sagt von sich:«Ich habe einen direkten Führungsstil, rede mit den Leuten, spreche Probleme und Themen direkt an der bernische Stil eben.» Er weiss aber auch, dass die Wahrnehmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine andere sein kann.
Nicht aber bei der ehemaligen Arbeitgeberin. «Er ist sehr menschlich, fordert aber auch viel», sagt Monica Glisenti, die in ihrer Funktion als Migros-Kommunikationschefin eng mit ihm zusammengearbeitet hat. «Er kann aber auch durchgreifen.» So hat er zum Beispiel als Chef des Logistikbereichs in wichtigen Bereichen an Schlüsselpositionen Mitarbeiter ausgewechselt.
CEO-Posten reizte zu sehr
Für die Migros kam der Abgang zwar überraschend, man verstand aber seinen Entscheid. Dabei war er aber gerade mal knapp drei Jahre dabei. «Das ist sehr kurz», gibt Meier zu. Er habe sich darauf eingestellt, länger zu bleiben, zumal sich dieser Konzern nicht «ruckzuck» bewege und er noch einiges umsetzen wollte. Als das Kuoni-Angebot kam, konnte er aber nicht widerstehen.
Logisch für ihn. Für einen wie Meier, der an der Spitze der ehemaligen SAirGroup-Informatiktochter Atraxis 2500 Mitarbeitende geführt hat, ist es attraktiver, CEO eines börsenkotierten Unternehmens mit 6400 Mitarbeitenden zu sein als Chef eines genossenschaftlich organisierten Bereiches mit rund 2500 Angestellten.
Er hat die Verbindung zur alten Arbeitgeberin behalten, wenn auch vor allem die visuelle. Von seinem Bürofenster sieht er auf «die schöne Anschrift am schönen Haus». Ab und zu trifft er sich mit Managerkollegen aus alten Zeiten zum Mittagessen. Aber nicht nur für seine alten Kollegen bleibt der 47-jährige Kuoni-Chef erreichbar. Kürzlich rief ihn ein ehemaliger Schüler an und lud ihn zur Klassenzusammenkunft ein. Eingeladen von einer Klasse aus Münsingen im Kanton Bern, bei der er 1981 als Stellvertreter unterrichtet hatte. Er hat vor hinzugehen.
Meier ist geschieden und hat drei Kinder, 16-, 18- und 20-jährig, die bei derMutter leben. «Sie sind nahezu erwachsen sofern man je erwachsen wird.» Da spricht der Junge im Mann. Heute lebt der Kuoni-Chef in einer festen Partnerschaft.
In der Freizeit liest er alles, was ihm in die Quere kommt zurzeit ist es «Der Buchhändler aus Kabul». Er kocht gerne («Doch, doch, ich komme dazu selten zwar, aber immerhin»). Und er reist viel; gerne auch spontan, wie jenes Wochenende im letzten Mai, das er in Istanbul verbracht hatte. Oder wie der Wandertrip vorletztes Wochenende in die Berge: Die Route ging über den Lötschenpass, in sechs Stunden, wie er anmerkt. Damit war er eine halbe Stunde schneller unterwegs als der Durchschnitt.
Auch beruflich ist er schnell unterwegs. Anders als bei seinem heute 55-jährigen Vorgänger Hans Lerch dieser war rund 35 Jahre erfolgreich operativ für Kuoni tätig dauerten Armin Meiers Stationen nur einmal länger als vier Jahre: Nach dem Lehrerseminar arbeitete er zwei Jahre als Pädagoge. Dann stieg er um: In die Informatik.
Diesen Schritt bezeichnet er heute als einschneidenden und einen der wichtigsten Entscheide in seiner Karriere. «Als Lehrer war ich Respektsperson, ich war verankert und hätte mir mein Leben so einrichten können.» Aber Neues lockte, er gab alles auf und machte zwischen 1981 und 1986 an der Fachhochschule Bern die berufsbegleitende Ausbildung zum IT-Ingenieur HTL. Es folgten neun Jahre beim Computerkonzern Digital Equipment Corporation, drei Jahre ABB, vier Jahre Atraxis, knapp drei Jahre Migros. Und jetzt Kuoni. Ein Weggefährte aus früheren Zeiten bezeichnet ihn deshalb auch als «Jobhopper-Typ», als jene Gattung von Manager, die sich leicht von einem Headhunter abwerben lässt.
1995 bei ABB hat Armin Meier zum ersten Mal den CEO-Titel bekommen. «Das hat mich beeindruckt», sagt er. Plötzlich für alles verantwortlich zu sein. «Wenn jemand einen Fehler macht, dann schlägt es direkt zu mir durch.» Dass das auch negativ sein kann, bekam er in seiner Atraxis-Zeit zu spüren. Bei der SAir-Group-Informatiktochter war er Chef zur Zeit der Hunter-Strategie von Philippe Bruggisser. Und hat damit die Strategie indirekt mitgetragen. Er habe mit dem Gedanken gespielt, das Unternehmen zu verlassen. «Zu bleiben war damals ein bewusster Entscheid: Als CEO habe ich die Verantwortung in guten wie in schlechten Zeiten.» Er hat bei der SAir Group genug Leute gesehen, die abgesprungen sind, als die Firma am Abgrund stand.
Vorwürfe aus Atraxis-Zeiten
Aus dieser Zeit stammen auch Vorwürfe, die heute noch im Raum stehen: Meier soll ungerechtfertigte Salärzahlungen bekommen haben. Auch erwägt das Konkursamt Bassersdorf eine Verantwortlichkeitsklage gegen das damalige Atraxis-Management. «Die Vorwürfe haben mich getroffen. Ich hatte ein gutes und angemessenes Salär, es war kein Abzockersalär. Und ich bin überzeugt, dass ich meine Aufgabe nach Gesetz und Statuten erfüllt habe», sagt Meier. 50000 Fr. Bonuszahlungen, die ihm auf dem Papier zustehen würden, hat er zurückbezahlt.
Auch die aktuelle Diskussion um Abzockersaläre mache ihn betroffen. «Ich bin Welten von solchen Salären entfernt und frage mich manchmal auch, ob die Summen wirklich gerechtfertigt sind.» Und? «Wenn die Aktionäre und der Verwaltungsrat ihre Aufgabe wahrnehmen, werden die Saläre so festgelegt, dass sie eben fair und angemessen sind.»
Aus dem Kentern der SAir-Group im Jahr 2001 hat der ehemalige Atraxis-Chef seine Lehren gezogen, wie er selber sagt. «Das Thema Nachhaltigkeit bekommt mehr Gewicht. Ich habe gelernt, dass man sich nicht unkritisch einer Euphorie hingeben darf, dass man ehrlich auf Themen und Probleme eingehen muss.» Kuoni gilt bei Branchenkennern als gut aufgestellte Firma mit funktionierenden Strukturen. Beste Voraussetzungen, um ein Unternehmen erfolgreich weiterzuführen. «Hier könnte Armin Meier einmal beweisen, dass er eine Firma auch lange und nachhaltig führen kann», sagt ein Weggefährte aus früheren Zeiten. Als Erstes kann er bald seiner ehemaligen Klasse zeigen, ob er hält, was er sich vorgenommen hat und am Klassentreffen auch tatsächlich erscheinen wird.
Steckbrief: Der reisende Informatiker
Name: Armin Meier
Funktion: CEO Kuoni Group, Zürich
Alter: 47
Wohnort: Zürich
Familie: Geschieden, drei Kinder; in fester Partnerschaft lebend
Erste Ausbildung: Primarlehrer
Karriere
1995-1998 CEO des Bereichs Beratung und Informatik bei ABB, Baden
1998-2002 Präsident und CEO der Atraxis AG, Zürich
2002-2005 Bereichsleiter Logistik Migros Genossenschaftsbund, Zürich
Seit Februar 2005 CEO von Kuoni
Firma: Kuoni
Das börsenkotierte Unternehmen ist der grösste Reiseveranstalter in der Schweiz. 2004 machte Kuoni bei einem Umsatz von 3,58 Mrd Fr. einen Gewinn von 738 Mio Fr. In der Schweiz erzielt Kuoni einen Viertel des Umsatzes. Wachstumstreiber sind die Bereiche Incoming und Asien. Kuoni will in den Jahren 2006 bis 2008 6 bis 8% wachsen. Das Ziel liegt über den Erwartungen von 5% des internationalen Tourismusverbands WTC. Für die Reisebranche wird die Informationstechnologie (IT) immer wichtiger. Mit Armin Meier wurde deshalb auch ein IT-Mann an die Spitze geholt.