Sie sind durchgestylt und günstig. Sie wissen, worauf die Gäste in den europäischen Metropolen stehen. Jetzt nehmen sie die Schweiz ins Visier. Denn hier greifen Touristen tiefer in die Taschen als in den Nachbarländern.
Gleich drei Ketten mit grossen Markennamen im Rücken und ambitiösen Ausbauplänen treten in dennächsten zwölf Monaten erstmals in den Schweiz. Das zeigen Recherchen von Blick. Dabei haben junge, expansionsfreudige Budget-Design-Hotels wie Harry's Home und B&B Hotels hierzulande bereits seit letztem Sommer Hunderte Zimmer auf den Markt geworfen.
In der Schweiz taucht Ikea erstmals unter den Hotelbesitzern auf. Der schwedische Möbelriese ist an den Moxy-Hotels beteiligt. Sie sind eine Marke des US-Hotelriesens Marriott. Das erste Ikea-Hotel Moxy Lausanne öffnet Ende 2019 mit 113 Zimmern. Betrieben wird es von der Schweizer SV Hotel, ebenso wie das darauf folgende Moxy in Bern-Wankdorf (130 Zimmer).
Keine Billy-Regale
Moxy gibt es seit sechs Jahren. Die Kette zählt weltweit 45 Hotels. Ziel: die Zahl auf über 150 verdreifachen. Wermutstropfen für Ikea-Fans: Billy-Regale oder Lauvik-Boxspringbetten finden sich keine in den Zimmern. Auch soll es im Gegensatz zu anderen Ländern in den Moxy Bars keine Köttbullars geben, bestätigt SV Hotels BLICK. Eine Nacht im Doppelzimmer zum Beispiel in Berlin gibt es ab 120 Euro.
Angesichts der Welle der Budget-Hotels ist nachvollziehbar, wie Tourismusexperte Andreas Deuber, Leiter des Tourismus-Instituts der Hochschule Chur, auf die Schätzung von schweizweit 5000 neuen Hotel-Betten für die nächsten Jahre kommt.
Gemäss Blick-Recherchen geben auch Budget-Ketten, die wie Easyhotel bereits in der Schweiz sind, nochmals richtig Gas. So kommen zu den zwei bestehenden Easyhotels in Zürich und Basel, die nächsten Monate drei weitere in Zürich dazu – mit insgesamt 120 Zimmern. Ein Easyhotel zieht in ein ehemaliges Zürcher Gammelhaus ein, wie Blick berichtete. Letzten Herbst erstmals in derSchweiz präsent, bieten die französischen B&B Hotels bereits 370 Zimmer an. Weitere Hotels mit über 200 Zimmern folgen nächstes Jahr.
Hunderte Hotels verschwinden
Die Schweiz war Anfang der 1930er-Jahre ein Hotel-Eldorado mit insgesamt 7756 Betrieben. Inzwischen gibt es mit rund 5000 Hotels noch einen Drittel weniger Betriebe. Allerdings ist die Anzahl Betten im gleichen Zeitraum um einen Drittel auf 270'000 gestiegen, wie das Bundesamt für Statistik ausweist.
Der Grund: Im Schnitt verdoppelte sich die Bettenzahl pro Betrieb auf 55. Hotelschliessungen haben sich laut Thomas Allemann von Hotelleriesuisse die letzten Jahre beschleunigt. Gesamtschweizerisch liegt die Hotelauslastung bei 40 Prozent, in den Städten bei 60 bis 70 Prozent.
Kosten des Preiswettbewerbs
Der Hotel-Boom in den Städten entspricht laut Thomas Allemann, Geschäftsleitungsmitglied des Verbands Hotelleriesuisse, dem Trend. «Das grosse Wachstum findet definitiv in den grossen Städten statt», sagt er. Mit dem steigenden Angebot würden neue Ketten vermehrt in B-Lagen und gar C-Lagen in Agglomerationen drängen. In Städten steige die Nachfrage am meisten – besonders von Touristen aus der neuen Welt, die vom Stadt-Hotel aus Ausflüge in die Alpen machten. «Sie sind nicht mehr wie die klassischen Gäste, die eine Woche in den Bergen bleiben», beobachtet Allemann.
Die Infrastruktur dieser Budget-Design-Hotels sei meistens hochwertig, aber der Service ist limitiert, findet Allemann. Sie wollen die Preise aufmischen und sprechen ein Publikum an, das auf den Preis schaut. Dieses reiche vom Geschäftsmann bis zu Familien und asiatischen Gruppen.
«Die nächsten Jahre wird es ein Überangebot geben», ist Allemann überzeugt. Der Preiswettbewerb gehe vor allem auf Kosten kleinerer eigenständiger Hotels mit bis zu 30, 40 Zimmern. Das grosse Rütteln stehe im alpinen Raum an, wo Familienbetriebe dominierten und ein Investitionsstau bestehe. Hier werde die Strukturbereinigung noch viel grösser ausfallen als in den Städten, wo sie grösstenteils schon abgeschlossen sei.
Meininger Hotels
Im untersten Preissegment operiert die Low-Budget-Marke Meininger aus Deutschland. Sie soll laut Recherchen von Blick und «Handelszeitung» 2021 in der Schweiz starten. Sie ist sehr spartanisch eingerichtet und bietet Gästeküchen und Waschmaschinen an. Ein Zweibettzimmer in Mailand kostet 36,50 Euro pro Person. Wie in einer Jugi kann man auch im Schlafsaal übernachten – für 26,50 Euro.
Ruby-Hotels
Die Münchener Ruby-Hotels-Gruppe kündigte ihren Schweizer Markteintritt für nächstes Jahr an. Das Ruby-Hotel in Genf wird 220 Zimmer haben. Wie Moxy und Prizeotel startete die Gruppe, die sich «schlanken Luxus» auf die Fahne schreibt, vor wenigen Jahren in Deutschland und treibt nun dieExpansion in Europa und auch Asien voran. In zwei Jahren wird zudem ein Ruby-Hotel mit 210 Zimmern an bester Lage am Zürcher Bahnhofquai in das Gebäude des ehemaligen ABC-Kinos einziehen, das von Swiss Prime Site totalsaniert wird. Das Doppelzimmer im Ruby Wien kostet ab 124 Euro.
Niu Hotel
Auch auf eine junge Zielgruppe hat es die Budget-Tochter Niu der deutschen Novum-Hotel-Gruppe abgesehen. Sie wird im Jahr 2021 in den Schweizer Markt einsteigen mit einem ersten Hotel in Bülach ZH. Weitere Hotel-Eröffnungen sind in den Städten Zürich und Genf geplant. Die nächsten drei Jahre sollen über 45 Niu-Hotels in Deutschland und Holland aus dem Boden gestampft werden. Einchecken kann man mit der App des Hotels. Das Doppelzimmer pro Nacht kostet im Niu Berlin 79 Euro.
Prizeotel
Ab Dezember will die deutsche Economy-Design-Kette Prizeotel den hiesigen Markt aufmischen. In einer Überbauung am ehemaligen Post-Hauptsitz Schönburg in der Stadt Bern bietet das Dreisternehotel 188 Zimmer. Im Rücken hat Prizeotel die internationale Radisson-Hotel-Gruppe. DieImmobilienfirma Swiss Prime Site investierte 130 Millionen Franken in den Umbau. Weitere Prizeotels sind in Zürich, Genf, Basel und Lausanne geplant. Eine Übernachtung im Prizeotel Hamburg im Doppelzimmer kostet 81 Euro, exklusive Frühstück (11 Euro).