Seit Menschengedenken prägt der Vierwaldstättersee das Leben und die Identität seiner Anwohner. In der bildenden Kunst begann er vor allem seit dem 19. Jh. eine massgebliche Rolle zu spielen, lag er doch an einer der wichtigsten touristischen Hauptachsen Europas. Das machten sich auch Künstler wie etwa der Engländer William Turner oder die Schweizer Ludwig Bleuler und Alexandre Calame zunutze: Ihre Landschaftsansichten dieser Region dienten vor allem den (damals mehrheitlich englischen) Touristen als «Reisesouvenirs».

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Turners «Luzerner Skizzenbuch»

Die grosse Sommerausstellung «Bilder vom Vierwaldstättersee von William Turner bis Kurt Felix» des Kunstmuseums Luzern widmet sich der schier unermesslichen Flut von Bildern dieses Sees und der ihn umgebenden Landschaft. Die Ausstellung bietet eine überraschende Entdeckungstour durch «le plus beau pays du monde» (wie Alexandre Calame diese Gegend nannte), einen Streifzug durch die Geschichte und zugleich ein Eintauchen in die Welt der Bilder.

Gezeigt werden Kunstwerke und Bilddokumente von der Mitte des 18. Jhs. bis zur Gegenwart, darunter ein Kabinett mit dem «Luzerner Skizzenbuch» von William Turner sowie als Leihgabe der Londoner Tate elf Luzerner Aquarelle von Turner, welche dieser auf seinen Reisen nach Luzern angefertigt hat und die mit Ausnahme von zwei bis heute überhaupt noch nie öffentlich zu sehen waren. Neben den monumentalen, idealisierten Seeansichten des grossen romantischen Genfer Landschaftsmalers Alexandre Calame (darunter die monumentale Fassung aus dem Kunstmuseum Basel) finden sich auch ausgesuchte Gemälde von Lovis Corinth bis Gerhard Richter. Letzterer ist mit einem seiner seltenen und bisher kaum gezeigten Vierwaldstättersee-Gemälde von 1969 aus einer Privatsammlung vertreten.

Entwicklung neuer Projekte

Trotz des regionalen Blickwinkels haben die Kuratoren Peter Fischer und Christoph Lichtin keine Nabelschau inszeniert. Zwar bestätigen die Bildzeugnisse erwartungsgemäss die wohlwollende Einstellung der Anwohner zu ihrem See, sie zeugen jedoch zugleich von einer vielfältigen Auseinandersetzung mit diesem See und von einer grossen Fülle visueller Ausdrucksformen.

Angesichts der riesigen Zahl von Bildern, bei denen der Vierwaldstättersee im Zentrum steht, hat man sich für eine Auswahl beispielhafter Positionen und Bildtypen entschieden. Mit verschiedenen zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern wurden für die Ausstellung spezielle Projekte entwickelt. Einige haben Werke speziell für die Ausstellung geschaffen. So etwa der «Klangsammler» und Musiker Cyrill Schläpfer, der die aussergewöhnliche akustische Ausbeute vom Vierwaldstättersee in seine Symphonie «Die Waldstätte» integriert, an der er gerade arbeitet. Margaretha Dubach schuf eine performative Skulptur in Form einer gruseligen «Wasserfrau», während Peter Regli eine Live-Cam-Schaltung zu seiner ringförmigen Inselaufschüttung im Reussdelta des Urnersees legte. Elke Krystufek hat für die Ausstellung ein grossformatiges Selbstbildnis vor der Postkartenkulisse von Luzern gemalt und Cécile Wick eine neue Serie von grossformatigen Fotografien auf Büttenpapier angefertigt.

Plankton und Rädertierchen

Daneben gibt es eine Vielfalt künstlerischer, fotografischer und filmischer Zeugnisse vom Leben über und unter dem Wasser. Von verschiedenen Fotografen, so auch von dem von Harald Szeemann «entdeckten» Nidwaldner Polizeifotografen Arnold Odermatt, sind dokumentarische und auch historisch interessante Bilder des Lebens rund um den Vierwaldstättersee zu entdecken.

Tief unter den Wasserspiegel führen den Betrachter das nationale Forschungszentrum für Wasser und Gewässer (EAWAG) und das Institut für Geodäsie und Photogrammetrie der ETH Zürich, die spannende wissenschaftliche Bilder vom Vierwaldstättersee liefern beispielsweise Fotografien von Vierwaldstättersee-Plankton oder von Rädertierchen und sich dabei neuester Technologien wie der Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen bedienen.

Besondere Ereignisse rund um diesen See, etwa die Leidenschaft des Bayernkönigs Ludwig II für die Tell-Saga, sind in einem Spielfilm von Donatello und Fosco Dubini bildlich hervorragend umgesetzt. Zu den Kuriositäten gehört die «Nessie»-Inszenierung im Urnersee mit der versteckten Kamera von Kurt Felix für eine «Teleboy»-Sendung im Jahr 1976.

Kunstmuseum Luzern, Europaplatz 1; bis 1.10.2006.