Vor kurzem musste die Westschweizer Garagengruppe Jan bei der Waadtländer Justiz die Nachlassstundung beantragen. Einen Tag später ereilte die Herfina AG, verantwortlich für das Autogeschäft der Erb-Gruppe, das gleiche Schicksal. In beiden Fällen lösten gravierende Fehler im Management den Untergang aus. Die beiden Beispiele sind aber dennoch nicht symptomatisch für den Zustand des Autogewerbes. Wenn allerdings die Walter Frey AG die in der Herfina organisierten Importgruppen (Mitsubishi, Hyundai, Suzuki, Tata) schluckt und damit zum grössten Autoimporteur der Schweiz aufrücken würde, hätte der Erb-Crash ein branchentypisches Nachspiel.

Experten rechnen nämlich damit, dass sich der Konzentrationsprozess in den nächsten Jahren beschleunigen wird - und zwar dramatisch. Denn unter den Garagen tobt ein heftiger Konkurrenzkampf, bei dem die Grossen die Kleinen schlucken und die Importeure selber immer mehr Garagen übernehmen.

*Klares MInus bei Neuwagen*

«Die wirtschaftliche Entwicklung mag im Moment niemanden freuen», erklärt Heiner Lehmann vom Autogewerbe-Verband der Schweiz (AGVS). Ganz schlecht läuft es bei den Autoverkäufen, die 20 bis 40% zum Umsatz der Garagen beitragen. In diesem Jahr ist mit einem Minus von 8 bis 10% zu rechnen, beim Handel mit Occasionen dürfte das Minus bei 3 bis 5% liegen. Immer häufiger werden bestellte Neuwagen nicht in Verkehr gesetzt, weil Käufern zwischen Bestellung und Auslieferung das nötige Geld ausgeht.

Zugenommen hat auch der Margendruck. Die Überproduktion in der Industrie, die gewisse Marken wie Citroën in verzweifelten Sonderaktionen abzustossen versuchen, lässt die Preise erodieren. Die Käufer sitzen am längeren Hebel. Laut AGVS liegt die Bruttomarge für die Garagen beim Verkauf eines Neuwagens noch bei 4 bis 8%. Jedes Prozent, um das der Kunde feilscht, tut dem Garagisten weh. «Beim Preis ist keine Luft mehr drin», so Lehmann. Der Cashflow, den die Garagen erwirtschaften, liegt durchschnittlich bei 2,5% - zu wenig, um sich alle teuren Wartungsgeräte und Showräume, die den von den Herstellern geforderten Standards entsprechen, leisten zu können.

*Wartung bringt weniger Geld*

Dazu kommt: Strukturelle Veränderungen drücken seit Jahren auch auf die Einnahmen im «Kerngeschäft Werkstatt». Damit tätigt ein Garagist 60 bis 80% seines Umsatzes. Hauptursache sind die längeren Wartungsintervalle. Vor 30 Jahren mussten die Fahrzeuge noch alle 2500 km zur Inspektion. Heute schreiben die Hersteller einen Wartungsdienst alle 15 000 km vor, gewisse Marken wie Peugeot oder Audi gar nur noch alle 30 000 km. Die Autos sind auch robuster geworden. Der Wartungs- und Reparaturaufwand für einen Mittelklassewagen sank in 20 Jahren auf den ersten 60 000 km um 75%.

Die Folge ist ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb. Jährlich verschwinden über 100 Garagen. Laut Creditreform gingen allein im letzten Jahr 164 Garagen Pleite. Trotzdem möchte Lehmann nicht von einem Garagensterben sprechen. Vielmehr handle es sich um einen schleichenden Prozess der Strukturbereinigung. Dieser verlaufe zudem viel langsamer, als verschiedene Studien schon in den 90er Jahren prognostiziert hätten, warnt er vor Panikmache. Tatsächlich hat sich die Zahl der Garagen nicht wie vorhergesagt um 30 bis 40%, sondern lediglich um 10% verringert.

Die mit Werkstattarbeit getätigten Umsätze konnten sogar leicht gesteigert werden, auf 16,5 Mrd Fr. Die wegen der längeren Wartungsintervalle fehlenden Einnahmen wurden kompensiert mit noch mehr und teureren Autos, die in immer kürzeren Produktionszyklen auf den Markt geworfen werden. Das führte in jüngster Zeit immer wieder zu fehlerhaften Serien, zu Rückrufaktionen und speziellen Garantieleistungen, was sich auf die Garagen umsatzfördernd auswirkte.

Die bislang gemächliche Strukturbereinigung dürfte jetzt aber an Tempo gewinnen. Als Turbo wirkt die Bekanntmachung der Wettbewerbskommission (Weko), die sich an der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) der EU orientiert und auf rigorose Marktöffnung zielt. Die Garagen sollen sich aus der vertikalen Umklammerung durch Importeure und Hersteller lösen können. Eine erste Folge der Liberalisierung könnte eine klarere Trennung von Verkaufs- und Servicebetrieben sein.

*Liquidität wird entscheiden*

«Dem Autogewerbe eröffnen sich zwar neue Chancen, aber es braucht auch weitere Investitionen, die sich nur Firmen mit einer gesunden Kostenstruktur leisten können», so Lehmann. In diesem Punkt aber hapert es, denn viele Garagen holen sich die Eigenmittel, mit denen sie die Banken dann um Kredite angehen, als Bürgschaften bei der öffentlichen Hand. «Der alles entscheidende Faktor, um im Umstrukturierungsprozess mit guten Karten dazustehen, ist die Liquidität», betont Lehmann.

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Mercer werden bis zu 40% der Verkaufsstellen nicht überleben, denn sie setzen mit durchschnittlich 60 Neuwagen pro Standort zu wenig Autos ab. Mindestens 100 Fahrzeuge müssten es laut Mercer sein, um sicher über der Rentabilitätsschwelle zu liegen. Einerseits werden kleinere Garagen deshalb den Verkauf aufgeben und als kleinere Werkstatt-Spezialisten ihr Heil suchen. «Mit guten Überlebenschancen», glaubt Andreas Burgener, Direktor von Auto Schweiz , «denn beim Service zählt die Kundennähe, und kein Autobesitzer will dafür weit herumfahren.» Anderseits werden neue Grosshändler auftreten, die als Discounter ein paar tausend Wagen jährlich absetzen. Zwischen diesen Spezialisten dürften sich - vor allem in Stadtnähe - grosse Full-Service-Zentren etablieren, die alles aus einer Hand bis zur Versicherungsberatung anbieten.

Klar ist weiter, dass sich die Zahl der Markengaragen verringern wird und Parallelimporteure aktiv werden. Beispiel Auto Vogel AG in Kriens LU: Sie bezieht ihre Autos (VW, Audi, Skoda, Seat) nicht beim Importeur Amag, sondern kauft die Wagen direkt im Ausland ein. «Das erfordert ein wenig Flexibilität und die Bereitschaft, sich um ein paar Papiere mehr zu kümmern», so Geschäftsführer Fritz Vogel, der vor diesem Schritt 18 Jahre lang eine ganz normale VW/Audi-Markenvertretung betrieb. Die Unabhängigkeit hat sich ausbezahlt, denn mit einer um ein Drittel kleineren Belegschaft erzielt Vogel jetzt einen höheren Umsatz und eine bessere Rendite.

*Generalimporteure gegen unabhängige Händler*

Wie weit ein solches Beispiel Schule machen wird, muss die Zukunft zeigen. «Die Hersteller und Generalimporteure werden alles tun, um die vorgesehene Liberalisierung zu durchkreuzen», kritisiert der Geschäftsführer einer Grossgarage. Er will nicht namentlich erwähnt werden, weil er in den nächsten Monaten neue Verträge aushandeln muss, die er als «moderne Sklaverei» bezeichnet.

Fraglich bleibt, ob Parallelimporteure und unabhängige Mehrmarkenhändler den Generalimporteuren wirklich ernsthaft die Stirn bieten können. Die Experten jedenfalls rechnen nicht mit einer grundlegenden Umwälzung der heutigen Strukturen. «Für die Mehrmarkenstrategie», ist Burgener überzeugt, «braucht es eine gewisse Grösse, sonst rechnet es sich nicht.» Dass dies aber funktionieren kann, beweisen schon länger verschiedene Garagen in der Schweiz, von Dosch in Chur bis zur Epper AG in Luzern, die 16 verschiedene Automarken unter einem Firmendach anbietet.

Wie auch immer die Auswirkungen der GVO aufs Autogewerbe sein mögen - der Preisdruck wird sich in Zukunft verstärken. Das wird zu vermehrten Kooperationen und Zusammenschlüssen führen. Christoph Berger, Direktor der Autogewerbe-Treuhand der Schweiz (FIGAS), erwartet zwar nicht wesentlich weniger Garagen, aber weniger Eigentümer. Aus dem einen oder anderen heutigen Familienbetrieb dürfte sich eine Kette wie etwa die Zürcher Ruckstuhl-Garagen entwickeln.

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