Als der Portugiese Carlos Sardinha vor Jahren in die Schweiz kam, war alles anders. Um die Verwandten einmal pro Jahr zu sehen, flogen seine Landsleute im Sommer nach Hause. Heute ist auch der umgekehrte Weg üblich. Mama, Papa und Anhang steigen in Lissabon ins Flugzeug und kurven in der Schweiz im Mietauto herum. Nicht nur Portugiesen, auch Spanier, Tschechen, Ungarn fliegen heute mal eben in die Schweiz und wollen erst noch mobil sein.
«Für mich ist diese Entwicklung positiv», schwärmt Sardinha, der nicht nur häufiger Besuch aus der Heimat empfängt, sondern auch als Geschäftsführer von Europcar Schweiz profitiert: 2005 betrug das Umsatzplus satte 7%.
Genf als Mekka der Vermieter
Die Konkurrenten von Europcar wachsen mit. Avis hat 2005 ebenfalls um gegen 7% zugelegt, Hertz um 5 bis 6%. Die drei Branchenführer teilen untereinander gegen 80% des Umsatzes auf, den die 41 Mitgliedfirmen des Autovermieter-Verbands der Schweiz (AVS) im letzten Jahr eingefahren haben. Mit über 224 Mio Fr. repräsentiert der AVS-Umsatz 80% des Gesamtmarktes und hat das Rekordniveau aus dem Jahr 2000 erreicht. Dazwischen haben der Terror vom 11. September 2001, Sars und der Irakkrieg das Geschäft fast zum Erliegen gebracht.
Wichtigste Umsatztreiber der Autovermieter sind die Flughäfen. Epizentrum des Booms ist der Flughafen Genf, wo die expandierende britische Low-Cost-Airline Easy Jet den Anbietern scharenweise Kundschaft ans Steuer spült. «Genf hat Zürich ganz klar überholt», sagt AVS-Präsident Andreas Gartmann, der auch Chef von Avis Schweiz ist. Auch am Euroairport in Basel hat Easy Jet den Autovermietern im letzten Jahr überdurchschnittliche Zuwächse beschert. Gartmann spricht von 10%.
Platzhirsch auf den Schweizer Flughäfen ist Hertz, die gemäss Geschäftsführerin Jacqueline Lehmann den Löwenanteil ihres Geschäfts mit ankommenden Fluggästen erwirtschaftet. Zurzeit sorgten vor allem europäische Ferienreisende für steigende Erträge. Bei Avis nehmen wieder deutlich mehr Herren mit Anzug und Krawatte Platz. «Die global tätigen Konzerne haben höhere Reisebudgets und genug von Telefonkonferenzen», beobachtet Gartmann.
Eine andere Strategie als die Konkurrenten verfolgt Europcar, die ihre Standorte in den Krisenjahren 2002 und 2003 vermehrt in die Agglomerationen verlegt hat. Jedes Jahr eröffnet der Anbieter neue Geschäftsstellen in der Schweiz, mit Luzern und Interlaken werden es im Juni deren 65 sein. Sardinha ist vom Erfolg überzeugt: «Wir haben immer mehr Kunden, die kein eigenes Auto besitzen und für bestimmte Fahrten, etwa Skiferien, den passenden Wagen mieten.» Europcar werde mittelfristig um 5% pro Jahr zulegen. Neben dem Umsatzwachstum steigt auch der Konkurrenzdruck: Dieser hat dazu geführt, dass sich die Anbieter mit immer neuen Preisaktionen unterbieten. Treue Kunden profitieren etwa bei Avis nach zehn Miettagen von deren zwei geschenkten, Europcar lockt mit Rabatten bis 30%. Bleibt für die Autovermieter-Branche zu hoffen, dass sie die kommenden Jahre in Profite ummünzen kann, statt sich mit Preisdumping selbst die Luft rauszulassen.
Teure Ersatzteile: Höhere Kosten
Auf Umsatzzuwachs sind die Autovermieter dringend angewiesen, um ihre steigenden Kosten wegen teureren Ersatzteilen zu decken. Oft gehen auch Kunden sorglos mit den Autos um. Verschiedene Anbieter reagierten und haben bei den Versicherungen höhere Selbstbehalte für die Lenker veranlasst. Noch mehr Sorgen bereiten dem Autovermieter-Verband (AVS) die erodierenden Erlöse beim Gebrauchtwagenverkauf. Die Umsätze sind gemäss AVS bis 10% eingebrochen. Ankämpfen können die Vermieter dagegen nicht, weshalb sie zur Eindämmung der Kosten ihre Reservationsbüros in Billiglohnländer verlegten.