Wer waren in den letzten zehn Jahren die langfristig erfolgreichsten Unternehmen? Diese Frage hat die Unternehmensberatung Bain & Company für die BILANZ exklusiv untersucht. Die hundert grössten Schweizer Unternehmen nahmen die Consultants von Bain unter die Lupe. Drei Kriterien wurden zur Ermittlung des langjährigen Erfolgs herangezogen: das jährliche Umsatzwachstum, das jährliche Gewinnwachstum und der Total Shareholder-Return (Kursgewinn plus Dividende).
Als langfristig erfolgreich darf sich dabei nur bezeichnen, wessen Umsatz- und Gewinnwachstum jährlich um mindestens 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen hat und wessen Total Shareholder-Return höher war als die Kapitalkosten. Nur neun Schweizer Grossunternehmen erfüllen diese Kriterien. «Damit liegt die Schweiz knapp unter dem internationalen Standard», sagt Josef Ming, Chef von Bain & Company in der Schweiz. «Unsere Vergleichsuntersuchungen in anderen Ländern haben ergeben, dass durchschnittlich zwölf Prozent der Unternehmen alle drei Kriterien erfüllen.» Diese Firmen sind auch für den langfristig orientierten Anleger am lukrativsten.
In der Schweiz stammen gleich drei dieser Siegerunternehmen aus der Strombranche. Die mag zwar langweilig sein, weil sie so stark geschützt ist, aber bietet dadurch auch gute Gewinnchancen. Und der EG Laufenburg, der Atel und der BKW FMB Energie ist dabei noch ein erstaunliches Umsatzwachstum geglückt. Weil sie es auch auf dem freien europäischen Markt geschafft haben zu wachsen, wären sie eigentlich auch fit für die Liberalisierung des Schweizer Strommarktes.
Auffallend ist, dass viele der Unternehmen, die in der Untersuchung obenaus schwangen, über ein seit Jahren stabiles Management verfügen: Lindt & Sprüngli etwa, Rieter oder Logitech. Sie haben zudem keine Grossakquisitionen getätigt, sondern sind hauptsächlich organisch gewachsen. Noch etwas ist den Erfolgsunternehmen gemeinsam: «Sie sind in der Regel klar fokussiert und haben nur ein oder zwei Kerngeschäfte», sagt Josef Ming. Interessanterweise sind dies häufig auch Unternehmen mit einer langen Tradition wie Serono oder Lindt. Denn nur wer sich auf ein Gebiet konzentriert, kann dort eine Leaderposition erreichen. Damit erzielt man hohe Margen, was Geld für Investitionen ins Kerngeschäft freisetzt und damit wiederum das Wachstum beschleunigt. Mit anderen Worten: ein nachhaltiges Wachstum um den Kern herum. Galenica etwa hat mit Pharmavertrieb angefangen und später einen Logistik-Provider aufgebaut; Lindt produziert nur Premiumschokolade, rollt damit aber ein Land nach dem anderen auf.
Rieter hat als einziges der Gewinnerunternehmen zwei historische Kerne: Textilmaschinen und Automobilbauteile. Da Rieter in beiden eine Führungsposition erreicht und damit genug Investitionsmittel hat, haben es die Winterthurer trotzdem über alle drei Hürden geschafft. «Die meisten Unternehmen haben weniger Erfolg, wenn sie auf zu vielen Hochzeiten tanzen», sagt Ming.
Wie stabil die Industrie ist, spielt dagegen keine Rolle: Mit Rieter, Tecan (Laborautomation) und Serono (Biotech) sind drei ausgesprochene Zykliker unter den langfristig erfolgreichsten Schweizer Blue Chips. Und der Betonhersteller Holcim hat es mangels Shareholder-Return nicht geschafft, obwohl er ein Gigant in einer stabilen Industrie ist.
Natürlich gab es auch andere prominente Abwesende: Nestlé beispielsweise erzielte nur ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 4,1 Prozent. Das ist zwar für die Nahrungsmittelindustrie beachtlich, aber im branchenübergreifenden Vergleich zu wenig. Bei der Swatch Group waren die Aktienkursentwicklung und damit der Total Shareholder-Return in den Jahren 1994 bis 1998 unbefriedigend, und auch Umsatz- und Gewinnwachstum rissen die Latte von jährlich 5,5 Prozent.
Auch die Swiss Re, sonst ein stabiles Unternehmen, wurde an der Börse gebeutelt, ebenso Kudelski. Roche wiederum hat unter dem Vitaminskandal gelitten, der die letzten Jahresergebnisse und damit auch den Total Shareholder-Return zerzauste. Der war zwar bei der SGS beachtlich, aber dafür verfehlte der Genfer Warenprüfkonzern gleich beide Wachstumskriterien – ebenso wie der Lifthersteller Schindler.
Drei andere viel versprechende Kandidaten, nämlich Novartis, UBS und Swisscom, konnten nicht in die Untersuchung einbezogen werden: Sie existierten vor zehn Jahren noch nicht in der heutigen (fusionierten beziehungsweise privatisierten) Form. Doch für den Anleger ist die Schlussfolgerung klar: Auch so genannt langweilige Branchen wie Strom oder Schokolade lohnen sich. MK