Aktuell ist wieder oft von TINA zu hören, There is no alternative, es gibt keine Alternative – damit gemeint sind Aktien. Sehen Sie Alternativen zu Unternehmenstiteln, und wenn ja - welche?
Im gegenwärtigen Anlageumfeld empfiehlt sich eine möglichst breite Diversifikation. Die Anleger sollten trotz oder gerade wegen TINA die Aktienquote nicht allzu stark übergewichten.
Da aufgrund der rekordhohen Aktienbewertungen jederzeit mit einer Korrektur in der Grössenordnung von 10 Prozent zu rechnen ist, macht eine Cashquote trotz Null- respektive Negativzins Sinn. Obligationen werfen zwar keine Rendite ab, stabilisieren aber das Portfolio in volatilen Zeiten. Weitere Diversifikationsmöglichkeiten sehen wir in Gold, Immobilien und Privatmarktanlagen.
Die Berichtssaison ist im vollen Gang, die Schweizer Konzerne präsentieren ihre Jahreszahlen. Auf welche Ergebnisse sind Sie besonders gespannt?
Bisher verlief die Quartalsberichtssaison sehr positiv. Vor allem zyklische Unternehmen aus dem Small- und Mid-Cap-Bereich konnten von einer starken Dynamik im Schlussquartal berichten.
Nächste Woche rapportiert unter anderem die Sika, und muss beweisen, dass die sehr hohen Erwartungen gerechtfertigt sind – Enttäuschungen sind auf diesen Bewertungsniveaus nicht erlaubt.
Zudem wird es spannend sein zu sehen, ob die Berichte von Nestlé und Schindler deren Aktien aus der monatelangen Konsolidierung führen können. Credit Suisse dürfte zwar wie UBS starke Zahlen präsentieren, die Nachhaltigkeit dieser Resultate ist bei beiden Grossbank-Aktien jedoch nicht gegeben – Sell!
Staatsanleihen werfen wenig Zinsen ab. Gehören solche Titel dennoch ins Portefeuille von Anlegerinnen – und wenn ja, welche Papiere empfehlen Sie?
Staatsanleihen sind trotz negativer Rendite ein unverzichtbarer Bestandteil in einem ausgewogenen Portfolio. Sie reduzieren die Volatilität und stabilisieren somit die Performance. Denn trotz TINA ist die Aktienbörse keine Einbahnstrasse, jede Hausse erreicht irgendwann ihr Ende.
Da Staatsanleihen als ultimativer Stabilitätsanker dienen, sollte der Anleger keine Kompromisse bezüglich Schuldnerbonität eingehen. Die Bondverfälle sollten gestaffelt über das kurze bis mittlere Laufzeitenspektrum ausgerichtet sein.
«Credit Suisse dürfte zwar wie UBS starke Zahlen präsentieren, die Nachhaltigkeit dieser Resultate ist bei beiden Grossbank-Aktien jedoch nicht gegeben – Sell!»
Warren Buffett und andere bekannte Investoren kaufen gerne Value-Titel. Können Sie mit dieser Strategie etwas anfangen – sehen Sie gar unterbewertete Aktien, die Sie zum Kauf empfehlen?
Sogenannte Value-Aktien hatten in den letzten Jahren gegen Wachstumswerte, welche von den grossen Technologietiteln angetrieben wurden, einen schweren Stand.
Sie sollten jedoch in keinem Portfolio fehlen, denn aufgrund der aktuellen Konstellation an den Finanzmärkten ist in diesem Jahr eine Outperformance der Value-Aktien wahrscheinlich.
Technologiewerte sind sehr hoch bewertet und werden unter einem weiteren Anstieg der Langfristzinsen leiden. Value-Aktien auf der anderen Seite profitieren vom Konjunkturaufschwung und der steileren Zinskurve. Unterbewertete Aktien gibt es nicht, in sämtlichen Sektoren finden sich jedoch interessante Unternehmen mit aussichtsreichen Zukunftsperspektiven.
Kommen wir zum allgemeinen Börsengeschehen: Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Mit den stetig fallenden Infektionszahlen, die im November/Dezember letzten Jahres gravierendes Ausmass erreicht haben, rückt das Covid-Thema in den Hintergrund. Selbst Unklarheiten über neue Varianten sowie Schwierigkeiten bei der Verteilung der Impfstoffe scheinen die Investoren wenig zu bewegen.
Mit Blick auf den Ölpreis wetten die Anleger auf eine massive Erholung der Wirtschaft, was ein Anziehen der Inflation zu Folge hat. Es ist zu hoffen, dass die Befürworter eines Fortbestandes des Lockdowns die Börsenstände nicht als Gradmesser ihres Erfolges ansehen, denn Teile der Schweizer Wirtschaft, unter anderem das Gewerbe, bringen die Einschnitte in Bedrängnis.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
In abgeschwächter Form spiegeln sich die Auswirkungen des vorgesehenen 1,9 Billionen-Dollar-Hilfspaket aus den USA am Schweizer Aktienmarkt wider. Vor allem «Zykliker» wie Banken dribbeln spielend an den defensiven Werten vorbei. Da der Markt heissgelaufen ist und die Frühlingsmonate historisch gesehen eher «Trendlosigkeit» mit sich bringen, sehen wir den SMI bei schwächeren Börsen eher stabil. Dies vor allem, weil Roche, Novartis und Nestlé neben ihrer exzellenten Marktpositionierung bei Investoren als «sichere Häfen» gelten.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Wir sind weiterhin zuversichtlich, dass der SMI 11'700 Punkte in diesem Jahr erreichen kann. Je nach dem, wann diese Zielmarke innerhalb der nächsten 12 Monate erreicht wird, sollten Anleger ihr Aktienengagement neu bewerten und Teilgewinne realisieren.
Das Interview wurde schriftlich geführt.