Die Digitalisierung hat die Kundenbedürfnisse verändert – auch in der Finanzindustrie. Doch diese tut sich insbesondere in der Schweiz mit dem Wandel schwer. Vor diesem Hintergrund findet zum zweiten Mal eine «Finance 2.0»-Konferenz statt. Dabei diskutieren heute in Zürich Experten über die Folgen der digitalen Revolution und die neuen Anforderungen ans Banking.

Rino Borini ist nicht nur einer der federführenden Organisatoren, sondern in den vergangenen Monaten auch zu einem Wortführer zum Thema «Next Generation Banking» geworden.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Einstiegsfrage haben wir Ihnen von der Konferenz-Homepage geklaut: Wie sieht die nächste Generation der Finanzdienstleister aus?
Rino Borini*: Ganz einfach: Banking wird digital.

Das tönt jetzt etwas sehr allgemein – und bedeutet im Detail, dass…
… neue Anbieter in Form von Nichtbanken aufkommen und Teile der Banking-Wertschöpfungskette belegen werden. Die Banken müssen ihre Kunden als mündig anschauen. Der Bankkunde verlangt einen 7x24-Stunden-Service, Transparenz und Mehrwert. Gerade Letzteres wäre einfach möglich, da Banken und Versicherungen genügend Daten sammeln – Stichwort «Big Data».

Heisst im Umkehrschluss: Die Banken sehen heute ihre Kunden nicht als mündig an?
Dieses Gefühl habe ich in der Tat teilweise. Vieles ist heute noch zu komplex und intransparent. Ich erwarte heute schon, dass ich auf allen Kanälen bei meiner Bank Antwort auf Fragen bekomme – und dabei nicht tagelang warten muss.

Ist das nicht die Sicht eines Technologie-Freaks?
Nein. Durch das Internet hat der Bankkunde von heute einen sehr hohen Wissensstand – über soziale Medien tauschen sie sich aus. Das müssen die Banken verstehen lernen.

Woran scheitert das Social Banking heute noch: Eine Frage der Ressourcen? Mangelndes Knowhow? Oder schlicht am Willen der Banken, Veränderungen herbeizuführen?
Formulieren wir es so: Viele Banken unternehmen derzeit viele Anstrengungen. Doch die Diskussionen drehen sich hauptsächlich immer noch um die gleichen Themen: zunehmende Regulierung, Steuerstreit, Verlust des Bankgeheimnisses und so weiter. Das hat seine Berechtigung, aber kann im 21. Jahrhundert nicht mehr als Entschuldigung für fehlende Veränderung gelten. Ich denke, viele Entscheidungsträger in den Banken haben schlicht noch nicht verstanden, was Digitalisierung bedeutet. Und «last but not least» herrscht noch in vielen Köpfen die Meinung vor, dass sich hinter dem Kürzel ICT – also der Informations- und Kommunikations-Technologie – primär ein Kostenblock verbirgt. Dabei handelt es sich hierbei um die Zukunft.

Digitalisierung ist aber nicht trivial.
Einverstanden. Digitalisierung bedeutet Knowhow. Aber hier kann die Finanzindustrie doch prima von anderen Branchen lernen, die bereits den Weg geebnet haben. Vielleicht sollten man die Digitalisierung auch gemeinsam vorantreiben – also Banken und banknahe Firmen arbeiten Hand in Hand.

Banken sollten Anschauungsunterricht bei Amazon & Co. nehmen?
Genau. Oder bei Airlines. Denken wir drei Jahre zurück – Fukushima. Die Swiss-Hotline war danach komplett überlastet, kommunizierte aber 24 Stunden lang über Twitter oder Facebook mit ihren Kunden. Ein Riesenerfolg und genau das, was der mündige Kunde will – nämlich Service. Banken müssen den Kunden ins Zentrum stellen – das ging über die vergangenen Jahre verloren.

Sie haben Anbieter angesprochen, die dieses Terrain für sich beanspruchen könnten. Was sollen diese ausrichten können? Herr und Frau Schweizer sind doch beim Ändern ihrer Bankbeziehung unglaublich träge. Würden da diese neuen Wege – sei es über neue Anbieter, sei es über die angesprochenen Zusammenschlüsse von mittleren und kleinen Banken – wirklich ernsthaft Bewegung provozieren?
Es gibt im Ausland schon Anbieter im Bereich Mobile Payments oder Peer-to-Peer Lending. Da wird die Bank fast komplett ausgeschaltet. Und ich denke, die Wechselbereitschaft steigt auch in der Schweiz, wenn Junge und/oder technologieaffine Kunden verstärkt in den Markt eintreten. Die haben oft ein grundlegend anderes Verhalten.

Oder die etablierten Häuser übernehmen diese Firmen.
Ja, zum Beispiel. Oder warum öffnen sich Banken nicht mehr? Banken stehen ein für den Bereich Sicherheit – das ist ganz wichtig, das können diese erfüllen. Aber Banken stehen nicht für Innovation. Ähnlich wie im Pharmabereich: Die innovativsten Medikamente sind meist nicht bei Roche, Novartis & Co. entstanden, sondern bei kleinen Nischenplayern. Dieses Zusammenspiel bringt am Ende der Branche viel mehr: Innovation, Schnelligkeit und Sicherheit – Letzteres sollte durch Banken gewährleistet werden.

Wer ist in der Schweiz heute «Best in class», wenn es ums Thema Banking der Zukunft geht?
Da haben UBS und Postfinance die Nase vorn. Es ist aber kein Zufall, dass ich zwei ganz grosse Namen nenne: Nicht jedes Institut kann sich einen Multichannel- und Digitalisierungschef leisten.

* Rino Borini ist Co-Veranstalter der «Finance 2.0»-Konferenz und Co-Herausgeber des Wirtschaftsmagazins «Punkt».