Renaissance des Retail Banking»: Das Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton untersuchte unter diesem Aufhänger die Kundenzufriedenheit in den Schalterhallen der Schweizer Banken. Die Resultate liegen der «HandelsZeitung» vor: Im europäischen Vergleich bekommt das Schweizer Retail Banking zwar sehr gute Noten und liegt an der Spitze. Dennoch gibt es klare Leistungsunterschiede an Helvetiens Bankschaltern.

«Die Raiffeisen- und Kantonalbanken schnitten am besten ab», sagt Reto Isenegger, Mitglied der Geschäftsleitung bei Booz Allen Hamilton in der Schweiz. Die ersten Podestplätze dürften eigentlich nicht erstaunen: Das Retail Banking - das so genannte Massengeschäft mit Hypothekarkrediten und Spareinlagen - ist das Hauptbusiness der Raiffeisen- und Kantonalbanken, die Kundenzufriedenheit somit essenziell. Den Kampf um die Bronzemedaille gewinnt die Credit Suisse (CS) gegen die UBS. Andere Retailbanken (Postfinance, Migrosbank, Bank Coop) und vor allem die Regionalbanken liegen bei fast allen acht Untersuchungskriterien am Ende.

*«Mystery Shoppers» auf Tour*

Während 14 Tagen im Januar gingen zwei Mitarbeitende von Booz Allen Hamilton auf «Mistery Shopping»: Inkognito besuchten sie 33 Bankfilialen in der Deutschschweiz. In der Tasche hatten die «Agenten» Bewertungsbögen mit Kriterien wie Freundlichkeit, Privatsphäre, Öffnungszeiten, Beratungsqualität.

Im letztgenannten Bereich sind die erstaunlichsten Ergebnisse zu vermelden: Die genossenschaftlich organisierten Raiffeisenbanken bekamen nicht nur die besten Noten beim Kriterium «ganzheitlicher Beratungsansatz», sondern hatten auch beim «Vorgehen im Beratungsgespräch» die Nase vorn.

Hier hätte man eher die Grossbanken an der Spitze gewähnt. Die Credit Suisse folgt indes erst auf Platz drei, noch hinter den Kantonalbanken. Erst an vierter Stelle folgt die UBS. Sie erreichte nur drei von fünf möglichen Punkten beim Kriterium «ganzheitlicher Beratungsansatz» (Raiffeisen: 4 Punkte). Die UBS wollte zum Resultat keine Stellung beziehen - sie hat keinen Einblick in die Studie. Trotzdem: CEO Peter Wuffli gab im letzten Herbst in einem «HandelsZeitung»-Interview zu, das Privatkundengeschäft sei in der Schweiz etwas vernachlässigt worden und versprach eine Korrektur.

Die Raiffeisen- und Kantonalbanken lagen auch punkto Öffnungszeiten vorne. Bei ihnen ist laut Projektleiter Daniel Diemers ein Beratungsgespräch unter der Woche bis 20 Uhr oder am Samstagmorgen einfacher zu vereinbaren als bei der CS oder der UBS. Trotzdem lautet das Fazit der Studie: Bei allen Bankengruppen waren die Öffnungszeiten ungenügend. Die Flexibilität sollte vor allem in städtischen Gebieten erhöht werden. Einzig beim Produktewissen lagen die Grossbanken minim vor den Kantonal- und Raiffeisenbanken. Auch bei den Kriterien «Aufbau einer persönlichen Beziehung» und vor allem «Atmosphäre in der Filiale» konnten sie mithalten. Abgeschlagen auch hier: Postfinance, Migrosbank, Bank Coop und hauptsächlich die Regionalbanken.

*Rückbesinnen auf die Masse*

Doch warum überhaupt eine Studie zum Retail Banking in einer Zeit, in der viele Bankkunden seit Jahren keine Bankfiliale mehr von innen gesehen haben? In der Tat galt das Business-Modell Retail Banking in der Bankenwelt bis vor fünf Jahren als völlig unsexy. Die Banken setzten auf Online-Banking und versprachen sich Kostenvorteile durch Filialschliessungen (siehe Kasten). Das Ende der Börsen-Hausse brachte indes eine Rückbesinnung auf das Massengeschäft. «Vor allem die Raiffeisen-Gruppe hatte dies schnell erkannt und hat ihr Filialnetz in den Städten ausgebaut», sagt Isenegger.

Doch die Grossbanken halten dagegen und haben das Retail Banking wiederentdeckt. Dies gilt vor allem fürs Hypothekargeschäft. Auch die Postfinance drängt vermehrt ins Geschäft. Der Konkurrenzdruck habe sich «erheblich verschärft», sagt Hans Vögeli, CEO der Zürcher Kantonalbank. Schon eine Studie des Beratungsunternehmens Accenture und der Universität St. Gallen Mitte letztes Jahr stellte fest: Die Kunden schätzen zwar das E-Banking, doch dürfte die Filiale in Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen. Die Banken müssen sich noch verbessern. «Der Schweizer Kunde ist anspruchsvoll», sagt Isenegger. Eine Zusatzuntersuchung von Booz Allen Hamilton mit 102 Interviews von Bankkunden ergab ähnliche Resultate wie das «Mystery Shopping»: 57% der Befragten sind unzufrieden mit den Öffnungszeiten, Kunden möchten aktiver und ganzheitlicher mit relevanten Produkten angesprochen werden.

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