Die gängige Ansicht lautet, dass grosse Firmenzusammenschlüsse schlecht seien. Manche sind der Meinung, dass im Bankenbereich sogar sämtliche schlecht seien. Dabei ist offensichtlich, dass der Konsolidierungsprozess in der europäischen Bankenlandschaft noch zunehmen müsste. Am besten wären Zusammenschlüsse über Ländergrenzen hinweg. Doch unterschiedliche Regulierungssysteme, kulturelle Barrieren sowie der Stolz des Managements stehen solchen Vorhaben im Wege. Bis jetzt wenigstens.
Sergio Ermotti, CEO der UBS, hat kürzlich gesagt, die Herausforderung für die Bankenindustrie sei nicht «too big to fail», sondern eher «too small to survive». Eine treffende Feststellung, vor allem vor dem Hintergrund, dass sich heute eine Handvoll Banken vor allem aus den USA aufgemacht hat, die Welt zu erobern, und sich auch in Europa gegen eine oft schwache lokale Konkurrenz stark gemacht hat.
Ein nationaler Champion ist besser als keiner
Nun dreht sich die Diskussion um einen möglichen Merger von Deutscher Bank und Commerzbank. Die meisten Beobachter beschreiben dies als einen «Merger of Evils», der nur im Desaster enden könne. Ich aber zögere, die Sache so schnell zu verdammen. Denn welche Alternativen haben wir? Die Commerzbank an die Franzosen verkaufen? Die Deutsche Bank weiter in den Abgrund gleiten lassen?
Natürlich wäre es keine Traumhochzeit. Den grossen Restrukturierungsbedarf beider Institute kann ein Merger nicht ersetzen – dies müssten die Banken selber leisten. Keine der beiden Banken steht heute wie ein Winner da. Im Gegenteil. In einem Worst-Case-Szenario könnte Deutschland ohne eine Bank in der weltweiten Topgruppe dastehen. Das darf nicht sein. Ein nationaler (oder gar ein europäischer) Champion ist besser als keiner.
Viele Länder stehen besser: Frankreich hat BNP Paribas und Crédit Agricole in der Topgruppe, England HSBC und Barclays, Benelux eine wiedererstarkte ING. Und dann ist da natürlich auch die Schweiz mit UBS und CS.
Ausrichtung auf Treasury-Business
Deutschland ist durch die Länderbanken geprägt mit ihrer Ausrichtung auf den Retail-Kunden und schlechten Margen. Aber ein kombinierter Bankengigant – reorganisiert und neu ausgerichtet – ist einen Blick wert. Es gibt Synergien, und gut gemanagt könnte der Deal auch für den Shareholder Sinn machen.
Natürlich müssten beide Banken das Geschäft neu ausrichten. Die fusionierte Bank könnte sich auf das Treasury-Business fokussieren und die grossen Firmen weltweit bedienen, stärker konzentriert auf das Corporate Banking statt das Investment Banking. Der Chase-J.P.-Morgan-Merger war auch kein Selbstläufer. Führungsstärke, fokussiert auf das Bollwerk einer starken Bilanz und das Motto «client first», hat sich am Ende ausgezahlt. Entscheidend ist Leadership.
Eine starke Wirtschaft braucht starke Banken
Beim deutschen Deal geht es um mehr als nur den Shareholder: Es geht um den deutschen Kunden und die deutsche Ökonomie. Deutschland hat einiges zu verlieren, wenn es erlaubt, dass seine beiden verbliebenen Grossbanken wegdämmern oder in ausländische Hände fallen. Eine starke Wirtschaft braucht starke Banken. Die Amerikaner haben es 2008 vorgemacht. Die Industriemacht Deutschland kann sich nicht auf die US-Banken verlassen bei ihrem Kampf um ihren Platz im Weltmarkt.
Daher muss das Land jetzt alle Optionen prüfen, ohne Stolz und Vorurteil. Wenn es glaubwürdige und akzeptable Alternativen für die Deutsche Bank als auch die Commerzbank gibt, so würde ich sie gerne hören. Die Deutsche Bank gibt sich zögerlich und lässt durchschimmern, sie wolle lieber unabhängig bleiben. Bis jetzt hat die Bank aber nicht glaubhaft machen können, dass es für sie ein Licht am Ende des Tunnels gebe. Diese Haltung ist daher wenig erfolgversprechend. Deutschland aber kann sich einen Misserfolg nicht leisten.
* Pascal Ravery war Chairman von J.P. Morgan Securities Schweiz und Vice Chairman Investment Banking Europe. Heute ist er CEO von Lakeside Capital Advisers.