Die Barbera-Rebe gehört zu den weltweit am meisten angebauten Sorten. Ihre Heimat ist jedoch das Piemont, wo rund die Hälfte der Weinberge mit ihr bestockt sind. Was die Nebbiolo-Rebe für die Langhe und das Roero ist, ist die Barbera-Traube für das Astigiano und das Monferrato: Beide gelten sie in ihrem Gebiet als die wichtigste rote Rebsorte, aus der sich grosse Weine keltern lassen und für die man die besten Reblagen reserviert.
Die Produktepalette reicht von den fruchtbetonten DOC-Weinen Barbera d'Asti oder Barbera del Monferrato über die vollmundigeren Superiore-Gewächse der gleichen Appellationen mit einer vorgeschriebenen minimalen Alkoholgradation von 12,5 Volumenprozenten und mindestens einem Jahr Fassausbau bis hin zur kürzlich eingeführten Zusatzbezeichnung «Nizza», die einer superkonzentrierten Barbera-Version mit hoher Alkoholgradation aus dem Gebiet von Nizza Monferrato vorbehalten ist.
Ein Loblied auf den Barbera zu singen, fällt heute leichter als auch schon. Noch bis in die 1980er Jahre als einfacher Bauernsaft oder als billiger Industriewein verschrien, brauchte es die Überzeugungs- und Tatkraft von Winzern wie dem verstorbenen Giacomo Bologna aus Rocchetta Tanaro oder von Mariuccia Borio (Cascina Castlèt) aus Costigliole d'Asti, um dem Barbera im Astigiano wieder auf die Beine zu helfen. Sie bewiesen auf eindrückliche Art, dass der verschmähte Barbera ein grosser Wein sein kann.
Gewächse wie Bolognas erstmals 1982 erzeugter «Bricco dell'Uccellone», ein im Barrique ausgebauter Lagen-Barbera, oder Borios «Passum», hergestellt aus spätgelesenen passierten Trauben, gehören zu den Klassikern des neuen Stils, der landauf, landab kopiert worden ist. Im besten Fall präsentieren sich die Barbera der neuen Generation als ausdrucksstarke, facettenreiche Weine: vollmundig, rund, geschliffen, mit weichen Tanninen und gezähmter Säure. Allerdings haben einige eine gewisse zurechtdesignte, barriquegeprägte Uniformität, der bereits eine wachsende Zahl von Weinfreunden überdrüssig zu werden scheint.
Fruchtbetonte gewächse
Gesucht sind jetzt wieder vermehrt jene ausdrucksstarken, sortentypischen Kreszenzen, die in den letzten Jahren, nicht zuletzt wegen der Vorliebe der omnipotenten Gambero-Rosso-Tester für weichgespülte Üppigkeit, zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Dies scheint man auch im Hause Braida, das Anna Bologna seit Giacomo Bolognas Tod zusammen mit Tochter Raffaella und Sohn Beppe führt, erkannt zu haben.
Diesen Herbst bringen die Bolognas mit dem Montebruna 2001 erstmals einen traditionell vinifizierten Barbera d'Asti auf den Markt: Der im Stahltank vergorene und anschliessend in grossen Holzfässern von 2000 und 5500 l ausgebaute Wein ist ganz nach Anna Bolognas Geschmack: «Der Montebruna erinnert mich an jenen klassischen Barbera, den man früher zu trinken pflegte. Ein fruchtbetonter Wein, den ich besonders gern zum Essen trinke.»
Ausgezeichnete Essensbegleiter sind auch die beiden nuancenreichen Barbera-Crus «La Bogliona» und «Bricchi di Castelrocchero» des altehrwürdigen Weinhauses Scarpa in Nizza Monferrato. Mit ihrem Aromenreichtum und ihrer Finesse vermögen sie all jene zu begeistern, die unverwechselbare, authentische Weine zu schätzen wissen. Seit Jahrzehnten ist das Weinhaus Scarpa, das von Mario Pesce, einem der Grandseigneurs des piemontesischen Weinbaus, zusammen mit seinen Neffen Carlo und Mario Castino geleitet wird, ein Garant für Weine von grosser Klasse und grossem Alterungspotenzial.
Revival der Tradition
Sprichwörtlich ist die radikale Qualitätspolitik des Hauses: Die Trauben schlechter Jahrgänge werden nicht vinifiziert, sondern weiterverkauft. Und was die Verwendung von Barriques anbelangt, denkt man bei Scarpa in anderen Zeiträumen als in kurzen Modezyklen. Zwar stellte man Mitte der 80er Jahre Versuche mit Barriques an, befand jedoch, dass der expressive Charakter der Weine zu sehr beeinträchtigt würde: «Wir wollen in unseren Weinen keine Aromen, die nicht aus den Trauben kommen», erklärt Mario Pesce.
Eine Haltung, die während des vergangenen Jahrzehnts der allgemeinen Barriquemanie weder von den Testern noch von den Journalisten goutiert wurde. Doch die Zeit hat Mario Pesce Recht gegeben. Immer deutlicher zeichnet sich nicht nur bei den Barberaweinen ein Revival jener Kreszenzen ab, die nicht primär in Hightech-Kellern, sondern im Weinberg entstehen.
Barbera-Angebote
Bezugsquellen
Die meisten Schweizer Weinhändler haben Barbera im Angebot. Das Qualitätsniveau der hier zu Lande erhältlichen Gewächse ist, wie eine grosse Vergleichsdegustation der Zeitschrift «marmite» gezeigt hat, beachtlich hoch. Die Weine von Braida di Giacomo Bologna sind bei Rudolf Bindella, Zürich (Tel. 01 276 62 62), erhältlich, die Gewächse der Cascina Castlèt bei Riegger, Birrhard (Tel. 056 201 41 41), und jene von Scarpa bei Ateneo del Vino, Mendrisio (Tel. 091 630 06 36).