Hinhalten, aufmuntern, gesundbeten: Je länger die Konjunktur serbelt und die ersehnte Trendwende auf sich warten lässt, desto hilfloser wirken die Beschwichtigungsappelle der professionellen Kaffeesatzleser und Auguren. Ihre Durchhalteparolen erinnern an das Pfeifen verängstigter Buben im finsteren Wald, zumal die Risiken, dass es weltweit zu einer tiefen und langwierigen Wirtschaftsflaute kommt, in letzter Zeit nicht eben kleiner geworden sind. Ganz im Gegenteil. Sind aber Zweifel und Ängste erst einmal in der Welt, setzen sie sich in den Köpfen der Wirtschaftsakteure fest und lassen sich weder durch verbale Streicheleinheiten noch durch das Herunterspielen vorhandener Gefahren wieder ausmerzen. Bis zum Beweis des Gegenteils.

Reihum sahen sich die helvetischen Prognoseinstitute in den letzten Wochen gezwungen, ihre vormals viel zu hoffnungsvollen Vorhersagen im Nachhinein einer weit weniger erspriesslichen Realität anzupassen. Schritt für Schritt haben sie ihre jeweiligen Schätzwerte für das inländische Wertschöpfungswachstum im laufenden Jahr gegen Null revidiert und sprechen heute allesamt mehr oder weniger offen von einer «Stagnation».

Vom kollektiven Zurückbuchstabieren wird die Hoffnung auf eine mittelfristig erhöhte Expansionsdynamik sozusagen im Keim erstickt. Nur kurz währte die Illusion, nach Jahren mit schleppendem Wachstum könne die Schweiz – gemessen an der jährlichen Zunahme des Bruttoinlandprodukts (BIP) – wieder zu ihren wichtigsten Handelspartnern aufschliessen. In ihrer jüngsten Prognose siedelt die Konjunkturforschung Basel (BAK) die «Wachstumslücke» gegenüber dem Euro-Raum für das laufende Jahr bei 0,8 Prozentpunkten an und hofft, dass sich der Rückstand 2003 auf 0,5 Punkte verringern möge.

Auch die Ökonomen der Credit Suisse Group gehen davon aus, dass die Eidgenossenschaft in Sachen BIP-Wachstum die rote Laterne in Europa nicht los wird. Verantwortlich dafür sind die zahlreichen, hinlänglich bekannten Wettbewerbshemmnisse auf dem Binnenmarkt und die spezifische Branchenstruktur des expansionsschwachen Landes. So lassen sich die wenig erbaulichen Wachstumsaussichten etwa mit den gedrückten Perspektiven im Finanzbereich begründen, einem Wirtschaftssektor, der hier zu Lande bekanntermassen eine dominante Rolle spielt. Trübere Aussichten auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung, die zunehmende Bedeutung des Onshoregeschäfts und der politische Druck auf das Bankgeheimnis hemmen den von Überkapazitäten gezeichneten Finanzsektor in seinen Entwicklungsmöglichkeiten.

Vom Einbruch der globalen Investitionsnachfrage überproportional stark betroffen ist die Investitionsgüter- und Maschinenbauindustrie, der hier zu Lande traditionellerweise eine herausragende Stellung zukommt. Von den wertschöpfungsintensivsten Industriezweigen des Landes dürfte es unter veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzig der Pharmabranche gelingen, an ihrem überdurchschnittlichen Wachstumspfad festzuhalten. Laut Berechnungen der BAK wird die Bruttowertschöpfung in der chemisch-pharmazeutischen Industrie auch in Zukunft mit annähernd vier Prozent pro Jahr expandieren, wobei relativierend anzumerken bleibt, dass die jährlichen Wachstumsraten zwischen 1995 und 2000 noch bei stolzen neun Prozent lagen.

In Analogie zum Branchenmix entwickelt sich auch das Wachstum in den Regionen sehr unterschiedlich. Dank der chemischen und pharmazeutischen Konzerne, die überwiegend in der Nordwestschweiz produzieren, bleibt die Grossregion Basel unbestrittener Wachstumsleader der Schweiz. Im laufenden Jahr weist die Nordwestecke des Landes mit einem BIP-Wachstum von 1,7 Prozent die mit Abstand beste Performance aus, gefolgt von der Gegend rund um den Genfersee (Bassin Lémanique) und der Zentralschweiz, wo vor allem die überdurchschnittliche Entwicklung von Zug ins Gewicht fällt. Die Region Zürich–Aargau hingegen leidet merklich unter der Abkühlung im Finanzsektor, mit dem Effekt, dass die aggregierte Wertschöpfung im laufenden Jahr hier um geschätzte 0,3 Prozent zurückgeht. Eine Rezession durchläuft auch die auf die Investitionsgüterindustrie fokussierte Ostschweiz mit einem BIP-Rückgang von 0,8 Prozent. Mit einer leichten Schrumpfung der Wirtschaftsleistung ist gemäss BAK des Weiteren im Espace Mittelland und in der Südschweiz zu rechnen.

Trotz rezessiver Tendenz in vielen Branchen und Regionen wollen die führenden Ökonomen der Schweiz vorläufig nichts von einer konkreten deflationären Gefahr oder vom Abgleiten in eine langwierige Depression wissen. Einen tiefen und anhaltenden wirtschaftlichen Niedergang wie etwa in Japan hält der Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Bruno Gehrig, für «sehr unwahrscheinlich». Dazu sei der Geldimpuls seitens der SNB seit geraumer Zeit viel zu expansiv. «Wenn die Geschichte nicht völlig täuscht und wenn wir als Ökonomen nicht völlig ignorant sind, wird das stimulierende Wirkungen haben», gab Gehrig kürzlich der Sonntagspresse zu Protokoll. Hoffentlich behält er recht.

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