Zustimmendes Kopfnicken erntete der St. Galler Wirtschaftsprofessor Franz Jäger neulich bei seinem Gastreferat vor Vertretern des Zuger Baumeisterverbands. «Der Bau ist nicht alles, aber ohne Bau ist alles nichts», ergänzte der Ökonom seine Branchenanalyse gezielt mit emotionalen Mutmacher-Phrasen wie dieser. Aber auch Hausaufgaben verteilte er: Es gebe zu viele kleine Bauunternehmen, das Angebot und die Gefahr von Preiskämpfen sei deshalb zu gross, eine Strukturbereinigung dringend vonnöten. «Die momentan gute Wirtschaftslage ist der richtige Zeitpunkt dafür.»
Jägers These wird von den aktuellsten Konjunkturdaten des Branchenmagazins «Baublatt» gestützt. Im 1. Quartal hat die Zahl der Baugesuche demnach gegenüber dem Vorjahr um 1,2% auf ein Rekordhoch von 8486 zugenommen. Markant ist die Steigerung von 8,5% allein im März. Das habe mit einem Projektstau in den langen, schneereichen Wintermonaten zu tun, erklärt Reto Dürsteler, Volkswirtschaftler beim Schweizerischen Baumeisterverband (SBV). Er geht für das zweite und 3. Quartal 2006 folglich von überdurchschnittlich hohen Zahlen aus, die den Vorsprung gegenüber 2005 eher noch vergrössern.
Vor einer Überbewertung solcher Vorlaufindikatoren warnt das Zürcher Immobilien-Beratungsunternehmen Wüest & Partner. Für Inhaber Hannes Wüest geben die aktuellen Zahlen bestenfalls Tendenzen zur Entwicklung der Baubranche im Jahr 2007 wieder. Denn zwischen Einreichung des Baugesuchs und dem Auffahren der Bagger vergehe in der Regel ein Jahr. Tatsächlich realisiert werden von den Gesuchen in der Regel rund 80%. «Dieser Wert kann aber je nach wirtschaftlicher Entwicklung schnell auf 70% schrumpfen», gibt Wüest zu bedenken.
*Hohe Kosten fressen Marge*
Immerhin: Für das laufende Jahr haben die Bauunternehmer ihr Geschäft weit gehend im Trockenen. SBV-Berechnungen prognostizieren dem Schweizer Bauhauptgewerbe (Hoch- und Tiefbau) für 2006 nochmals einen Wachstumsschub von 5% bei effektiv erzielten Umsätzen. Aber auch hier: Was euphorisch tönt, liest sich bei genauerem Betrachten eher nüchtern. Die Umsatzsprünge sind für fast alle Bauunternehmer nämlich bittere Pflicht, um mit den steigenden Kosten Schritt halten zu können. «Die Erträge im Bausektor sind trotz Boom seit Jahren stagnierend», sagt Reto Dürsteler.
Bei den Renditen bleiben durchschnittliche Unternehmer mit geschätzten 2% im Vergleich mit anderen Sektoren weit abgeschlagen. Dass dennoch diverse Baufirmen hohe Gewinne ausweisen, führt der SBV-Ökonom auf buchhalterische Tricks zurück, die in der Branche gang und gäbe seien. «In schlechteren Jahren wird einfach weniger abgeschrieben.» Oft werden auch Immobilienbesitze der Bauunternehmer zum eigenen Vorteil verbucht.
*KOF prophezeit Boom-Ende*
Der Druck auf die Margen dürfte dennoch weiter zunehmen, sollten die Prognosen der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich eintreffen. Sie sieht ein baldiges Ende des Baubooms voraus. «Die Wohnbauinvestitionen werden angesichts leicht steigender Zinsen und erster Anzeichen eines möglichen Überangebots in diesem Jahr nur noch moderat wachsen und in der Folge wieder sinken», heisst es in der aktuellen KOF-Frühjahrsprognose. Das Institut sieht den negativen Turnaround bereits im 3. Quartal 2006 kommen. Anderer Meinung ist Hannes Wüest. Die Hypothekarzinsen für Wohneigentum-Käufer seien nach wie vor auf einem attraktiven Niveau. «Wenn alles normal läuft, wird 2007 für die Baubranche genauso erfolgreich sein wie das laufende Jahr.»
Die Zahl der Baugesuche steigt auf einen Rekord. Die Erträge der Bauunternehmer allerdings nicht. Die hohen Kosten fressen die Margen.
Von Robert Wild
am 18.04.2006 - 19:30 Uhr
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