Seit zwei Jahren beteuern Sie, Ihr Unternehmen retten zu wollen. Was Sie tun, macht eher den Eindruck einer Liquidation in Raten.
Jacques Baumgartner: Wir wussten schon im Herbst 2001, dass vier unterschiedliche Divisionen (Baumgartner Papiers, Fibertec, Francosuisse&Litofan, Elco; die Red.) für eine Gruppe unserer Grösse angesichts des schlechten Geschäftsgangs zu viel sind. Der beschleunigte Margenzerfall im Papiergrosshandel und bei Elco hat uns dann zu rascherem Handeln gedrängt als vorgesehen. Wir haben uns von der Division Fibertec getrennt, die die geringsten Überlebenschancen hatte.
Claude Romy: Unter dem Dach der englischen Käufer scheint diese übrigens wieder eine Zukunft zu haben. Filtrona entsendet bereits Ingenieure, um die Zigarettenfilterproduktion zu optimieren.
Hätten Sie das nicht auch selbst bewerkstelligen können?
Baumgartner: Nein. Dafür war Fibertec zu klein. Zigarettenfilter werden vermehrt von den Zigarettenherstellern selbst produziert. Der Marktanteil der zwei vorgelagerten Produzenten Fibertec und Filtrona betrug noch 5%. Filtrona ist umsatzmässig 16 mal grösser als Fibertec. Unsere finanzielle Lage erlaubte es nicht, gegen die Engländer anzutreten.
Bei Elco Papier AG, ihrem jüngsten Sorgenkind, haben Sie nun ebenfalls den Rückwärtsgang eingelegt. Sie könnte gleich enden wie Fibertec.
Baumgartner: Nein. Elco ist als Folge der Expansionsstrategie im Ausland seit 2001 defizitär. Elco hat in Deutschland, Frankreich und England mit den grossen Anbietern zu konkurrieren versucht und dabei übersehen, dass wir mit unseren Produktionskosten auf Dauer gar nicht mithalten können. Der Absatz konnte so zwar gesteigert werden, im Gegenzug schrieben wir rote Zahlen. Nun wollen wir uns wieder auf die Schweiz beschränken.
Leute aus dem ehemaligen Elco-Management behaupten, Elco müsse im Ausland präsent bleiben, um als europäische Nischenplayerin für Qualitätscouverts überleben zu können.
Romy: Diese Leute überschätzen die Rolle, die Elco im Ausland spielt. Der Markenname Elco ist nur in der Schweiz als Leader bekannt, im Ausland hat er sich zu wenig nachhaltig durchgesetzt.
Baumgartner: Das Qualitäts- oder Nischenargument lässt sich insbesondere auf den ausländischen Massenmärkten nicht gross ausschöpfen, wo beispielsweise Unternehmen wie GPV rund um die Uhr Milliarden von Couverts produzieren...
Romy: Diesbezüglich war die Auslandstrategie von Elco auch alles andere als konsequent. Die dortigen Vertriebstöchter setzten teilweise bis zur Hälfte ihres Umsatzes mit Fremdmarken ab, um ihre Budgets zu erreichen. Das ist der Etablierung einer Marke nicht besonders förderlich.
Eingangs sagten Sie, Fibertec sei gescheitert, weil sie zu klein war. Nun wollen Sie Elco retten, indem Sie sie zusammenschrumpfen.
Romy: Das können Sie nicht vergleichen. Fibertec produziert nicht direkt für die Konsumenten, sondern für industrielle Abnehmer. Zum Überleben hätte man mehr Marktanteil gebraucht. Im Gegensatz dazu muss Elco Absatz und Marketing selber besorgen. Das können wir nur in der Schweiz und mit einem auf die starken Produkte konzentrierten Sortiment gewinnbringend tun.
Laut Elco-Leuten gab es die Alternative, mit ausländischen Partnern zusammenzuarbeiten, statt sich zurückzuziehen. Sie hätten darauf aber nicht reagiert.
Romy: Das eine schliesst doch das andere nicht aus. Wenn wir die Restrukturierung bei Elco durchgezogen haben, können wir Partnerschaften im Ausland jederzeit ins Auge fassen.
Möglicherweise ist es dann zu spät.
Baumgartner: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich zurzeit jemand für Elcos Produktion und deren Arbeitsplätze interessiert, sondern wenn schon für die Marke.
Wie können Sie das mit einer Reduktion des Umsatzvolumens von rund 90 auf 60 Mio Fr. bewältigen? Ihre Fixkosten hängen zu 50% vom Rohstoff Papier ab. Der Einkauf dürfte nicht billiger werden.
Romy: Elco war schon immer zu klein, um als Grosseinkäufer grosse Rabatte einzufahren. Wir verdienen unser Geld nicht beim Einkauf, sondern beim Verkauf von Qualitätscouverts, denen wir einen Mehrwert hinzufügen.
Baumgartner: Genau da müssen wir Elco innovativer machen: Zum Beispiel, indem wir in der Produktekette weiter vorgreifen. Oder indem wir neue Produkte bringen wie Verpackungen von CD-Hüllen.
Elco hat über 40 Mio Fr. Schulden, die Sie mit dem Verkauf des Areals teilweise zurückbezahlen wollen. Woher stammen sie? Branchenkenner behaupten, der Mutterkonzern habe die Basler Tochter während Jahren systematisch ausgesaugt.
Baumgartner: Diese Schulden sie machen rund die Hälfte der Konzernschulden aus sind zum grössten Teil der Expansionsstrategie im Ausland und der falschen Investitionspolitik bei der Anschaffung von Maschinen zuzuschreiben. Rückblickend können wir sogar sagen, dass wir dieses Geld gescheiter bei Fibertec angelegt hätten.
Den Papiergrosshandel, Ihre einstige Kerndivision, wollen Sie verkaufen oder in eine Allianz einbringen. Ein Zeichen dafür, dass der Rettungsversuch auch hier gescheitert ist?
Baumgartner: Nein, wir setzen ja immer noch Papier für rund 100 Mio Fr. jährlich ab. Aber es ist richtig, dass unser Papiergrosshandel in einer Partnerschaft oder unter dem Dach eines grösseren Marktteilnehmers mehr Überlebenschancen hätte.
Das erklärten Sie bereits vor einem Jahr. Mit wem haben Sie seither Gespräche geführt?
Baumgartner: Konkret mit niemandem. Zuerst mussten wir die Sache mit Fibertec über die Bühne bringen. Ausserdem zeigt sich inzwischen, dass wir nicht überhastet vorgehen sollten. Es gibt berechtigte Hoffnung, dass sich der Papiermarkt erholt. Eine Allianz wäre sowohl mit kleineren wie grösseren Teilnehmern denkbar. 2004 wollen wir eine Lösung finden, wenn möglich in der ersten Jahreshälfte.
Die einzigen Töchter, bei denen anscheinend kein Sanierungsbedarf vorliegt, befinden sich im Ausland. Hängt die Rettung Ihrer Gruppe jetzt massgeblich von den Verpackungsproduzenten Francosuisse (F) und Litofan (E) ab?
Romy: Sie bilden das neue Kerngeschäft der Gruppe...
Baumgartner: ... zusammen mit Elco, die im weitesten Sinne ja auch Verpackung herstellt. Francosuisse und die um einiges kleinere Litofan sind mit 60 Mio Fr. Umsatz keine europäischen Grossfirmen, dafür aber extrem gut positioniert. Francosuisse ist in Europa die Nummer eins bei Konfektions- und anderen Verpackungsarten. Der Stand ihrer Technologie und die räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Fabrik lassen sogar Wachstum zu.
Gedenken Sie, die beiden Töchter auch so zentralistisch zu führen, wie Ihnen das bei Elco zum Vorwurf gemacht wurde?
Romy: Bei Elco war es ja genau eines der Probleme, dass wir dezentral organisiert waren. Der Chef von Francosuisse steht der ganzen Verpackungsdivision vor; er ist also massgeblich in die Politik der Gesamtgruppe involviert.
Baumgartner: Wir haben nie eine zentralistische Politik verfolgt. Aber es stimmt, dass es uns nicht gelungen ist, die möglichen Synergien umzusetzen, insbesondere zwischen dem Papiergrosshandel und Elco. Das lag an der Chemie zwischen deren leitenden Repräsentanten, ausserdem an mir selbst, weil ich daran scheiterte, Menschen zusammenzubringen, die sich nicht mögen. Das mag mir zuweilen auch als Anwalt bei Scheidungen nicht gelingen ...
2001 wiesen Sie das Kaufangebot von Mehrheitsaktionär Asher Edelman zurück und unterstellten ihm, er beabsichtige das Unternehmen zu zerstückeln und insbesondere dessen Immobilienpark in bare Münze umzusetzen. Wir sehen kaum einen Unterschied zu Ihrer heutigen Strategie.
Baumgartner: Wir haben mit dem Verkauf für einen Weiterbetrieb der Fabrik gesorgt, das zeigt den Unterschied wohl deutlich genug. Hätte der VR seine persönlich-materiellen Interessen verfolgen wollen, wäre es sicher lukrativer gewesen, auf das Angebot einzugehen.
Mit dem Abbau von mehr als 200 Stellen in Crissier und Allschwil scheint Ihre Strategie diesen Interessen aber auch nicht besser entgegenzukommen ...
Baumgartner: Die Entscheidungsbasis zum Zeitpunkt des Kaufangebotes war anders als heute. Damals glaubten unsere Divisionsmanager noch an einen ordentlichen Geschäftsgang, was sich im Nachhinein als verfehlt beurteilen lässt. Diese haben das Unternehmen inzwischen ja verlassen.
Allerdings mit gebührlicher Verspätung. Herr Angst hat erst diesen Frühling gehen müssen. Das stellt dem Verwaltungsrat kein gutes Zeugnis aus.
Baumgartner: Der Verwaltungsrat eines Konzerns ist dazu da, strategische Entscheide zu fällen. Das konnten wir erst, als wir erkannten, dass sich einige unserer operativen Manager verschätzt hatten.
Der Eindruck bleibt: Sie agieren nicht, sie reagieren. Müsste ein Verwaltungsrat nicht mehr führen?
Baumgartner: Rückblickend haben Sie recht, dass wir früher hätten agieren müssen. Aber es dauert eben seine Zeit, einen traditionellen Betrieb und seine Leute aufzuwecken. Am heutigen Tag ist dieser Eindruck aber falsch: Wenn wir unsere Ziele erreichen, werden wir einen völlig neuen Konzern bekommen und die Erhaltung eines grossen Teils unserer Aktivitäten und Arbeitsplätze ermöglicht haben.
Baumgartner
Letzter Kurs: Fr. 160.25
(in Mio Fr.) 2003 2002 %
1. Sem. 1. Sem.
Umsatz 134.7 155.8 13.5
Ebit 5.0 5.2 3.8
Reingewinn 10.1 4.4 130
Beschäftigte 1034 1164 11.2
Fazit: Baumgartners Strategie ist in vielen Punkten unklar. Der Umbau des Papierkonzerns ist erst angelaufen. Ob der Konzern in Zukunft gross genug sein wird, um wachsen und bestehen zu können, ist zweifelhaft. Die Aktie bleibt ein Spekulationspapier.
Profil
Steckbrief
Name: Jacques Baumgartner
Funktion: VR-Präsident Baumgartner Papiers
Alter: 62
Wohnort: EpalingesFamilie: Geschieden
Ausbildung:Anwalt
Name: Claude Romy
Funktion: CEO Baumgartner Papiers
Alter: 40
Wohnort: Romanel-sur-Lausanne
Familie: Verheiratet, zwei Mädchen
Ausbildung: Betriebswirt