BILANZ: Herr Rummenigge, wie viel verdienten Sie, als Sie 1974 als 18-Jähriger zum FC Bayern München kamen?
Karl-Heinz Rummenigge: Mehr, als Sie vermutlich annehmen – es waren nicht 400 Mark monatlich, wie kolportiert wird. Ich habe damals 8000 Mark verdient, wahnsinnig viel Geld, dreimal so viel, wie mein Vater als Werkzeugmacher bekam.
Wenn der Spieler Rummenigge heute mit dem Vorstandschef Rummenigge um sein Gehalt feilschen müsste: Wie viel würde der Stürmer verdienen?
Zu meinen Top-Zeiten war ich Europas Fussballer des Jahres, Torschützenkönig der Liga und Kapitän der Nationalmannschaft. Damit würde ich als Spieler heute sicher weltweit zu den Top fünf gehören. Das wäre die Güteklasse Cristiano Ronaldos, und der soll angeblich rund 13 Millionen Euro verdienen, netto.
In der vergangenen Saison stand der FC Bayern im Final der Champions League, was viel Geld brachte. Wie hoch waren Umsatz und Gewinn?
Wir haben in diesem Geschäftsjahr, das am 30. Juni endete, den bislang grössten Umsatz unserer Vereinsgeschichte erzielt. Selbst ohne unsere 100-Prozent-Tochter Allianz Arena kommen wir für das Geschäftsjahr 2009/10 auf einen Umsatz von rund 300 Millionen Euro. Wenn wir die Arena hinzurechnen, landen wir bei mehr als 350 Millionen. Damit gehören wir wohl zu den fünf umsatzstärksten Vereinen in Europa.
Schreiben Sie auch schwarze Zahlen?
Es gibt Vereine, die aus Erfolgen in der Champions League keinen wirtschaftlichen Nutzen ziehen konnten: Sie mussten so hohe Prämien und Boni ausschütten, dass unter dem Strich ein Verlust blieb. Wir sind profitabel trotz hohen Transfersummen, trotz der Millioneninvestition in unser Stadion und trotz 16 Millionen Euro, die wir in die Infrastruktur unseres Vereinsgeländes steckten.
Dazu gehört der neue Shop für Fans, die das Training besuchen. Stösst der FC Bayern bei Merchandising- und Sponsoringerlösen nicht allmählich an die Decke?
Doch, im Prinzip sind wir an der Dachkante angelangt. Es gibt zwar noch etwas Potenzial, aber viel mehr kann man beim Marketing und beim Merchandising kaum noch machen. Im Sponsoringbereich sind wir heute vielleicht der beste Club der Welt. Alles zusammengerechnet nehmen wir mehr ein als Real Madrid oder Manchester United.
Auch die Erlöse aus den Spieltagen, also Eintrittskarten, Essen, Trinken und Fanartikel, sind kaum noch zu steigern – ausser mit höheren Eintrittspreisen.
Die Allianz Arena ist seit Jahren an jedem Spieltag ausverkauft. Aber wir werden die Ticketpreise nicht erhöhen. Der FC Bayern soll für alle Fans erschwinglich bleiben, der Eintritt kostet in der günstigsten Kategorie mit 7.50 Euro für Kinder und Rentner nicht mehr als eine Kinokarte.
Wo könnten die Bayern ihre Einnahmen sonst noch steigern?
Die einzige Chance für spürbare Steigerungen sehe ich darin, dass die Bundesliga als Ganzes ihre Einnahmen aus der TV-Vermarktung erhöht. Unter Europas Top-Ligen sind wir mit den gut 400 Millionen Euro, welche die Erste und die Zweite Bundesliga von den Sendern erhalten, mit Abstand Tabellenletzter. Wenn es nicht gelingt, diese Summe beim nächsten Vertrag, der von der Saison 2013/14 an gelten wird, um 50 Prozent zu steigern, werden wir international Probleme bekommen.
Dem Bezahlsender Sky, dem wichtigsten Geldgeber, geht es schlecht. Wo soll das Geld herkommen?
Das wird schwer, das weiss ich auch. Ich mache mir grosse Sorgen, weil es uns gemeinsam – Liga und Bezahlsender – in 20 Jahren nicht gelungen ist, Pay-TV in Deutschland wirklich zu etablieren.
Was macht Sky falsch?
Die haben den Fehler gemacht, die Leute praktisch zu Abos zwingen zu wollen, indem sie Sport mit Filmen koppeln. Jetzt fährt Sky zwar den klugen Kurs, das einzelne Abo aufzuwerten, indem der Sender die Technik verbessert. Aber der deutsche Fussballfan, der zusätzlich zum Sport auch noch Filme kaufen soll, macht die Tür zu: «Kauf ich nicht.»
Warum hat die Liga nichts getan?
Die Bundesliga hat zu lange einfach das Geld genommen und Sky das Marketing überlassen. Wir müssen aber Einfluss darauf nehmen, wie Fussball verkauft wird.
Und wenn das nicht klappt, ist dann der Kurs des FC Bayern gefährdet?
Es gibt auch noch Möglichkeiten, im Ausland zu wachsen. Zudem gibt es keinen Zwang für uns, den Umsatz immer weiter zu steigern, denn in den nächsten Jahren werden unsere Ausgaben deutlich sinken. Die Spielergehälter etwa werden europaweit gerade dramatisch gekürzt. Es gibt jetzt schon eine Schwemme mittelklassiger Spieler auf dem Markt. Ich habe noch kein Jahr erlebt, in dem so viele Spieler von einem Verein an einen anderen ausgeliehen werden wie in diesem – zum Teil sogar kostenlos, nur damit sie von der Gehaltsliste verschwinden.
Kündigt sich damit das Ende der Wahnsinnstransfers an?
Nein, das sicher nicht. Ein Cristiano Ronaldo oder ein Kaká sind auch dann noch Attraktionen, wenn sie mal nicht mehr 100 Millionen Euro Ablöse kosten. Top-Spieler werden immer ihren Marktwert haben – zu Recht. Sie sorgen für Einnahmen durch Sponsoren, Fans und TV-Sender. Die Rendite für Investitionen in Spieler wie Arjen Robben oder Franck Ribéry ist daher extrem hoch. Andere Spieler aber haben sich im Sog der Top-Verdiener ebenfalls hochgehangelt. Und diese Mittelklasse bricht jetzt gnadenlos ein.
Die Beratungsfirma A.T. Kearney hat ausgerechnet, dass viele Vereine, an unternehmerischen Massstäben gemessen, wegen der Irrsinns-Transfersummen und Spielergehälter in zwei Jahren insolvent wären.
Ja, die Vereine müssen sparen – da gibt es keine Alternative. Der europäische Fussballverband Uefa hat errechnet, dass 2008 die Hälfte aller europäischen Profivereine Verlust gemacht hat. Kennen Sie eine Branche, in der die Hälfte der Unternehmen rote Zahlen schreibt?
Die Uefa will das ab 2012 mit neuen Finanzregeln verhindern.
Das ist gut so, denn sonst bleibt es bei dem aktuell unfairen Wettbewerb, bei dem sich die einen mit Investorengeldern einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und trotzdem rote Zahlen schreiben, während andere, die sauber wirtschaften, finanziell hinterherlaufen. Die Uefa will künftig strikt auf den Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben schauen. Sie will verhindern, dass Mäzene wie Massimo Moratti von Inter Mailand Millionenverluste ausgleichen. Solche sogenannten Equity Injections werden ab 2012 streng bis zu einer jährlichen Obergrenze von 15 Millionen Euro gedeckelt.
Sie haben auch gut reden: Mit Audi und Adidas stecken zwei Weltunternehmen Hunderte Millionen in den FC Bayern.
Stimmt, aber im Unterschied zu anderen Clubs sind wir weiter Herren im eigenen Haus (die beiden Unternehmen besitzen aktuell 12,6 Prozent an Bayern, Red.). Ausserdem haben wir für das Geld nicht wild Spieler eingekauft, sondern es ins Stadion gesteckt. In diesem Jahr werden wir wohl erstmals schwarze Zahlen mit der Arena erreichen und sie vielleicht bereits 2017 abbezahlt haben und nicht erst wie zunächst geplant 2025. Wir haben bewiesen, dass man Erfolg haben kann, ohne sich über beide Ohren zu verschulden.
Wie lautet Ihr Ziel für die neue Saison?
Wir wollen wieder auf dem Balkon des Münchner Rathauses stehen, denn die deutsche Meisterschaft ist der ehrlichste Titel von allen – in der Champions League muss man auch mal Glück haben.
Karl-Heinz Rummenigge (54) ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München. Der frühere Stürmer erzielte in 95 Länderspielen 45 Tore. Er spielte bei Bayern, Inter Mailand und Servette Genf. Er ist auch Vorsitzender der Vereinigung der europäischen Fussballclubs.