Rechtzeitig zu den Sommerferien verschwinden am kommenden Donnerstag die Roaminggebühren in der EU und im EWR endgültig. Nutzer können künftig im EU-Ausland zu heimischen Tarifen telefonieren und surfen. Dafür zocken mehrere EU-Telekomkonzerne ihre Kunden bei Aufenthalten ausserhalb der EU und des EWR ab - darunter ist auch die Schweiz.
Am unverschämtesten sind Anbieter aus Österreich und Frankreich, wie eine exklusive Untersuchung zeigt, die der Internetvergleichsdienst Verivox auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda durchgeführt hat. Von Vielnutzern kassieren diese Telekomkonzerne bei zweiwöchigen Ferien mehrere tausend Euro.
8600 Franken für Roaming
Berechnet hat Verivox, welche Gebühren Schweizer, Deutsche, Franzosen, Italiener und Österreicher für Roaming in den fünf beliebten Reiseländern USA, Australien, Brasilien, Südafrika und Thailand zahlen.
Am brutalsten langt die österreichische T-Mobile zu. Hier werden einem Vielnutzer während eines zweiwöchigen Aufenthalts in Australien, Brasilien, Südafrika und Thailand umgerechnet rund 8600 Franken in Rechnung gestellt.
Handy teurer als Flug und Hotel
Damit sei der Handygebrauch teurer als Flug und Hotel, sagt Verivox-Telekomexperte Ralf Beyeler im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda: «Ich finde es erstaunlich, dass es heute in Europa noch solche Horrorpreise gibt.» Das sei Abzockerei.
Aber auch die Mobilfunkunternehmen Drei (2800 Franken) aus Österreich und Bouygues aus Frankreich (5700 Franken) bitten bei einem intensivem Handygebrauch Thailand-Aufenthalts kräftig zur Kasse.
Pikant ist, dass die Mobilfunkgesellschaft Free, die in Frankreich den Markt mit günstigen Tarifen aufmischt, ihre Kunden bei Reisen in Thailand (3600 Franken) ebenfalls happige Rechnungen schickt. Free gehört dem französischen Telekomunternehmer Xavier Niel, der in der Schweiz Salt besitzt.
Schweizer im Mittelfeld
Am günstigsten sind im Thailand-Beispiel die deutsche Vodafone und die italienische TIM mit je 66 Franken. Die Schweizer Anbieter Swisscom (90 Franken), Sunrise (148 Franken) und Salt (299 Franken) befinden sich im vorderen Mittelfeld. «Alle drei Schweizer Anbieter haben bezahlbare Preise in vielen Ländern ausserhalb der EU», bilanziert Beyeler.
Damit bestätigt sich das Argument der Schweizer Telekomkonzerne, im internationalen Vergleich ausserhalb der politisch künstlich gesenkten EU-Preise recht günstig zu sein.
Schweiz als Hochpreisinsel
Auch in der Schweiz sahnen Telekomkonzerne aus unseren Nachbarländern teilweise kräftig ab, weil sie hierzulande nicht den EU-Preisvorschriften unterliegen. Am schlimmsten ist erneut die österreichische Drei, die für eine zweiwöchige Schweiz-Reise eines Intensivnutzers beinahe 2800 Franken in Rechnung stellt.
Teuer sind auch die österreichische A1 (143 Franken) und Free (113 Franken). Allerdings sind bei Drei und Free auch Abos erhältlich, bei denen das Roaming in der Schweiz enthalten ist. Die meisten anderen Anbieter verlangen zwischen 33 und 55 Franken.
Solche Tarife zementieren das Bild der Hochpreisinsel Schweiz. Der Schweizer Tourismus-Verband (STV) fordert deshalb den Bundesrat auf, diesen Wettbewerbsnachteil so schnell wie möglich zu beseitigen und Verhandlungen mit der EU aufzunehmen, damit auch die Schweiz ins EU-Roamingregime aufgenommen wird.
Keinen Einfluss auf die Preise
Die Schweizer Anbieter hätten auf diese Preise keinen Einfluss, betonen sie: Die Preise würden von den ausländischen Anbietern festgelegt. Es wäre für alle EU-Anbieter sehr gut möglich, ihren Kunden attraktive Angebote zu offerieren, erklärt ein Swisscom-Sprecher.
Dass es auch anders geht, zeigen die Deutsche Telekom und die französische Orange, die beide von ihren Kunden bei einem Aufenthalt in der Schweiz keine Roaminggebühren mehr kassieren.
(sda/ccr)
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