Die Benzinpreise an den Tankstellen sind immer noch hoch, obwohl der Ölpreis auf Vorkriegsniveau gesunken ist. Weshalb?
Das müssten sie die Betreiber fragen, so wie etwa BP oder Shell. Wir als Verband beschäftigen uns nicht mit der Preispolitik der einzelnen Händler.

Viele Autofahrer ärgern sich über die hohen Benzinpreise. Warum besteht diese Diskrepanz zwischen Öl- und Benzinpreis?
Jeder Händler hat eine Handelsspanne. Man kann die Ware ja nicht zum gleichen Preis verkaufen, wie man sie einkauft. Viele Einkäufe werden über Waren- und Terminbörsen abgewickelt. Dort werden die Preise bestimmt, die öffentlich bekannt sind. Bei der Belieferung der Tankstellennetze gibt es aber unterschiedliche Verträge. Diese orientieren sich zwar an diesen Preisen, aber das heisst nicht, dass sie eins zu eins so gehandelt werden.

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Dann handeln die Tankstellenbetreiber also jeweils individuelle Verträge aus?
Es gibt Händler, die kaufen «on spot», also an der Börse. Aber es gibt auch Händler, die kaufen über langfristige Verträge, also Jahresverträge. In denen arbeitet man mit Preisformeln, die sich zwar an den Marktpreisen orientieren, aber letztlich basiert es auf Durchschnittswerten. Man passt den Preis nicht täglich an. Jeder Händler macht damit individuelle Deals mit seinen Lieferanten aus. 

Wenn es langfristige Verträge gibt, weshalb sind denn die Preise gestiegen?
Die Treibstoffpreise passen sich immer den Marktbedingungen an. Wie sich diese bei den einzelnen Händlern auswirken, weiss ich jedoch nicht. 

Verstehen Sie den Ärger der Autofahrer? Sie lesen, der Ölpreis sinkt, aber wenn sie tanken, kostet es immer noch viel. 
Der Preis ist aber vielleicht auch nicht so schnell gestiegen wie der Ölpreis damals. Das sollte man sich auch in Erinnerung rufen.

Der Eindruck ist aber: Wenn der Ölpreis steigt, dann steigen auch die Benzinpreise sehr schnell. Wenn der Ölpreis hingegen sinkt, dauert es, bis der Benzinpreis sinkt. Warum dauert das so lange?
Das ist ein Gefühl, welches ich so nicht bestätigen kann. Das ist unterschiedlich, je nach Anbieter und dessen Preispolitik. Man kann das nicht generell beantworten.

Die Preispolitik der Mineralölfirmen scheint undurchsichtig.
Die Preise waren letzte Woche noch höher. Das muss man dann halt auch wahrnehmen als Konsument. 

Aber die Preise sind immer noch höher als vor Kriegsausbruch.
Es gibt 3400 Tankstellen in der Schweiz. Die Preise sind sehr unterschiedlich. Das Bundesamt für Statistik publiziert die durchschnittlichen Verkaufspreise in der Schweiz. Damit kann man eine Aussage treffen. Man müsste die einzelnen Betreiber fragen.

Beobachten Sie als Verband eine solche Verzögerung zwischen Öl- und Benzinpreis?
Die Bewegungen an den Zapfsäulen hinken den Warenbörsen hinterher. Wenn die Preise an der Börse steigen, braucht es Reaktionszeit. Die Betreiber haben kein Interesse, die Preise täglich anzupassen.

Genau, vor allem dann nicht, wenn die Preise sinken.
Diesen Verdacht kann ich nicht erhärten.

Ich habe einen Satz gelesen: «Irgendwo zwischen Ölförderung und Tankstelle bleibt das zusätzliche Autofahrergeld hängen.» Wo genau?
Das ist bei jedem Produkt so. Wenn sie eine Jeans kaufen, wird diese in Bangladesch hergestellt, dann wird sie hierher transportiert, gelangt in einen Laden. Es gibt eine Wertschöpfungskette mit den Lieferanten, überall bleibt Geld hängen. Das ist bei Treibstoff nicht anders. 

Daniel HOFER

Daniel Hofer, Präsident von Avenergy Suisse.

Quelle: ZVG

Die Mineralölkonzerne profitieren in der jetzigen Zeit besonders stark von den hohen Preisen und nutzen das doch aus.
Zu den Verkäufern von Rohöl kann ich nichts sagen, da es in der Schweiz keine solchen gibt. Es gibt einen Produzenten von Mineralölprodukten in der Schweiz, die Raffinerie in Cressier. Der Rest der verwendeten Produkte wird von den Tankstellenbetreibern von Raffinerien im Ausland eingekauft. Diese Öl-Konzerne holen das Öl aus dem Boden, verschiffen es, es gelangt in die Raffinerien und dann zu den Tankstellen. Die Tankstelle hat eine Marge, mit der man Betriebskosten wie Mieten und das Personal zahlen muss. Diese Handelsspanne ist aber gering. Das sind rund 30 Rappen vom aktuellen Literpreis.

Den Mineralölkonzernen wird der grosse Reibach vorgeworfen.
Die Schweiz ist ein reines Abnehmerland. Wir stehen am Ende der Wertschöpfungskette. Weil wir keine eigene Rohölproduktion haben und nur eine Raffinerie im Land steht, müssen wir die Preise akzeptieren, die der Markt vorgibt. Es bleibt uns keine grosse Wahl. 

Dann sind wir den Preisen mehr ausgeliefert als etwa Deutschland oder Grossbritannien, die über eigene Raffinerien verfügen?
Die eigene Rohölproduktion kann sich auf den Preis auswirken. Die Schweizer Autofahrer sind diesen Marktbedingungen noch mehr ausgeliefert als die in anderen Ländern. Wir importieren die meisten Treibstoffprodukte aus den Nachbarländern. Zum Importpreis kommt die Handelsspanne des Tankstellenbetreibers dazu. 

Die Mineralölkonzerne stehen im Verdacht, die Benzinpreise durch Absprachen in die Höhe zu treiben. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat dazu eine Untersuchung eingeleitet. Was halten Sie von diesem Verdacht?
Ich glaube, dass diese Untersuchung keinen Erfolg haben wird. Ich war früher Chef der Migrol. Bei Jahresverträgen hat man Formeln, die sich an Börsenwerten orientieren. Ich betone aber «orientieren». Der Preis wird anhand eines Durchschnittswerts berechnet und erst nach den Lieferungen definitiv fixiert. Das führt zu Verzögerungen bei den effektiven Preisen, die an der Zapfsäule stehen. Absprachen wären ungeschickt, denn die Strafen dafür sind sehr hoch.

Avenergy Suisse

Avenergy Suisse vertritt die Interessen der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe. Die Mitglieder versorgen die Schweiz mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen und wickeln den Import dieser Energieträger ab. Dazu organisieren sie die Lagerung und Verteilung im Markt. Sie betreiben Pflichtlager der Brenn- und Treibstoffe, damit es nicht zu einer Lücke kommen kann. 

In Deutschland hat man die Erdölindustrie bereits am Montag in die Pflicht genommen, zu erklären, warum die Preise für Benzin und Diesel so viel stärker gestiegen sind als der Rohölpreis. Wie sieht es in der Schweiz aus?
Man muss auch zwischen Benzin und Diesel unterscheiden. Das Öl aus Russland ist nicht nur Rohöl, sondern auch verarbeitete Produkte wie etwa Diesel. Deutschland kauft nicht nur Öl aus Russland, sondern auch Diesel. Mit der jetzigen Situation kann das zu einer Verknappung führen, weil die Produzenten sagen, sie kaufen nicht mehr aus Russland. Es besteht ein Gegenparteienrisiko auf dem Markt. Darf man dem Gegenüber überhaupt noch etwas abkaufen oder steht es auf einer Sanktionsliste? Dann werden die Leute vorsichtig, der Markt bricht ein und der Preis steigt, weil man sich anders orientieren muss.

Also ist auch die Schweiz in Sachen Diesel von Russland abhängig?
Die Abhängigkeit von Diesel ist höher, weil er direkt aus Russland kommt. In der jetzigen Situation kann diese Menge an Diesel fehlen. Diesel wird in der Schweiz aber nur grob zur Hälfte direkt an Tankstellen verkauft. Die andere Hälfte geht an Logistikfirmen und den öffentlichen Verkehr.

Die Profite der Ölkonzerne sind derzeit hoch, die Raffinerien verdienen viel Geld. Beobachten Sie das auch?
Das ist wegen der Rohölproduktion. Jeder, der Rohöl produziert, also aus dem Boden holt, verdient zurzeit sehr viel Geld. Der Produzent wie etwas BP oder Shell hat immer noch die gleichen Anlagen, verdient aber natürlich mehr mit dem gleichen Produkt. Aber es wird niemand zum Autofahren gezwungen. Es gibt Alternativen. 

Ja, Elektroautos. Aber der Strompreis steigt zurzeit ebenfalls ...
Die Schweiz muss Strom importieren, vor allem im Winter. Dieser Strom wird aus Erdgas und Kohle hergestellt. Diese Preise steigen ebenfalls, Erdgas kommt auch aus Russland. 1974 gab es eine Ölkrise, dann 1982. Da war ich neu Autofahrer geworden. Damals kostete das Benzin rund 1.30 Franken. Ich habe das mit dem Konsumentenpreisrechner mit Ende 2021 verglichen. Wenn man 1982 nimmt und 1.30 Franken einsetzt, würde der Benzinpreis kaufkraftbereinigt heute 2.85 Franken kosten. Mit rund 2.05 Franken ist Benzin also immer noch günstiger als vor vierzig Jahren.

Wie ist die Haltung Ihres Verbands?
Die wichtigste Botschaft vorab: Es gibt kein physisches Versorgungsproblem. Man muss keine Angst haben, dass man nächste Woche nicht mehr tanken kann. Das Preisniveau können wir jedoch nur bedingt beeinflussen. Die Energie ist im Verhältnis immer noch günstig, auch wenn sie gefühlt stark gestiegen ist. Das ganze System funktioniert nach wie vor.

Wenn es jetzt zu einem Staatsbankrott in Russland kommt, das Land komplett abschmiert, es ein Embargo gibt – was hat das für Auswirkungen für den Schweizer Autofahrer?
Westeuropa ist abhängig von Gas und Öl aus Russland. Wenn es ein Embargo gibt, dann steigen die Preise massiv. Ich kann mir vorstellen, dass der Liter dann 3.00 Franken kosten könnte. Dann gibt es ernsthafte Versorgungslücken. Die Russen verkaufen ihr Öl dann einfach nach Ostasien oder nach China. Dann beziehen diese wieder von anderen Märkten. Deshalb wird es wohl kaum gemacht. Ansonsten würde auch sofort die Forderung nach einem Ausgleich durch den Staat kommen. 

In Deutschland gibt es Überlegungen, den Benzinpreis zu subventionieren. Wie sieht das in der Schweiz aus?
Der Staat müsste auf die Mineralölsteuer verzichten. Beim jetzigen politischen Klima in der Schweiz ist das kaum vorstellbar und hat politisch kaum eine Chance.