Calvin Grieder, CEO beim Technologiekonzern Bühler mit Hauptsitz in Uzwil SG, bringt die neuen Befindlichkeiten in Sachen Consulting auf den Punkt: «Die Mitarbeiter sollten externe Berater im besten Fall gar nicht wahrnehmen.» Consultants als Leisetreter und nicht mehr als laute Künder neuer Strategien – die Wirtschaft verlangt nach einem neuen Typus von Berater. Denn ob zu Recht oder zu Unrecht, die Consulting-Branche wird für die diversen Flops der jüngsten Vergangenheit wie etwa das Swissair-Debakel mit verantwortlich gemacht. Berater haben daher heute vielerorts ein Akzeptanzproblem. Und das vor allem bei Mitarbeitern, denen die Vorbeter von aussen oft mehr Probleme als Lösungen bescherten. Die Konsequenz: Nach Jahren stetiger Zuwächse backen auch Consultants kleinere Brötchen. 2002 ging der Branchenumsatz um 17 Prozent zurück.
Andererseits fehlen in vielen Firmen die Ressourcen und oft auch die Spezialkenntnisse, um einzelne Projekte kompetent aufzugleisen. BILANZ hat Verantwortliche aus verschiedenen Branchen angefragt, wie sie Consultants einsetzen und was sie für deren Akzeptanz tun.
Hier die Antworten von Pierin Vinzenz, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Raiffeisen-Gruppe, den vier CEOs Calvin Grieder, Bühler AG, Pius Baschera vom Befestigungskonzern Hilti, Kim Frimer von Sunrise und Peter Leumann von Jelmoli sowie dem Unternehmer Peter Spuhler, Geschäftsführer und Inhaber der Stadler Rail. Fazit: Wer Berater beizieht, nimmt sie an die kurze Leine.
Setzen Sie weiterhin auf externe Berater, um interne Prozesse zu begleiten?
Pierin Vinzenz: Grundsätzlich haben wir den Anspruch, unsere Prozesse und Projekte mit eigenen Leuten zu gestalten und umzusetzen. Dieses Vorgehen überfordert nicht, sondern motiviert die Mitarbeitenden. Bei spezifischen Themen, in denen wir kein eigenes Know-how aufbauen wollen, setzen wir auf externe Berater.
Calvin Grieder: Ja, wir werden externe Berater einsetzen, jedoch in begrenztem Mass und sehr gezielt. Die meisten Prozesse sind definiert und werden vom Management umgesetzt und begleitet.
Pius Baschera: Mit der Abteilung Konzernentwicklung verfügt Hilti über ein eigenes Beratungsteam, das einen Grossteil unseres Bedarfs an Beratungsleistung abdeckt. Hilti zieht nur im Ausnahmefall und sehr projektorientiet externes Beratungs-Know-how bei.
Kim Frimer: Sunrise wählt seine Berater sehr sorgfältig aus und setzt diese in hoch spezialisierten Bereichen ein. Im Management bevorzugen wir es, intern das nötige Know-how aufzubauen.
Peter Leumann: Ja, aber wie bisher sehr selektiv und nur lösungs- und umsetzungsorientiert.
Peter Spuhler: Die Stadler Rail Group hat bisher praktisch ohne Berater ihre internen Prozesse durchgeführt sowie die Organisation aufgebaut und gestrafft. Für die Zukunft sehen wir höchstens im Bereich Entwicklung in fremden Märkten Bedarf für Beratungsdienstleistungen.
Welche Erfahrungen hat Ihr Unternehmen mit Beratern gemacht?
Vinzenz: Abgesehen von den hohen Preisen, haben wir gute Erfahrungen gemacht mit unseren ausgewählten Beratern. Ihre Rolle war klar limitiert auf die Beratungsfunktion im Entscheidungsprozess.
Grieder: Externe Berater können den Horizont öffnen und eine Aussensicht in das Unternehmen hineintragen. Wir haben aber festgestellt, dass ein Verlass auf Berater auch enorme Risiken birgt. So wird oft das Selbstvertrauen der Mitarbeiter geschwächt, und es wird nur noch als gute neue Idee angesehen, was von aussen kommt. Allgemein gültige Rezepte von Beratern bringen für den konkreten Anwendungsfall oft wenig Fortschritte. Wir bemühen uns daher, die Aufgabe der Berater klar zu definieren.
Baschera: Da wir externe Berater jeweils sehr sorgfältig evaluieren, briefen und intern eng begleiten, haben wir bis jetzt vorwiegend positive Erfahrungen gemacht.
Frimer: Wir konnten kurzfristig und für zeitkritische Projekte auf erfahrene Berater zurückgreifen, wo es wenig Sinn gemacht hätte, intern das entsprechende Know-how aufzubauen.
Leumann: In dem von uns klar gesteckten Rahmen, in welchem wir die Kontrolle über die Projekte jederzeit selbst in den Händen halten, haben wir durchwegs positive Erfahrungen gemacht.
Spuhler: Wir haben die Firma praktisch ohne Berater aufgebaut. In meiner Arbeit als Verwaltungsratsmitglied anderer Unternehmen hatte ich jedoch einige Kontakte zu Consulting-Unternehmen. In vielen Fällen fehlt den Beratern die Praxiserfahrung, und viele Ansätze wirken zwar optisch auf der Folie gut, sind aber weltfremd und nur schwer realisierbar.
Worin sehen Sie den Nutzen externer Beratung für Ihr Unternehmen?
Vincenz: Erfahrene Berater mit Branchenkenntnissen können neue Denkansätze einbringen und eine gewisse Neutralität in den Entscheidungen sicherstellen.
Grieder: Der wesentliche Beitrag liegt in der externen Betrachtung von Problemen und in der Möglichkeit, mehrere Lösungen abzugleichen.
Baschera: Externe Beratung ermöglicht uns, unternehmensstrategische Aspekte von einem unabhängigen Dritten prüfen und hinterfragen zu lassen. Zudem bietet uns externe Beratung Zugriff auf Fachwissen, das im Unternehmen aus Effizienz- und/oder Auslastungsgründen auf Dauer nicht bereitgehalten werden kann.
Frimer: Es macht Sinn, für zeitkritische Projekte kurzfristig auf Berater und ihr Know-how zurückzugreifen.
Leumann: Die engagierten Berater bringen Spezial-Know-how auf hohem Niveau mit, das wir intern nicht haben – etwa bei Steuern, komplizierten und wichtigen Rechtsfragen, Marktforschung, Werbung, Liegenschaftenbewertung, Second Opinions für uns intern oder in Konfliktsituationen.
Spuhler: Wenn sich Stadler entschliessen sollte, in einen neuen Markt auf einem neuen Kontinent vorzustossen, brauchen wir Unterstützung von Beratungsunternehmen, die in diesem Markt tätig sind. Sie können uns den Start vereinfachen.
Nach diversen Flops in der jüngsten Vergangenheit haben Berater heute ein grösseres Akzeptanzproblem bei den Mitarbeitern ihrer Kunden. Wie lösen Sie in Ihrem Unternehmen dieses Problem?
Vincenz: Leute, die etwas bewegen wollen, machen Fehler. Das gilt für unsere Mitarbeitenden, aber auch für Berater. Akzeptanz holt sich der Berater durch seriöse und kompetente Mitarbeit. Die Verantwortung tragen der Projektleiter und der Auftraggeber im Unternehmen. Sie entscheiden. Daher wäre es etwas billig, alle Flops den Beratern zuzuschieben.
Grieder: Wir holen den Input – wenn nötig – bei externen Beratern und übernehmen die Umsetzung selbst. Die Mitarbeiter sollten die Berater im besten Fall gar nicht wahrnehmen. Für jedes Change-Projekt haben wir interne Projektleiter, die auch für die Umsetzung und das Monitoring verantwortlich sind. Das Management verfolgt den Projektverlauf.
Baschera: Eine Voraussetzung für grösstmöglichen Nutzen aus externer Beratung ist die enge Begleitung durch den Auftraggeber. Da wir diesen Aspekt besonders beachten, stellen wir in unserem Unternehmen kein Akzeptanzproblem fest.
Frimer: Sunrise achtet darauf, erfahrene und ausgewiesene Spezialisten anzustellen. Diese geniessen eine hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitern.
Leumann: Die Flops sind in erster Linie in Strategieberatungen vorgekommen, wo ein hilfloses Management keinen Ausweg aus einer schwierigen Situation gesehen und sich von nicht fundierten Beraterhöhenflügen hat verleiten lassen. Wir beurteilen die Vorschläge der Berater kritisch. So haben wir schon gute Ideen erhalten, aber auch viel Beraterlatein – zum Glück – bachab geschickt. In jedem Fall muss der Auftraggeber den Beratungsprozess selbst hauteng steuern und die Resultate jederzeit kritisch würdigen. Sonst besteht Absturzgefahr.
Spuhler: Aus meiner Sicht muss sich der Berater über seine Kompetenz, Erfahrung sowie auch sein soziales Einfühlungsvermögen die Akzeptanz bei Mitarbeitern und dem Kader holen. Arrogantes Auftreten wird nicht geschätzt und hat ja in der Vergangenheit zu Flops geführt.