Not macht bekanntlich erfinderisch: In der Krise hat die Swiss Geschmack an ihrem Zweitgeschäft, neben der Passagierbeförderung, gefunden: dem Gütertransport. «In normalen Zeiten trägt unser Cargo-Geschäft 10 bis 15 Prozent zu den Umsätzen der Swiss bei, aktuell sind es natürlich deutlich mehr», sagt Ashwin Bhat, Cargo-Leiter der Swiss, also der Mann der Stunde.
Wie viel mehr, will Bhat nicht sagen. Doch weil der grösste Teil der Passagierflotte parkt, dürfte dieser Anteil je nach Tagesform zwischen 50 und 80 Prozent der Einnahmen liegen.
Denn einerseits ist das Frachtaufkommen, verglichen mit Vor-Corona-Zeiten, derzeit gering; pro Woche fallen 700 bis 800 Tonnen an, rund ein Fünftel der üblichen Mengen. Doch andererseits hat die Swiss bis Ende Mai immerhin rund 375 reine Frachtflüge durchgeführt.
Ein grosser Teil der Langstreckenflotte, genau 19 Maschinen von insgesamt 26, sind in Cargo-Missionen unterwegs, fast ausschliesslich interkontinental – zusätzlich zum ausgedünnten Angebot an Linienflügen, auf denen im Bauch der Flieger ebenfalls Fracht befördert wird.
In Kabine von Hand verstaut und gesichert
Nun baut Swiss zudem aus vier der grossen Boeings die Sitze der Economy-Klasse aus. Damit können in diese Flieger zwölf Tonnen mehr Gewicht, vor allem aber 50 Prozent mehr Volumen, eingeladen werden.
Weil die üblichen Frachtpaletten nicht durch die Türen passen, müssen alle Transportboxen von Hand verstaut und gesichert werden. Oben darf die Swiss aber nur medizinisches Equipment einladen, alles andere muss ins Unterdeck.
Der reine Ausbau der Sitze dauert nur rund zwei Stunden, doch inklusive Zusatzarbeiten und Papierkram mehrere Tage. Die Umbaukosten möchte Bhat nicht beziffern, aber sie sollen nach rund zehn Frachtflügen amortisiert sein. Zwei Mal wöchentlich trifft Bhat derzeit die Geschäftsleitung um CEO Thomas Klühr.
Nun steht fest, wie wir trotz Corona reisen: Flughafen Zürich, Polizei und Swiss stellen ihre Konzepte vor. Mehr dazu hier.
Neue Frachtrouten nach Toronto und Shenzhen
Neben den wichtigsten Frachtrouten, vor allem Shanghai, aber auch Peking, Tokio, Singapur oder Delhi, hat Swiss zum Gütertransport auch neue Routen eingerichtet, etwa nach Toronto oder in Chinas Wirtschaftszone Shenzhen. Flieger der Edelweiss landeten in Kinshasa, Jerewan oder San Salvador. Solche neuen Routen erfordern etwa eine Woche Vorbereitung.
Die Swiss fühle sich der exportorientierten Schweizer Wirtschaft verpflichtet, sagt Bhat, schliesslich verlässt normalerweise ein Drittel der Ausfuhren die Schweiz auf dem Luftweg. Aber – die reinen Frachtflüge finden nur statt, sofern die Kosten gedeckt sind. Auf einem Hin- und Rückflug «benötigen wir einen Ladefaktor von insgesamt 80 bis 85 Prozent, damit sich ein Flug rechnet», sagt Bhat. Die Maschinen müssen also gut ausgelastet sein. Das sind sie offensichtlich.
Nicht zufällig sind einige der ersten Langstreckenziele, wenn Swiss im Juni ihr Flugprogramm hochfährt, zugleich wichtige Frachtflughäfen. Cargo ist derzeit beliebt wie nie.