Eine Investition in gedruckte Tageszeitungen? Im Jahre des Herrn 2013? Druckerschwärze und tote Bäume im Zeitalter von Facebook und Twitter? Da muss man wohl ein Dummkopf sein. Oder hoffnungslos romantisch. Oder Warren Buffett heissen. Dessen BH Media Group, Tochterfirma der legendären Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway, übernahm mit dem Lokalblatt «Tulsa World» (Auflage: 95 000 Exemplare) eben eine weitere Tageszeitung. Ende Januar hatte die Investmentlegende schon die Lokalzeitung «Greensboro News & Record» in North Carolina gekauft und sein Medienimperium auf 27 lokale und regionale Tageszeitungen sowie 269 Printpublikationen ausgebaut.

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Der blanke Irrsinn? Was mag den Starinvestor aus Omaha mitten in der tiefen Medienkrise, da Tageszeitungsverlage immer mehr zu Pflegefällen werden, geritten haben?, fragten sich viele. Doch die erste Verwunderung wich schnell der Neugierde. Buffett ist schliesslich nicht irgendwer, sondern ein 41 Milliarden Dollar schwerer Guru, ein Mann mit goldenem Händchen.

Der Meister selbst war früher ausgesprochen skeptisch. So unkte er noch vor vier Jahren, dass er Zeitungen zwar liebe, aber die Industrie keine vielversprechende Zukunft vor sich habe. Im Gegenteil: Die Leute würden sich zu Informationszwecken verstärkt Online-Quellen zuwenden. Mit Konsequenzen für die schöne Welt der gedruckten Zeitungen.

Tatsache ist: Die US-Verlage schrecken im Wochentakt mit Krisenmeldungen in eigener Sache auf. Gannett Company, Eignerin der Tageszeitung «USA Today», informierte kürzlich das Personal darüber, dass jeder Mitarbeiter eine Woche unbezahlte Ferien zu nehmen habe. «Jetzt stehen wir wie die Autobranche da», maulte ein ehemaliger Herausgeber. Viel stärker noch als in Europa haben Amerikas Verlage mit schwindenden Erlösen zu kämpfen. Die durchschnittlich verkaufte tägliche Auflage schrumpfte auf noch 44 Millionen Exemplare. 14 Regionalzeitungen gingen seit 2007 ein.

Verzweifelt hofften viele Verleger auf reiche Unternehmer als «weisse Ritter». Die «New York Times» erhielt eine Kapitalspritze vom mexikanischen Multimilliardär Carlos Slim. Zuvor hatte der russische Oligarch Alexander Lebedew die Mehrheit der britischen Tageszeitung «Evening Standard» übernommen, ein Jahr später die Zeitungen der Independent-Gruppe. Ein Prinzip mit Tradition: Seit je waren Zeitungen ein Spielzeug für Reiche und solche, die politisch Einfluss nehmen wollten. Doch viele Investoren, selbst jene mit tiefen Taschen, haben sich mit dem Tageszeitungsgeschäft die Finger verbrannt. Der Immobilien-Tycoon Sam Zell hatte noch im April 2007 rund 8,2 Milliarden Dollar für den Zeitungsverlag Tribune Company hingeblättert – ein gutes Jahr später trat das Unternehmen den Gang zum Konkursrichter an. Rupert Murdoch verlor mit der «New York Post» ein Vermögen und zahlte für das «Wall Street Journal» einen völlig überhöhten Preis. Auch der Baulöwe Mort Zuckerman ist mit seinem Einstieg bei der «New York Daily News» nicht glücklich geworden.

Wichtige Institution. War es also vor allem eine sentimentale Anwandlung, die Warren Buffett dazu trieb, im Herbst 2011 für 150 Millionen Dollar die Zeitungsgruppe Omaha World-Herald Company seines Heimatorts zu übernehmen? «Das Unternehmen wirft mit seinen sieben Tageszeitungen solide Gewinne ab und ist eine der am besten geführten Mediengruppen in Amerika», versuchte Buffett den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Um zu versichern: «Ich bin der Auffassung, dass Zeitungen eine ordentliche Zukunft haben. Es wird nicht wie in der Vergangenheit sein. Aber es gibt viele Dinge, die Zeitungen besser hinkriegen als andere Medien.» Monate später untermauerte er sein Plädoyer, indem er für 142 Millionen Dollar 63 Lokal- und Regionalblätter des US-Medienunternehmens Media General im Südosten der USA übernahm. Es war nicht genug: «Wir werden noch mehr Zeitungen kaufen.»

Zu «Newspapers» hatte der Milliardär von jeher ein besonderes Verhältnis. Seine ersten Dollars verdiente er als Zeitungsausläufer der «Washington Post». 1973 stieg er mit zehn Prozent bei der Hauptstadt-Gazette ein und hatte bis 2011 die Leitung des Verwaltungsrats inne. «Es sind viele Erinnerungen, die mich mit der ‹Post› verbinden», gibt der Mega-Investor, der viele Jahre eng mit Verlegerin Katharine Graham befreundet war, unumwunden zu, «deshalb käme es für mich nie in Frage, meine Anteile zu verkaufen.» Seit Jahrzehnten ist er zudem im Besitz der «Buffalo News».

Aus der Zeit als Zeitungsausträger stammt wohl auch seine Fähigkeit im Falten und Werfen von Zeitungen, die er zuletzt beim jährlichen Investorentreffen unter Beweis stellte, als er mit schwungvoller Nonchalance Zeitungen zunächst faltete und dann voller Elan ins Publikum schleuderte. Das Ganze natürlich im passenden Outfit und mit dem Song «I’m Only a Paperboy» auf den Lippen, einer humoristischen Umwandlung des Titels «It’s Only a Paper Moon».

Erklärt diese Affinität zum gedruckten Wort aber allein, warum Buffett ausgerechnet zu einer Zeit, da die elektronischen Medien den Tageszeitungen das Leben immer schwerer machen, auf die alten Print-Dinosaurier setzt? Der alte Fuchs erklärt sich sein Investment so: «In Orten mit starkem Gemeinschaftsgefühl gibt es keine wichtigere Institution als die Lokalzeitung.» Zeitungen hätten demnach eine gute Zukunft, wenn sie Informationen lieferten, die man nirgends sonst finde. Auch nicht im Internet.

Welche Infos das genau sein sollen – darüber schweigt sich der Super-Anleger aus. «Das ist nicht mein Job, da pfusche ich den Profis nicht ins Handwerk. Ich habe keine Geheimformel.» Aber offenbar gebe es ja immer noch eine Nachfrage nach der geliebten Morgenzeitung zum Frühstück. Auch wenn sie in Zukunft doch auf dem iPad oder als Smartphone-App ausgeliefert werde. Wie er das Geschäft angehen will, darüber ist sich Buffett durchaus im Klaren: «Es gibt in Amerika über 1400 Tageszeitungen. Das Gute ist, dass jemand die Antwort finden wird, wie der ideale Mix aus Print und Online aussehen wird – und dann können wir ihn einfach kopieren!» Pragmatismus à la Warren Buffett.

Langer Atem. Selbst angesehene Wall-Street-Profis scheinen von dieser Strategie überzeugt zu sein. Und natürlich von Buffetts langem finanziellem Atem. «Berkshire Hathaway erbringt mit den jüngsten Deals einen deutlichen Vertrauensbeweis für die Regionalzeitungen», sagt Edward Atorino, Analyst bei Benchmark Capital. «Buffett hat mit Sicherheit kein Fehlinvestment getätigt», meint auch John Morton, Präsident des Analysehauses Morton Research. Springt die Konjunktur wieder an, so ihr Kalkül, werden auch Auflage und Werbeeinnahmen der Zeitungen wieder steigen.

Die jüngsten Mediendaten sprechen für diese Annahme. Nach Angaben des Audit Bureau of Circulations stieg die Auflage der US-Tageszeitungen 2012 wieder leicht. Mit bemerkenswerten Folgen: Die lange defizitäre «New York Times» erzielte im letzten Quartal des vergangenen Jahres einen Gewinn von 0.76 Dollar pro Aktie. Auch das Papier von Gannett, Herausgeber der «USA Today» und vieler Regionalzeitungen, wird derzeit gleich von vier Analysten zum Kauf empfohlen. Besonders positiv schätzen die Experten die Aussichten der «Washington Post» ein. Nach Analystenkonsens wird der Verlag 2013 genug verdienen, um eine üppige Dividende von 9.80 Dollar zu zahlen – so etwas gab es lange nicht mehr.

Hat das «Orakel von Omaha» also wieder ein Näschen für lukrative Geschäfte bewiesen? «Meine Entscheidung für ein verstärktes Engagement im Tageszeitungsgeschäft ist keineswegs emotional», versichert Buffett. «Klar geht es hier im Vergleich zu anderen Investments von Berkshire Hathaway nicht um gewaltige Summen. Aber Geld verlieren wollen und werden wir auf keinen Fall.»