Kuno Sommer weiss, was Finanzanalysten und Journalisten gerne hören: Ehrgeizige Ziele, starkes Wachstum, hohe Rendite, innovative Produkte, volle Pipeline. Der CEO der Berna Biotech hat in den letzten vier Jahren immer wieder solche Wörter in den Mund genommen, von einem tief greifenden Umbau des einstigen und traditionsreichen Serum- und Impfinstitutes geredet und kühne Prognosen für die neue Berna in die Welt gesetzt.

An diese Prognosen glaubt heute kaum einer mehr. Die Aktie befindet sich auf einem Allzeittief, sie liegt klar unter dem Buchwert des Unternehmens. Vor ein paar Wochen musste Sommer eingestehen, dass die Firma eineinhalb Jahre Verspätung auf die eigene Marschtabelle hat. Diese lautete: 400 Mio Fr. Umsatz und mehr als 20% Ebitda-Marge im 2005. Die Realität sieht anders aus. Das Kerngeschäft - Hepatitis-B- und Kinder-, Grippe- und Reiseimpfstoffe - kommt nur scpend voran, nach sechs Monaten im 2004 blieben die Verkäufe deutlich unter den Erwartungen. Investitionen in neue Produktionsanlagen und in die Forschung treiben die Kosten in die Höhe. Unterm Strich führt das in diesem Jahr zu roten Zahlen. Und: «Die Profitabilität dürfte auch 2005 ausser Reichweite bleiben», schätzt Vontobel-Analyst Tilman Dumrese. Dieser Ansicht ist auch Birgit Kulhoff von Sal. Oppenheim.

Daueroptimist Sommer mag dies nicht kommentieren, er sagt nur: «Mag sein, dass wir aus heutiger Sicht zu optimistisch und zu aggressiv kommuniziert haben. Wir fokussieren jetzt unsere Kommunikation stärker auf Facts und Figures im Hier und Jetzt.»

Tatsächlich haben sich seine Prognosen in der Vergangenheit wiederholt als falsch herausgestellt. Erst kam vor zwei Jahren der Flop mit dem Grippespray Nasalflu. Das Medikament hätte im nächsten Jahr 100 Mio Fr. einbringen sollen. Stattdessen spricht heute nach dem freiwilligen Rückzug des Produkts keiner mehr von Nasalflu. Dann kamen die Probleme mit den veralteten Anlagen bei Epaxal (Hepatitis A) und Vivotif (Typhus). Berna konnte die Produkte mehr als ein Jahr lang nicht mehr verkaufen. Und in diesem Jahr sind zwei von drei geplanten Neueinführungen auf 2005 verschoben worden.

*Leere Forschungspipeline*

Auch in der Forschungspipeline gibt es Rückschläge. Die ursprünglich für 2004/2005 geplante Lancierung von Aerugen, einem Impfstoff gegen eine seltene Stoffwechselkrankheit, findet frühestens 2006 statt. Die Kombinationsimpfstoffe gegen Hepatitis-B dürften erst 2006 statt 2005 auf den Markt kommen, was von all dem am gravirendsten wiegt. Die Kombipräparate haben ein Potenzial von 100 Mio Fr. Und schliesslich MMR, das Kombipräparat ggegen Masern, Mumps und Röteln: Es kommt im besten Fall zwei Jahre später als geplant auf den Markt - wenn überhaupt.

Präzisere Informationen rund um die Pipeline hätte der für September vorgesehene Investorentag liefern sollen. Doch Berna hat ihn auf Januar 2005 verschoben, weil es zurzeit keine News gibt. Bis dann sollen die Studienergebnisse aus der Phase III bei Aerugen und dem Hepatitis-B-Kombinationsimpfstoff vorliegen.

«Von diesen Resultaten hängt die Glaubwürdigkeit des Managements ab», sagt die Analystin Kulhoff. Dem pflichtet CEO Sommer bei: «Ohne Kombiimpfstoffe verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit in den Entwicklungsmärkten.» Dieses Produkt hatte Berna via Akquisition der Rhein Biotech erworben.

Erstaunlich ist bei all dem, dass der Verwaltungsrat das Management nach wie vor in höchsten Tönen lobt. «Es ist ein engagiertes Management, ein eingespieltes Team, und es hat das volle Vertrauen des Verwaltungsrates», sagt Peter Giger, VR-Präsident von Berna. Der Zustand der Firma sei gut, sie verfüge über solide Finanzen; nur das operative Geschäft leide. Für Giger steht Berna in der letzten Phase des Turnaround. Das Management unter Kuno Sommer verfügt nach vier Jahren - von aussen gesehen - jedoch über keinen zählbaren Leistungsausweis.

Viel geleistet haben dafür die Aktionäre: Sie sagten ja zu zwei Kapitalerhöhungen und zahlten auf diese Weise 230 Mio Fr. in die Kasse von Berna. Parallel dazu erlitten ihre Papiere einen Kursrückgang seit 2001 um über 70%. Ohne die durch Terrorangst ausgelösten Pockenimpfstoff-Verkäufe - sie spülten weitere 250 Mio Fr. in die Kasse - wäre Berna längst am Ende.

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