«Ich hätte erwartet, dass sich Berna Biotech mit einem profitableren Unternehmen zusammentun würde», sagt Thomas Thaler, Finanzanalyst der Bank Julius Bär. Crucell NV musste 2004 bei einem Umsatz von 22,6 Mio Euro einen Verlust von 21,3 Mio Euro hinnehmen. Die Firma ist aber an der Börse 45mal so hoch eingestuft. Der Börsenwert von über 900 Mio Euro beruht auf Zukunftsversprechungen und dem innovativen Potenzial.

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Kuno Sommer, CEO der Berna Biotech und künftiger CBO der Crucell, hat keine Bedenken, einer Biotechnologie-Blase aufzusitzen. «Wir haben Crucell sehr genau angeschaut», betont er. Die Firma zähle auf kritische Investoren, die auf wertvolle Technologien setzten.

Technologie mit Zukunft

Die Holländer haben, wie Branchenkenner versichern, eine viel versprechende Zelltechnologie für die Produktion diverser Impfstoffe in der Pipeline. Sommer spricht von einem «technischen Quantensprung, der die Impfstoffherstellung völlig revolutionieren wird». Als künftige Lizenznehmer zeichnen sich Firmen ab, die zu den Grossen in der Branche gehören. Bereits gibt es Vereinbarungen mit Sanofi Aventis und Glaxo SmithKline.

Daneben erforscht Crucell auch Impfstoffe etwa gegen Ebola, Grippe und Malaria. Berna seinerseits bringt ein breites Impfstoff-Portfolio mit. Der grösste Posten, den Crucell in die Waagschale werfen kann, ist die grosse Finanzkraft.

Unbekannte Grösse

Nebst der hohen Marktkapitalisierung kommen in einer Pro-forma-Bewertung per Mitte 2005 rund 350 Mio Fr. liquide Mittel für beide Unternehmen zusammen. Genug Geld also, um eine gewisse Durststrecke zu überwinden. «Man muss uns zwei bis drei Jahre Zeit geben, damit wir das aktuelle Innovationspotenzial in neue Produkte umsetzen können», antwortet Sommer auf die Frage, wann denn bei Crucell/Berna mit schwarzen Zahlen zu rechnen sei.

Für die Schweizer Analysten ist Crucell weitgehend eine unbekannte Grösse. «Am wahrscheinlichsten ist es, dass sich hier zwei Kleine zusammentun, um sich für einen Grösseren schön zu machen», schätzt Patrick Laager, Analyst der Bank Vontobel. Die kritische Masse sei auch nach der Übernahme noch nicht da. Tatsache ist, dass Berna mit 204 Mio Fr. Umsatz 2004 gerade mal auf 2% Marktanteil kam. Das Weltmarkt-Volumen bei den Impfstoffen beträgt 9 Mrd Dollar, das jährliche Wachstum wird auf 10 bis 15% geschätzt. Mit Epidemien wie der drohenden Vogelgrippe könnte die Wachstumskurve allerdings steil ansteigen.

GlaxoSmithKline und Sanofi-Aventis mit je 25% Marktanteil dominieren im Moment das Impfstoffgeschäft, vor Wyeth (18%), Merck (12%) und Chiron/Novartis (8%). Als mögliche spätere Käufer von Crucell/Berna kommen prinzipiell alle Konkurrenten in Frage. Auch wenn Lager einschränkt: «Die Grossen haben die meisten Impfstoffe, die Berna führt, bereits im eigenen Portfolio.»

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Nachgefragt: «Eine Heirat zwischen Old und New Economy»

Das holländische Biotechunternehmen Crucell hat ein Übernahmeangebot an die Adresse des Impfstoffherstellers Berna Biotech angekündigt. Der bisherige Berna-CEO Kuno Sommer soll als künftiger Chief Business Officer (CBO) der Crucell NV für den Verkauf sorgen.

In der Regel schnappen die Grossen die Kleinen. Warum läuft es hier gerade umgekehrt? Es stimmt zwar, dass bezüglich Umsatz, Zahl der Mitarbeiter und operationelles Geschäft die Berna Biotech grösser ist als die Crucell. Wirtschaftlich hingegen ist ganz klar die Crucell die Stärkere. Deren Bewertung an der Börse ist dreimal höher als diejenige der Berna. Sowieso relativiert sich die Frage, wer grösser oder kleiner ist, wenn zwei Unternehmen zusammenkommen, von denen das eine zur Old Economy gehört und mehr auf Grund der heutigen Umsätze bewertet wird, und das andere ein New-Economy-Unternehmen ist, das vor allem auf Grund der zu erwartenden künftigen Umsätze bewertet wird.

Das Übernahmeangebot der Crucell ist an die Bedingung geknüpft, dass mindestens 67% der Berna-Aktien angedient werden. Glauben Sie, dass dies bis zur wahrscheinlichen Frist am 20. Januar 2006 passieren wird? Oder rechnen Sie mit einem Störmanöver? Wir sind zuversichtlich, dass alles reibungslos über die Bühne gehen wird. Letztlich werden aber die Berna-Aktionäre entscheiden.

Mit Berna und Crucell kommen zwei Unternehmen zusammen, die im letzten Jahr tiefrote Zahlen geschrieben haben. Gehen die Verantwortlichen davon aus, dass Minus mal Minus automatisch ein Plus ergeben wird? Es geht bei den Synergien, die wir uns erhoffen, nicht einfach um Kostenreduktionen, sondern um bessere Perspektiven im Wachstumsbereich. Die zwei Firmen bringen dazu ein unterschiedliches Potenzial mit unterschiedlichen Technologien mit. Crucell braucht Markt- und Produktionserfahrung, sprich Hardware, die Berna eine viel versprechende Entwicklungspipeline, sprich Software. Zusammen verfügen die beiden Firmen über genügend finanzielle Mittel, um das Wachstum selber finanzieren zu können.

In der Branche wir gemunkelt, die Übernahme der Berna durch die Crucell sei nur eine Zwischenetappe. Früher oder später werde ein Grosser anbeissen? Wir glauben, dass wir die Grösse haben, um aus eigener Kraft weiterzukommen. Gleichzeitig werden wir natürlich als potenzieller Partner attraktiver.