Wie sieht die internationale Strategie von Cartier für die nächsten Jahre aus? Werden Sie Uhren und Schmuck gleich stark fördern?

Bernard Fornas: Beide Gebiete sind für uns sehr wichtig. Bezüglich der Kreativität haben Uhren bei uns einen grossen Stellenwert; sie werden deshalb stark gefördert.

... und Schmuck?

Fornas: Im Schmucksektor sind die Entwicklungsmöglichkeiten besonders gross, da der Markenschmuck heute lediglich etwa 10% des gesamten Schmuckmarktes abdeckt. In den übrigen 90% liegt ein grosses Potenzial, weshalb dieser Markt von allen Seiten - etwa auch von den Modefirmen - sehr stark bearbeitet wird.

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Wie schützen Sie sich vor konjunkturellen Schwankungen?

Fornas: Wir sind nicht von einer Region und von einem Produkt abhängig. Man könnte sagen, dass Cartier zehn Arme und fünf Beine hat. Wir sind in zehn Produktkategorien involviert und auf allen fünf Kontinenten stark vertreten. Somit können wir Schwankungen gut auffangen. Wenn es auf einem Kontinent einmal nicht so gut läuft, wie momentan in Europa, können wir das an anderen Orten kompensieren. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beispielsweise war der Markt in den USA schwierig, dafür lief es in Asien gut. Unsere Stärke ist einerseits unsere geografische Verbreitung sowie Präsenz und anderseits unsere Diversifizierung in zahlreiche Produktgruppen. Als es eine Zeit lang flau auf dem Uhrenmarkt war, konnten wir diese Schwäche auf dem Schmucksektor ausgleichen.

Ist der europäische Markt mittlerweile nicht ausgereizt?

Fornas: Nein, das glaube ich nicht. Im Vergleich zum Jahr 2001, als noch Millionen von Touristen nach Europa kamen, steckt der Markt zwar in einer Krise, aber das wird nicht immer so bleiben. Diese Krise hat auch ihr Gutes. Sie hat uns gezwungen, uns wieder vermehrt auf die einheimischen Kunden zu konzentrieren, um von den Touristen unabhängiger zu werden.

Werden Sie den geografischen Schwerpunkt in den nächsten Jahren eher Richtung Europa oder Richtung neue Märkte wie etwa China legen?

Fornas: Europa ist zurzeit etwas schwierig, ich glaube aber, dass sich das in Zukunft wieder ändern wird. In China sind wir schon seit einiger Zeit stark vertreten, deshalb ist dies für uns kein neuer Markt. Im Luxusgütermarkt sind wir dort die Nummer eins, und wir betreiben mittlerweile zehn Boutiquen in China. Ende dieses Jahres werden es 18 Boutiquen sein, in zwei bis drei Jahren rund 30. Das wird dann dem Stand unseres Netzwerkes in den USA oder in Japan entsprechen. Russland ist ein neuer Markt, in dem wir sehr stark sind. Auch Indien haben wir im Auge.

In welchem Zeithorizont werden Sie diese neuen Märkte wie Russland oder Indien erschliessen?

Fornaz: Bis Ende dieses Jahres werden wir in Russland fünf Boutiquen haben, doch ist dort noch Potenzial für eine weitere Expansion vorhanden. Zudem sind für uns nicht nur die einheimischen Kunden interessant, sondern ebenso die russischen Touristen, die bereits auf der ganzen Welt zu unseren Kunden zählen. Indien könnte ein weiterer Markt für uns werden. Cartier ist dort seit längerem sehr bekannt nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Schmuckstücke, die wir in vergangenen Jahrzehnten für verschiedene Maharadschas angefertigt haben. Eine Schwierigkeit besteht in Indien zurzeit noch darin, geeignete Standorte für Boutiquen zu finden. Die Infrastruktur ist vielerorts noch unterentwickelt.

Ist es denkbar, dass Sie Ihre Produktionsstätten vermehrt von Europa nach Asien verlegen, dass Sie also näher an den neuen Märkten produzieren?

Fornas: Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir sehr zufrieden mit unseren europäischen Produktionszentren. Der ideale Produktionsort hängt immer mit der Quantität der produzierten Stücke zusammen. Unsere Uhren werden in der Schweiz zu guten Konditionen hergestellt. Wegen der relativ kleinen Stückzahlen sind sie in der Schweiz sogar günstiger zu produzieren, da uns das hier vorhandene Know-how eine hervorragende Qualität garantiert.

Und wie sieht das für die Schmuckproduktion aus?

Fornas: Beim Schmuck liegen die Durchschnittspreise höher als bei den Uhren, doch auch hier stimmt zurzeit das Kostenverhältnis. In unseren Produktionszentren in Frankreich arbeiten ausgezeichnete Schmuckkünstler und -handwerker, die in den letzten 20, 25 Jahren viel Erfahrung gesammelt haben. Es dürfte schwierig sein, etwa in Asien Schmuckhersteller zu finden, die in der Lage sind, die teilweise sehr anspruchsvollen Pavés für uns anzufertigen, da ihnen auf diesem Sektor die Erfahrung fehlt.

INTERVIEW: KATRIN BACHOFEN

Kam von Guerlain

Steckbrief

Name: Bernard Fornas

Geboren: 1947

Ausbildung: Ecole Supérieure de Commerce de Lyon; MBA Northwestern University

Funktion: Kam 1984 von Guerlain als Marketingdirektor zu Cartier; seit November 2002 CEO von Cartier International, Genf