Der Job an der Seitenlinie ist einer der stressigsten der Welt: ein paar schlechte Spiele, und der Trainer ist weg.

Besonders belastend muss dies für einen Mann mit derart hohem Pflichtbewusstsein wie Ottmar Hitzfeld sein. Er, der die Fehler zunächst bei sich selber sucht. Er, der die Angst vor dem Versagen als «Antriebsfeder» sieht. Er, der ein Spiel erst geniessen kann, wenn es in der 80. Minute drei zu null für ihn steht – um dann aber nachzuschieben, die 81.  Minute sei zwar schon noch gefährlich …

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Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass das Stresshormon Cortisol bei einem Trainer kurz vor der Halbzeitpause am höchsten ist. Dann, wenn die kurze Chance einer Einflussnahme für den Trainer besteht, mit der Rede in der Kabine. Hohe Cortisolwerte machen krank, schwächen etwa die Immunabwehr.

2004, nach fast zwanzig Jahren als Trainer, hatte Hitzfeld ein Burnout. Nach den anstrengenden Jahren bei Borussia und den Bayern fühlte er sich, sagt er, «ausgebrannt und verbraucht». Man sah es ihm auch an: tiefe Furchen im Gesicht, ein gequältes Lächeln um den Mund, den Mantelkragen stets hochgeschlagen, «wie ein Schutzsuchender» («Der Spiegel»). Als Ex-Fussballer war Hitzfeld im Grund sportlich und hielt sich auch fit, doch seine Konstitution war anfällig. 1994 etwa erlitt er einen Darmdurchbruch.

Die vorzeitige Vertragsauflösung bei den Bayern nahm er als Chance, bewusst eine Auszeit zu nehmen. Das Angebot, die deutsche Nationalmannschaft an die WM 2006 zu führen, schlug er «auch aus gesundheitlichen Gründen» aus. Die zweieinhalb Jahre weg von der Seitenlinie taten ihm sichtlich gut: Er wirkte sofort entspannter. «Ich war glücklich. Auch darüber, keinen Job zu haben», sagte er der «Weltwoche».

Den Stress abbauen helfen ihm Entspannungsübungen und autogenes Training, das er seit 30 Jahren praktiziert. Aber auch der Rückzug ins traute Heim, seine Burg, wie er sagt, und die Entspannung im Kreis der Familie: «Einfach mal im Kamin ein schönes Feuer machen.»

Ein weiterer wichtiger Schritt kam, als er 2008 beschloss, fortan auf das stressige Leben eines Clubtrainers zu verzichten. Auf die finanziellen Lockrufe von Real Madrid oder Milan ging er nie ein. Das Angebot, die Schweizer Nationalmannschaft zu trainieren, passte indes in sein neues Lebenskonzept: Der leidenschaftliche Fussballmensch kann machen, was er am liebsten tut und auch am besten kann – ein Team trainieren. Bloss hat er nicht mehr 70 oder mehr Spiele pro Jahr, sondern nur noch ein gutes Dutzend. Er habe heute als Trainer der Schweizer Mannschaft mehr Lebensqualität als in seiner Zeit als Clubtrainer. Doch das Pflichtbewusstsein ist unverändert hoch: «Ich bin nicht blauäugig. Ich weiss, der Erfolg muss da sein.»