Das juristische Umfeld für Unternehmen wird immer komplexer», sagt Thomas Pletscher, der beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse das Dossier Corporate Governance und Unternehmensrecht betreut. Besonders gestiegen seien die Anforderungen, weil in den vergangenen Jahren das Wettbewerbsrecht und die Massnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäscherei verschärft worden seien. Seit kurzem gebe es zudem einen Artikel im Strafgesetzbuch, wonach sich auch Unternehmen und ihre Organe strafbar machen können.

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Die Verschärfung der Gesetze zwingt Unternehmen, die möglichen Risiken vorausschauend abzuklären. Eine Unternehmensjuristin, die anonym bleiben möchte, zur «Handelszeitung»: «Die Prävention ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Schliesslich braucht die Umsetzung von Ideen immer auch einen rechtlich konformen Rahmen.»

Grösseres Vertrauen

Unternehmensjuristen, die über ihre Aufgaben bei der Einhaltung der Regeln (Compliance) sprechen, erwähnen immer wieder, wie wichtig es sei, ein Vertrauensverhältnis innerhalb eines Unternehmens aufzubauen. Die bereits erwähnte Juristin: «Wenn die Betroffenen wissen, dass sie einem Anwalt gegenübersitzen, ist das Vertrauen in die betreffende Person viel grösser.»

Was die meisten jedoch nicht wissen: Juristen, die für Unternehmen tätig sind, können sich nicht auf das Anwaltsgeheimnis berufen, wie es für frei praktizierende Anwälte gemäss Artikel 321 des Strafgesetzbuches (StGB) gilt. Untersuchungsbehörden können also auf ihre Informationen zugreifen, zum Beispiel auf die Aussagen eines so genannten Whistleblowers, der sich bei einem firmeninternen Juristen gemeldet hat. Darin sieht Thomas Pletscher eine Lücke im Rechts- und Geheimnisschutz von Unternehmen.

Dieser Mangel müsse bei den laufenden Beratungen zur eidgenössischen Strafprozessordnung behoben werden, fordern jetzt Economiesuisse und der Verband der Schweizerischen Unternehmensjuristen (VSUJ). Das heisst: Künftig soll das Berufsgeheimnis auch für angestellte Juristen gelten. Dabei stützen sie sich auf ein von der Industrieholding in Auftrag gegebenes Gutachten ab. Darin kommt der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli zum Schluss, dass das Berufsgeheimnis für jede anwaltschaftliche Tätigkeit gelte, egal ob der betreffende Jurist frei tätig oder angestellt sei.

Die Freiheit des freien Anwalts

Gerade dies bestreitet Franz Wicky, Präsident der Rechtskommission des Ständerats: «Der angestellte Jurist ist immer auch seinem Arbeitgeber gegenüber zu Loyalität verpflichtet.» Deshalb könne das Berufsgeheimnis für ihn nicht gelten.

Wenn ein freier Anwalt für einen oder zwei Kunden arbeite, sei er vermutlich abhängiger als ein angestellter Jurist, hält Pletscher Wicky entgegen. Von Unternehmensjuristen wisse er, dass sie häufiger zurückhaltender seien als externe: «Der Grund ist einfach: Ein interner Jurist bekommt im Unterschied zum aussenstehenden die Konsequenzen einer falschen Beratung unmittelbar und direkt zu spüren.»

In seiner Argumentation weist der VSUJ auf seine Standesregeln hin, wonach der Unternehmensjurist «nur so handelt, wie er es vor der Rechtsordnung und seinem Gewissen verantworten kann». Damit ist nach Pletscher klar gesagt, dass der Unternehmensjurist bei seinem juristischen Urteil vom Arbeitgeber unabhängig sei.

Othmar Strasser, Leiter Recht und Steuern bei der Zürcher Kantonalbank, zitiert in diesem Zusammenhang das Zürcher Anwaltsgesetz, wonach das Berufsgeheimnis auch für Anwälte gelte, die Dritte in Rechtsfragen beraten. Strasser: «Es kommt auch niemandem in den Sinn, einem in einem Spital oder in einem Betrieb angestellten Arzt das Berufsgeheimnis gemäss Artikel 321 StGB abzusprechen, bloss weil er nicht freiberuflich, sondern unselbstständig tätig ist.»

Blocher wehrt sich für die Freizügigkeit der Anwälte

Der Versuch der Anwaltslobby, die Freizügigkeit für Anwälte einzuschränken, ist im Nationalrat fehlgeschlagen. Die Rechtskommission hatte bei der Revision des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte beantragt, den nicht im Anwaltsregister eingetragenen Anwälten die Berufsbezeichnung «Anwalt» zu verwehren. Gegen eine solche Diskriminierung wehrten sich vor allem Firmenjuristen, die sich gemäss einem Bundesgerichtsurteil für ihre Tätigkeit bei einer Firma gar nicht registrieren lassen dürfen. Sie würden im Wettbewerb benachteiligt, «obwohl sie in ihren Spezialgebieten sogar über ein besseres Fachwissen als freiberufliche Anwälte verfügen können», heisst es zum Beispiel in einer Stellungnahme des Schweizerischen Versicherungsverbandes. Im Nationalrat wehrte sich Justizminister Christoph Blocher für die volle Freizügigkeit der Anwälte. Wenn jemand das Anwaltsexamen bestanden habe, dürfe er den Titel «Anwalt» tragen. Vor allem sei es widersprüchlich, in einem «Freizügigkeitsgesetz» neue Einschränkungen einzuführen. Das Machtwort wirkte: Der Nationalrat schickte den Antrag mit 135 gegen 33 Stimmen bachab.