Zweieinhalb Jahre lang tüftelte Sandy Kertesz, 2014 war er dann bereit. Mit seinem Katzen-Spezialgetränk Tengocat trat der Unternehmer aus dem zürcherischen Kilchberg in einen Markt ein, der seit Jahren stabile Wachstumsraten bietet: Pet Food, die Verpflegung von Vierbeinern, Nagern, Fischen und Vögeln. Nahrung für die Haustier-Population, die ihren Herrchen und Frauchen lieb und teuer ist.
Kertesz’ Multivitamindrink soll Katzen helfen, -genügend Flüssigkeit aufzunehmen, um deren sich weit verbreitende Nierenleiden zu lindern. 200'000 Fläschchen des zweifränkigen Drinks, den er in Deutschland und Belgien produzieren lässt, finden jährlich ihren Weg in europäische Haushalte. Im Januar wird sogar der erste Container mit den 200-Milliliter-Fläschchen nach Hongkong verschifft.
Krisensichere Branche der «Ersatz-Children»
Tierfutter, sagt Kertesz, sei eine krisensichere Branche: Hunde und Katzen gelten als den Zweibeinern gleichgestellte Familienmitglieder. Müsse der Mensch sparen, mache er das zuerst bei sich. «Kinder und -Tiere geniessen immer Sonderbehandlung.»
Wenn in einem Haushalt keine Kinder leben, übernehmen Katzen und Hunde ihre Rolle. Eine steigende Anzahl von Haustieren lebten in Einpersonen- und Zweipersonenhaushalten, berichtet der deutsche Industrieverband Heimtierbedarf, der sich 2015 erneut über -einen Umsatzgewinn von 2 Prozent freuen konnte.
Der Gefühls- und Futterschub hin zu Haustieren dürfte sich auch hierzulande zeigen. In den führenden Märkten USA und Grossbritannien gibt es sogar einen deutsch-englischen Fachbegriff für das Phänomen. Die bevorzugte Rolle der Heimtiere in Haushalten heisst «Ersatz Children».
«Barfer» bauen Futter selber
Drei Trends macht Tierfutter-Unternehmer Sandy Kertesz aus. Erstens: «Premium-Futter, Bio, gentechfreie Nahrung – das boomt, beim Menschen wie auch beim Tier.» Tatsächlich machen die grossen Player im Pet-Food-Markt gute Geschäfte mit verfeinerter Nahrung. Während im tief- und mittelpreisigen Segment Preiskämpfe auszufechten sind und Eigenmarken des Handels Terrain gewinnen, bauen die Produzenten jenes Segment aus, wo Marken wie Sheba und deren Konkurrenten verfeinerten Genuss versprechen.
Daneben ist auch vegetarische Nahrung ein heiss-diskutiertes Thema. Um die Vierbeiner noch natür-licher aufzuziehen, sprechen Spezialisten von «Barf», einem Akronym für «biologisch artgerechte Rohfütterung». Echte Barfer vertrauen dem Futter aus Dosen und Säcken nicht, sondern bauen ihren eigenen Tierfuttermix. Oft weil ihre Liebsten an allerlei Allergien leiden.
Weil der Tierfuttermarkt auch von Pet Snacks, Zwischenmahlzeiten für Katzen und Hunde, befeuert wird, gilt er als gut prognostizierbarer Umsatzbringer. Haustiere sind Big Büsiness: Pet Food, haben die -Analysten von Euromonitor International nachgerechnet, kommt -weltweit jährlich auf Wachstums-raten zwischen 4 und 5 Prozent.
Trendmarkt USA: Das Marché-Konzept für Tierfutter
Kertesz’ zweiter Trend kann unter dem Motto «The winner takes it all» abgehandelt werden: «Zwar gibt es Platz für Nischenanbieter, doch grundsätzlich beherrschen einige wenige grosse Player den Markt.» Im -Wesentlichen sind es die beiden Konzerne Mars und Nestlé, die mit ihren Marken weltumspannend eine Rolle als quasioffizieller Tier-Caterer wahrnehmen und Skalenvorteile nutzen.
Kertesz’ dritte Beobachtung: «Die Musik spielt in den USA. Der Markt dort ist dem Rest der Welt immer fünf Schritte voraus.» Dort finden die grossen Pet-Food-Konferenzen statt, wo sich Tierwissenschafter, Futterproduzenten und Marktforscher austauschen. Für Furore bezüglich «Pet Cuisine» sorgt derzeit der Händler Meals for Dogs, der in Florida Hundemahlzeiten vor den Augen von Herrchen und Frauchen -zubereiten lässt. So wie Konsumenten hierzulande die Marché-Showküchen kennen, wird in Fort Lauderdale vor dem Kunden für deren Haustiere gekocht; das Futter kann man dann gekühlt, tiefgefroren oder vakuumiert nach Hause nehmen.
Katzen im Internet Gassi führen
Daneben kommt dem Internet die Rolle eines Leitmediums zu – vor allem bezüglich Katzen. Katzenvideos gehören zu den meistgeklickten Filmchen im Online-Raum. Die Spezies brachte es vergangenes Jahr in einem New Yorker Museum gar zu einer eigenen Ausstellung. Titel: «How cats took over the internet» – wie die Katzen das Internet übernommen -haben.
Weshalb die Samtpfoten online so stark und gefragt sind, erklärte Katzenfoscher Steve Dale dem «New Republic» so: «Anders als bei Hunden gibt es keine Parks, wo Katzenbesitzer ihre Tiere stolz ausführen können. Für Katzenbesitzer liegt der Hundepark im Internet. Und dort ist der beste Platz für alle Pet-Food-Player, die mit ihren Werbeeinspielungen ohne Streuverlust direkt an Herrchen und Frauchen geraten.
Tierfutter-Unternehmer: Probieren gehört zum Geschäft
Im Katzengeschäft mischt Sandy Kertesz schon mit. Jetzt denkt er daran, auch Hunde und deren Herrchen und Frauchen anzugehen. Das Produkt steht: Tengodog, ein Trockenprodukt, welches das Nass-futter substituieren und den Knorpelbau von Hunden stärken könne.
Dass der Unternehmer dabei auch -selber mal vom Tierfutter probiert, verstehe sich von selber, sagt Kertesz: «Das ist kein Problem. Das gehört zum Geschäft.» Immerhin hat der 41-jährige Unternehmer bei sich zu Hause lange auch Schäferhunde gehalten. Aber das ist nun vorbei. Denn jetzt, sagt -Kertesz, «habe ich zwei Kinder».
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