Die Hochschulen sind einer der zentralen Standortfaktoren für die Schweizer Wirtschaft. Wie beurteilen die Schweizer Personalmanager die Qualifikationen der hiesigen Hochschulabsolventen? BILANZ hat die Personalverantwortlichen von 33 renommierten Unternehmen wie ABB, Coop oder Credit Suisse gebeten, den von ihnen eingestellten Uni-Abgängern ein Zeugnis auszustellen. Das Resultat: Im Durchschnitt aus 15 verschiedenen Kriterien erhalten die frischgebackenen Uni-Absolventen knapp die Note 4,5 .

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Die Umfrage zeigt die Defizite auf: Insbesondere bei den Kriterien «Kommunikationsfähigkeit», «fächerübergreifendes Denken» oder «Team- und Konfliktfähigkeit» liegen die Noten unter dem Schnitt. Mängel bestehen also primär bei den so genannten «soft skills», den sozialen Kompetenzen. Genau diese Fähigkeiten haben in der Wirtschaft jedoch enorm an Bedeutung gewonnen. Thomas Huwyler, Partner beim Beratungsunternehmen Ernst & Young, sagt: «Die sozialen Kompetenzen gewichten wir bei der Personalauswahl mit mehr als 50 Prozent.»

An den Hochschulen hat man diese neuen Bedürfnisse aus der Wirtschaft erkannt. Mit der Bologna-Reform – dem zweistufigen System mit einem Bachelor- und einem Master-Abschluss – werde sich das Studium in der Schweiz ohnehin markant verändern, sagt Ernst Mohr, Prorektor an der Universität St. Gallen (HSG): «Gerade beim fächerübergreifenden Denken ist das Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft.»

In der Schweiz spielt die HSG bei diesen Reformen eine Pionierrolle. Konkret hat die Universität neben dem fachspezifischen Studium eine weitere Säule aufgebaut, das so genannte Kontext-Studium, das inzwischen 25 Prozent des gesamten Pensums umfasst. Das Kontext-Studium besteht aus drei Teilbereichen: Handlungskompetenz (dazu gehören zum Beispiel das Projekt- oder Krisenmanagement), Reflexionskompetenz (z.B. Verhandlungsgeschick oder Rhetorik) sowie die kulturelle Kompetenz (z.B. Fremdsprachen).

Auch die Wirtschaft wird viel stärker eingebunden. Praktika in Unternehmungen sind häufig obligatorischer Bestandteil der Uni-Ausbildung. Thomas Keller, Leiter des Hochschulmarketings bei der PostFinance, hat damit sehr positive Erfahrungen gemacht: «Mir ist es lieber, die Studenten haben zusätzlich ein Praktikum absolviert, statt dass sie ihr Studium möglichst schnell abschliessen.» Die PostFinance bietet jährlich fünfzig Praktika an. Häufig ergibt sich daraus ein Anstellungsverhältnis nach dem Lizenziat. Gut hundert Hochschulabgänger rekrutiert das Unternehmen jedes Jahr. Sehr begehrt seien auch die zwölfmonatigen Trainee-Programme der PostFinance, erklärt Keller.

Zwar ist die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt auch für Uni-Abgänger härter geworden. Gemäss Bundesamt für Statistik hat jeder fünfte Absolvent ein Jahr nach dem Studium entweder gar keine Stelle oder nur eine als unterqualifiziert geltende Beschäftigung. Doch wer dem Profil der Unternehmen entspricht, dem bieten sich weiterhin attraktive Karrieren. Von den Studenten erfordere die neue Situation indes ein gewisses Umdenken und mehr Flexibilität, hält Thomas Huwyler fest: «Das Lizenziat ist kein automatisches Eintrittsbillett für eine Kaderposition.»

Um ihre Studenten noch besser auf das Berufsleben vorzubereiten, hat die HSG deshalb ein Coaching- und Mentoring-Programm entwickelt. In nur drei Jahren konnte die Universität über 500 Betreuer gewinnen, darunter National- und Ständeräte. Auch die Wirtschaft engagiert sich aktiv. So stellt Goldman Sachs eine Truppe von Bankern zur Verfügung, die mehrere Studenten ein Jahr lang betreuen und unterstützen.

Die ETH Zürich versucht neben den sozialen Kompetenzen zusätzlich das fächerübergreifende Denken zu fördern. So hat die Universität neue interdisziplinäre Studiengänge wie zum Beispiel «Biomedizinische Technik» geschaffen. Das Fach ist eine Kombination von Biologie, Maschinenbau und Elektrotechnik. «Die klassischen Berufsbilder werden in Zukunft ihre scharfen Konturen verlieren», erklärt Christoph Niedermann, wissenschaftlicher Adjunkt des Rektors an der ETH.

Bei allem Verständnis für die Wünsche aus der Wirtschaft: Bei beiden Universitäten, ETH und HSG, sind auch Vorbehalte herauszuhören: «Die Lehre unterliegt einem anderen Zyklus als die Wirtschaft», betont Niedermann von der ETH. Als Beispiel führt er den Internetboom Ende der Neunzigerjahre an. Damals hiess es, in der Schweiz würden Tausende Informatiker zu wenig ausgebildet. Seither jedoch hat sich die Zahl der Neuanmeldungen im Informatikstudium mehr als halbiert. Widersprüche ortet auch HSG-Prorektor Mohr: Stets habe die Wirtschaft nach jüngeren Uni-Absolventen verlangt. Jetzt, da die ersten Studenten mit einem Bachelor-Abschluss auf den Arbeitsmarkt kommen, sei die Nachfrage bei den Firmen allerdings gering. Stattdessen heisse es nun plötzlich, man bevorzuge Hochschulabgänger mit etwas mehr Erfahrung.