Schweizer Biotechnologie-Firmen mischen in der Erforschung einer neuen Generation von Antibiotika ganz vorne mit. Ihre Erkenntnisse sind ebenso genial wie nötig, denn herkömmliche Antibiotika werden zunehmend wirkungslos. Immer mehr Bakterien entwickeln Resistenzgene und können sich so gegen die Attacken der Medikamente wehren. Ohne Behandlung verlaufen Infektionskrankheiten aber oft tödlich.

Die zunehmende Resistenz von Bakterien nahm die Medizin lange nicht als Problem wahr. Als die Forscher in den 1980er Jahren kaum mehr neue Substanzen gegen infektiöse Krankheiten entdeckten, wandten sich die Pharma-Unternehmen erfolgsversprechenderen Gebieten wie der Krebsforschung zu. Inzwischen ist klar, dass neuartige Antibiotika zu den Schlüsselmedikamenten der Zukunft gehören.

*Bakterien entwaffnen*

Jean-Pierre Paccaud und Pierre Cosson von der Universität Genf haben dieses Potenzial erkannt und im Frühling 2002 ihren universitären Forschungsbemühungen einen unternehmerischen Rahmen gegeben: Athelas ist eine der interessantesten Neugründungen der Schweizer Biotech-Szene mit einem äusserst innovativen Ansatz: Statt Bakterien abzutöten sollen die Medikamente von Athelas dereinst die Mikroorganismen lediglich «entwaffnen». Ohne Waffen aber sind Bakterien der körpereigenen Immunabwehr hilflos ausgeliefert. Die junge Firma konnte mit ihrer Idee bereits Vorschusslorbeeren ernten: Das «Wall Street Journal Europe» hat Athelas zur besten Biotech-Firma Europas gekürt; beim Start-up-Wettbewerb «Venture 2002», der von der ETH Zürich und von McKinsey veranstaltet wird, belegte die Nachwuchshoffnung den zweiten Platz. Inzwischen arbeitet das Unternehmen mit der ersten Finanzspritze von 2 Mio Fr. - Geldgeber war unter anderem der Novartis Venture Fund.

Bereits einige Schritte weiter ist die Basler Arpida, die ebenfalls Alternativen zu klassischen Antibiotika entwickelt. Die Firma entstand 1997 als Spin-off dreier Roche-Mitarbeiter und hat aus zwei Finanzierungsrunden schon 55 Mio Fr. Forschungskapital. In der Pipeline von Arpida liegt unter anderem ein Antibiotikum, das die erste Stufe der klinischen Prüfung erfolgreich bestanden hat - es könnte 2005 Marktreife erlangen.

*Symbiose mit «Grossen»*

Athelas und Arpida sind nur zwei Beispiele aus der Schweizer Biotech-Branche, die sich aus rund 120 Klein- und Kleinstfirmen zusammensetzt. Die ganz grossen Erfolgsgeschichten sind aber noch nicht geschrieben worden. Denn bis Forschungsbemühungen mit einem gebrauchsfertigen Medikament belohnt werden, dauert es gut zehn Jahre. Doch die Schweiz hat beste Voraussetzungen, sich zu einem Biotechnologie-Hub zu entwickeln:

- Die Grundlagenforschung an den Hochschulen in Genf, Lausanne, Basel und Zürich ist top. Die Resultate der Schweizer Biotech-Forschung werden weltweit am zweithäufigsten zitiert - nach den USA.

- Die räumliche Nähe zwischen den drei Biotech-Regionen Genfersee, Basel und Zürich lässt ein dichtes Forschungsnetzwerk entstehen; der Austausch, aber auch die Konkurrenz werden beflügelt.

- Die Pharmariesen Novartis und Roche lagern ihre Forschung immer mehr aus und arbeiten mit Start-ups oder Spin-offs symbiotisch zusammen: Kleine Biotech-Firmen, die ganz spezifische Kompetenzen haben, übernehmen die Entwicklung neuer Medikamente bis zur Marktreife. Vermarktet werden die Produkte dann von den Konzernen, die über riesige Distributionsnetze und Marketingressourcen verfügen.

- Obwohl der Investitionsboom im Bereich der Biotechnologie vorbei ist, gelingt es Unternehmen mit einem soliden Businessplan immer noch, Kapitalgeber zu finden, wie die Beispiele Athelas und Arpida zeigen.

- Schweizer Biotech-Firmen haben in jüngster Zeit nicht nur in der Forschung Kreativität bewiesen, sondern auch auf der Suche nach Cash: Cytos ist durch die branchenfremde Asklia zu Geld und an die Börse gelangt; Modex hat sich durch den Merger mit Isotis ein Polster für forschungs- und damit kapitalintensive Jahre angelegt.

2003 werden die Champagnerkorken in der Biotech-Branche noch nicht knallen, aber die Zukunft ist vielversprechend. Rund 17 Produkte aus Schweizer Biotech-Labors werden in den nächsten Jahren die Marktreife erreichen.

Partner-Inhalte