Es riecht nach Honig in Schönenberg. Besucher der kleinen Tirggelfabrik am Rand des auf 714 m gelegenen Ortes werden vom verführerischen Honigduft, der bald einmal durchdringend wird, auf Schritt und Tritt verfolgt. Der Betrieb liegt naturgemäss am Tirggelweg, und der Geschäftsführer Peter Seibold führt wie ein echter Patron durch sein Reich. Kaum zu glauben, dass in diesem überschaubaren, 163-jährigen Betrieb pro Jahr 70 t Tirggel produziert werden.
Der Tirggel ist seit Jahrhunderten im Kanton Zürich und in der Ostschweiz heimisch und gehört zum traditionellen Advents- und Weihnachtsgebäck. Die einen verehren ihn als honigsüsse Gaumenfreude, die anderen können dem harten Flachgebäck nichts abgewinnen. Trotzdem gehört das puritanisch anmutende Gebäck in die Vorweihnachtszeit wie die Mandarinen und die Lebkuchen. Im Laufe unseres Jahrhunderts haben jedoch viele Tirggelhersteller in der Stadt und im Kanton Zürich ihr traditionelles, aber auch aufwendiges Handwerk aufgegeben.
Tirggel für Bäckereien und Grossverteiler
Die Biscuits Suter AG ist der einzige Betrieb der Schweiz, der sich zu 90% auf die Tirggelherstellung konzentriert. Die übrigen 10% entfallen auf Trockenpatisserie, die als so genannte Tischware an Cafés vertrieben wird. Die Tirggel gehen vorwiegend an Bäckereien und Grossverteiler. «Ein wichtiger Geschäftszweig sind die individuell angefertigen Werbetirggel mit dem Firmenlogo», sagt Peter Seibold. In geringen Mengen bestellen auch Heimweh-Zürcher in Deutschland, Frankreich, den Vereinigten Staaten und in Japan ihr Lieblingsgebäck per Telefon oder online. Die Tirggel-Konkurrenz in der Schweiz lässt sich an einer Hand abzählen.
Doch bei der Erwähnung von Tirggeln einiger Grossverteiler winkt Seibold ab. Dieses Gebäck mit verschiedenen Konservierungsstoffen hat für ihn nichts mehr mit einem wirklichen Tirggel zu tun. Der besondere Stolz des Patrons gilt den natürlichen Zutaten seiner Tirggel, die keine Konservierungsstoffe enthalten. Nachdem der Tirggelbäcker die Zutaten in der richtigen Zusammensetzung abgewogen hat, knetet die Teigmaschine die Masse tüchtig durch. Sie besteht aus Mehl, Bienenhonig, Zucker, gehärtetem Erdnussöl und etwas Salz, wie Seibold verrät. Über die Art der Gewürze hingegen bewahrt er Stillschweigen. Eine kleine Kranvorrichtung hievt nun eine 30 kg schwere Teigmasse in die Höhe und füllt sie in den Trichter der Walzmaschine, durch die der zähe Teig jetzt gepresst wird.
Die über 100-jährigen, ursprünglich flachen und hölzernen Tirggelformen sind millimetergetreu auf Hartharz-Walzen übertragen worden, die nun dem Teig ihre Bilder aufdrücken. Bei unserem Besuch laufen gerade Tirggel mit Ansichten von Zürich auf dem kleinen Förderband langsam in den 370¡C heissen Ofen. Der Stolz eines jeden Tirggelbäckers ist Backwerk, das oben schön braun gebacken, unten aber hell geblieben ist. Um dies zu erreichen, verwendet man nur Oberhitze. Nach vier Minuten tauchen die gebräunten Tirggel, deren reliefartige Bilder gestochen scharf sind, wieder aus dem Ofen auf und werden von Mitarbeiterinnen von Hand in Portionen abgepackt. Noch angenehm warm und ein bisschen weich sind sie für ein paar Minuten, aber schon bald erhalten die Tirggel ihre charakteristische harte Konsistenz.
Seit 1972 ist Peter Seibold Besitzer und Chef
Der Konsistenz des Gebäcks hat es Seibold gewissermassen zu verdanken, dass er die Tirggelbäckerei vor über 30 Jahren übernommen hat. Seibold war ursprünglich auf Verpackungsmaschinen spezialisiert und entwickelte in den 60er Jahren für den damaligen Firmeninhaber Willy Suter ein automatisches Verpackungsverfahren. Es basierte darauf, dass die Tirggel noch warm verpackt wurden und damit noch nicht so brüchig waren das Verfahren hat sich bis heute bewährt.
Seibold bekam Freude an der traditionsreichen Tirggelbäckerei. 1972 kaufte er Willy Suter, der keinen Nachfolger hatte, die Einzelfirma ab und gründete die Biscuits Suter AG. Seither haben sich die Tirggel-Bestseller nicht verändert. Die Renner des Sortiments sind die Motive, die schon unsere Grosseltern als Kinder assen: Die traditionellen rechteckigen Tirggel mit Ansichten von Zürich und Umgebung, die runden Tirggel, die an den Weihnachtsbaum gehängt werden können, sowie die kleinen Tirggel mit den eingeprägten Bilderrätseln.
Trotzdem lässt sich Firmenchef Seibold immer wieder etwas Neues einfallen, um das Sortiment zu beleben. Seit ein paar Jahren zieren auch Sternzeichen, kleine Flugzeuge, Clowns oder Sprüche wie «Danke schön» das Gebäck. Der etwas weichere Biotirggel aus Dinkelmehl, Roh-Rohrzucker und Kokosfett, der vor vier Jahren lanciert wurde, stiess auf weniger Interesse, bleibt aber als Nischenprodukt im Sortiment.
Firmen-Profil
Firma: Biscuits Suter AG, Tirggelweg 1, 8824 Schönenberg
Internet: www.tirggel.ch
Gründung: 1840 als Suter Tirggel in Wädenswil, 1972 Umwandlung in die Biscuits Suter AG in Schönenberg
Besitzer: Peter und Claudie Seibold
Umsatz: 1,3 Mio Fr. (2002)
Beschäftigte: 7 Produkte: Tirggel und Trockenpatisserie
Kunden: Grossverteiler, Konditoreien, Drogerien, Käsereien