Le Brassus, 7. Oktober 2005: Eröffnung der erweiterten und komplett renovierten Manufaktur Blancpain durch die drei Generationen der Swatch Group: Blancpain-Chef Mark Hayek, Gruppenchef Nick Hayek und Firmengründer Nicolas Hayek. Etwas erhöht über dem Dorf an idyllischer Lage arbeiten 30 Fachpersonen an der Entwicklung und Produktion der mechanischen Uhren von Blancpain. Noch immer geschieht das meiste von Hand Gehäuse, Zeiger und Ziffern sowie Bänder und die Holzbox als Verpackung werden von Zulieferern zugekauft. Die Rohwerke kommen aus dem renommierten Unternehmen Frédéric Piguet, das seit 1858 in Le Brassus tätig ist und 1992 von der Swatch Group übernommen wurde.
Spitzenprodukte aus der umgebauten «La ferme»
Bis im nächsten Jahre sollen es 50 Meisteruhrmacher, Mikromechaniker, Graveure, Dekorateure, Angleure und Polisseure werden, wobei auch Absolventen der Uhrmacherschule nach ihrem Abschluss in die Geheimnisse der Komplikationen eingeführt werden.
Die bisherige Produktionsstätte in Pully wird aufgehoben. Zusammen mit dem Annex-Bau verfügt die dreistöckige Manufaktur nun über 600 m2 und damit über einen Drittel mehr an Raum. In Pully verbleiben die Logistik und der Service-après-vente, im nahe liegenden Paudex die Produktentwicklung, das Marketing, die Finanzen, Administration und Direktion. Insgesamt beschäftigt Blancpain an diesen drei Standorten 125 Personen.
Marc Hayek: «Ein nicht ganz billiger Um- und Ausbau»
In der «La ferme», wie das für den Jura typische Gebäude im Vallée de Joux genannt wird, waren am Jahresanfang erst 23 Personen tätig. Für sie alle stellt die renovierte Manufaktur ein «unglaublicher Luxus» dar, denn die wunderschönen Werktische aus edlem Holz und die perfekt gestaltete Beleuchtung natürlicher wie künstlicher Art wüssten sie zu schätzen.
Die Frage nach den Investitionen will CEO Marc Hayek nicht genau beantworten. «Mehrere Millionen», meint er schmunzelnd, «aber keine 10...».
Zu schätzen wissen künftige Besucher Fachhandels-Kunden und Sammler aus dem In- und Ausland bestimmt auch die informative, permanente Ausstellung «Une Tradition d'Innovation», die alle 19 Weltpremieren vereint, welche seit der Armbanduhrzeit von Blancpain in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag kreiert, entwickelt und in der ganzen Welt verkauft worden sind.
Hochs und Tiefs hielten sich in etwa die Waage
Auf die Frage, was ihn an Blancpain am meisten beeindruckt, sagt Marc Hayek: «Dass Blancpain seit 270 Jahren nie etwas anderes gemacht hat als hoch stehende mechanische Uhren.» Und nach einer kurzen Pause fügt er bestimmt an: «Und wir werden niemals etwas anderes tun! Die Innovation und die Herausforderung dieser Marke liegt nicht in der Form, sondern in den uhrmacherischen Komplikationen.»
Das war schon im 16. Jahrhundert nicht anders, als sich Jehan-Jacques Blancpain ins Abenteuer der Uhrmacherei stürzte. Die Jahreszahl 1735 darf mit Sicherheit als Anfangsjahr angenommen werden, weil er damals im zweiten Stock seines Hauses bereits ein Uhren-Counter führte und «Lehrlinge» beschäftigte zwar nicht im Vallée de Joux, sondern in Villeret im St. Immertal. Von Grund auf wurde Taschenuhr um Taschenuhr gefertigt; sobald ein paar Dutzend erstellt waren, gingen Familienmitglieder damit über die Landesgrenze, in die grossen Städte Frankreichs und Deutschlands.
Ganze sieben Generationen sorgten für die stete Fortführung des florierenden Unternehmens, bis sich 1932 in der achten Generation das einzige Kind, ein Mädchen, weigerte, den Uhrmacherberuf zu erlernen. Es war anschliessend ausgerechnet eine Frau und Uhrmacherin, Betty Fiechter, die jahrelang im Betrieb mitgearbeitet hatte, die ihre Chance packte und mit Partner André Léal Aktiven und Passiven des Unternehmens übernahm. In ihre Zeit fallen gleich zwei Weltpremieren: Die erste moderne Taucheruhr Fifty Fathoms (1953) und Ladybird (1956), die kleinste runde Damenuhr.
Die Quarz-Euphorie wurde zur Belastung
Allen Erfolgen zum Trotz blieb Blancpain ein Unternehmen handwerklicher Fabrikation, was in der Quarz-Euphorie der 70er Jahre immer schwieriger wurde, sodass sich Blancpain der SSIH Société Suisse pour l'Industrie Horlogère SA anschloss. Doch die Zeit mechanischer Uhren schien vorbei zu sein langsam entschwand die Marke in einen Dauerschlaf...
Renaissance zuerst unter Biver, dann unter Hayek
Es war Jean-Claude Biver, einer der wenigen Mutigen, die sich nach dem Niedergang der hiesigen Uhrenindustrie durch die japanische Quarz-Epidemie mit voller Energie ins Zeug legten, um zu retten, was es zu retten gab. Zusammen mit Jacques Piguet, dem Sohn des renommierten Rohwerkherstellers Frédérique Piguet, kauften sie 1981 die Marke Blancpain der SSIH ab und lancierten sie von Le Brassus aus neu, da das ursprüngliche Fabrikgebäude in Villeret mittlerweile von Omega benützt wurde, wo Biver als Direktor wirkte.
Mit dem Blancpain-Kaliber 6395 fand die Mondphase eine Wiederbelebung und aufs Zifferblatt zurück. Gleichzeitig handelte es sich um die kleinste je hergestellte Mondphasenscheibe, sodass ihr Eintritt in die Uhrenwelt auf der Basler Messe 1984 mit einer Weltpremiere begann. Unterdessen fusionierte SSIH mit ASUAG zum Firmenkonglomerat SMH, das schliesslich von Nicolas Hayek übernommen und zur Swatch Group ausgebaut wurde. Der Rest ist Geschichte, und zwar eine der wesentlichsten und nachhaltigsten im schweizerischen Industriesektor.
«Des bonnes bouteilles créent des amis», sagt Biver und fand über die Liebe zum Wein zu Marc Hayek, der in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in Zürich das Restaurant «Colors» führte. Biver fühlte sich ausgebrannt und überzeugte Marc Hayek, seinen Job bei Blancpain zu übernehmen. Im August 2001 übersiedelte Hayek III. zur Freude seines Grossvaters Nicolas Hayek nach Lausanne und übernahm die Funktion des Marketingchefs. Im Jahr darauf löste er Biver an der Spitze der wieder erstarkten Blancpain ab. Nicht weniger als ein Dutzend Weltpremieren fallen unter die Ägide von Biver/Piguet von 1983 bis 2000.
Klare Position im Swatch-Konzern
Innerhalb der Swatch Group kommt Blancpain noch vor Jaquet-Droz und Glashütte prestigemässig gleich nach Breguet. Der Austausch innerhalb der Gruppe ist gemäss Hayek III. gross, doch bleibe jeder Markt in seinem Territorium und stehe so gesehen in Konkurrenz mit allen.
Unter seiner Führung wächst Blancpain jährlich zweistellig. Rund 10000 Uhren (80% Herren- und 20% Damenuhren) werden heuer gefertigt und zu 50% in die Schweiz, nach USA und Japan geliefert. In Singapur, Hongkong und China wachsen die Märkte jährlich zweistellig. Dort scheint für Blancpain das Potenzial am grössten.
Der Durchschnittspreis liegt bei 30000 Fr.; je nach aufwendigen Komplikationen kann es auch mal das Zehnfache sein. Auf die Zukunft angesprochen, erklärt der Blaincpain-Chef: «Wir konzentrieren uns weiterhin auf Komplikationen, aufwendige Werkdekorationen, feinste Materialien und Ausführungen. Man kann immer alles noch besser machen. Wichtig ist dabei, dass wir ambitioniert bleiben, denn die Marke Blancpain hat weltweit ein starkes Potenzial.»