«Okay, Glass!» Ich komme mir ein bisschen blöd vor, mit einer Brille zu sprechen. Aber Google Glass ist ja auch keine normale Brille. Eigentlich ist sie gar keine Brille, denn Gläser hat sie keine, trotz des Namens. Sie ist, geht es nach Google, der Blick in die Zukunft. «Okay, Glass!» ist das Kommando, das sie zum Leben erweckt.
Dann erscheint das Menu auf dem winzigen Monitor, der auf dem rechten Titaniumbügel montiert ist. Mit einem Gelenk kann man die Position des Screens in der Horizontalen justieren, in der Höhe muss man ihn mit den Nasenbügeln fixieren, was sich als nicht einfach erweist. Denn der Monitor soll nicht zwischen mir und meinem Gegenüber thronen, sondern etwas ausserhalb des Blickfeldes – wie wenn man beim Autofahren in den Innenspiegel schaut.
Dialog auf Englisch
Wem die Sprachsteuerung zu freakig ist, der kann Glass auch mit Berührung des Plastikgehäuses steuern. Der Funktionsumfang ist beschränkt. Googeln kann man, natürlich, und auch komplexere Fragen wie «How is the weather in Geneva?» oder «How tall is Franck Ribéry?» versteht Glass. Die Ergebnisse werden auf dem Monitor angezeigt und gleichzeitig auf Englisch vorgelesen. Einen Lautsprecher gibt es nicht, der Ton wird – gut verständlich – direkt auf den Schädelknochen gespielt, dennoch hört die Umgebung mit.
Browsen auf beliebigen Websites ist nicht vorgesehen. Dafür kann ich einen Anruf auslösen (ein Android-Smartphone in der Tasche ist Voraussetzung für den Betrieb von Glass) oder mit «Take a picture» und «Record a video» Fotos und Filme aufnehmen. Eingehende E-Mails können automatisch eingeblendet und per Spracheingabe beantwortet werden, was bei meinem Gerät allerdings nicht konfiguriert war.
Das spannende Konzept
Am sinnvollsten ist sicher das eingebaute Navi – «Show me directions to Zurich Paradeplatz», wenn ich etwa zu Fuss in der Stadt unterwegs bin. Grundsätzlich funktioniert das bereits, doch die gegenwärtige Beta-Version von Glass erkennt noch keine deutschsprachigen Strassennamen. Auch sonst ist vieles an Glass noch nicht ausgereift: Manchmal schaltet sich das Gerät plötzlich aus. Die Spracherkennung ist Glückssache und reagiert auch auf Personen, die in der Nähe sind. Die Batterie reicht im Dauerbetrieb nur eine halbe Stunde, bei sparsamem Einsatz soll sie, sagt Google, den ganzen Tag durchhalten.
Bislang wurde die Beta-Version der Datenbrille nur in den Vereinigten Staaten an Entwickler verkauft, 10 000-mal zum Stückpreis von stolzen 1500 Dollar. Nun kann sich jeder auf der Website von Google um das Gerät bewerben, eine Lieferadresse in den USA ist allerdings Voraussetzung. Wann und zu welchem Preis die finale Version der Datenbrille erhältlich ist und wann diese nach Europa kommen soll, ist noch offen. Glass ist ein spannendes Konzept, das unseren Umgang mit dem Internet tatsächlich revolutionieren könnte. Noch ist das Gerät nicht ausgereift, noch bietet Glass viel zu wenige Funktionen. Wer jetzt schon damit herumläuft, zahlt den Preis als Early Adopter – erhält damit aber auch eine Menge Aufmerksamkeit.