Die Angst im Pharmageschäft heisst Patentklippe. Gemeint ist das Ablaufen des Patentschutzes für jene Blockbuster-Produkte, die mit ihren Milliardenumsätzen oft den Erfolg bestimmen. Laut Studien verlieren bis 2016 Produkte im Wert von 140 Milliarden Franken diesen Schutz. Branchenleader Pfizer aus den USA etwa drohen massive Rückschläge. Dessen Cholesterinsenker Lipidor, der rund ein Viertel des Umsatzes stellt, verliert 2010 und 2011 den Patentschutz. Viele suchen ihr Heil daher in Fusionen, um durch Kostensynergien das Ergebnis zu verbessern. Das ist der Hintergrund der Mergers zwischen Pfizer und Wyeth sowie Merck und Schering Plough.
Die Lage der Schweizer Konzerne ist unterschiedlich. Während bei Roche wegen Patentabläufen nur ein geringer Prozentsatz des Umsatzes gefährdet ist, stehen bei Novartis einige der grössten Blockbuster vor der Patentklippe. Von 2011 bis 2013 verlieren die Umsatzrenner Diovan, Femara und Zometa den Schutz. Allein der Blutdrucksenker Diovan bolzt über sechs Milliarden Franken Umsatz (siehe «Einbruch» im Anhang des Hauptartikels).
Laut Jimenez hat sich Novartis frühzeitig auf die Patentabläufe eingestellt. Die neue Strategie der «fokussierten Diversifikation» sei nicht zuletzt darauf ausgerichtet. Heute ist Novartis breit aufgestellt, mit fünf Plattformen für Wachstum: Pharma, Generika, Impfstoffe, Diagnostika und neu – mit der Grossakquisition von Alcon – die Augenheilkunde. So nutze man die Chancen diverser Sektoren des Gesundheitsmarkts.
Ein Megadeal stehe deshalb bei Novartis nicht an: «Wir brauchen weder eine grosse Akquisition noch einen grossen Merger, um in den nächsten zehn Jahren erfolgreich zu sein», so Jimenez. Noch vor wenigen Jahren tönte es anders: 2004 scheiterte Novartis beim Versuch, den französischen Konkurrenten Aventis zu übernehmen. Auch Roche, an der Novartis heute 33 Prozent hält, geriet nicht unter die Fittiche von Daniel Vasella. Seither hat Novartis allerdings für über 60 Milliarden Franken zugekauft. Nun scheint der Appetit gestillt.
Die Kernsparte Pharma bestimmt Novartis’ Erfolg. Mit über 70 Prozent am Vorsteuergewinn ist sie matchentscheidend. Die Wachstumsstrategie bei Pharma fusst auf zwei Elementen: Erstens sucht Jimenez bei bestehenden Produkten die Anwendungen gezielt auszuweiten. Zweitens will er aggressiv geografisch expandieren und in die Emerging Markets vordringen.
Bei der Forschung strebt er einen Paradigmenwechsel an. War die Forschung lange getrieben von den kommerziellen Chancen eines Produkts, so soll sie fortan für sich stehen. Das Kommerzielle ergäbe sich automatisch. So will Jimenez die Erforschung seltener Krankheiten verstärken, überzeugt, deren Mechanismen liessen sich auf häufige Krankheiten übertragen.
Weiter geht die Kontrolle der Kosten. Laut Jimenez steht keine grosse Streichübung an, etwa der Abbau eines bestimmten Prozentanteils der Belegschaft. Die Produktivität zu steigern, sei bei Novartis ein laufender Prozess.