Zuoberst in der Chefetage bei Bobst sitzt ein Mann der festen Überzeugungen. «Ich muss Position beziehen und das Böse mit aller Kraft bekämpfen», schreibt Firmenlenker Jean-Pascal Bobst. Das war im Frühling, als er über christliche Werte referierte.
Doch was der Chef zum Thema Wiederauferstehung zu Protokoll gab, gewinnt bei Bobst auch als Management-Maxime jeden Tag an Bedeutung. Der Westschweizer Familienkonzern schlingert, harte Entscheidungen stehen an. Das Böse sind der starke Franken, die schwächelnde Nachfrage und zu hohe Kosten. «Wir werden in nächster Zeit Massnahmen bekanntgeben, wie wir die Profitabilität wieder steigern wollen», sagte Bobst bei der Präsentation des letzten Verlustes Anfang September.
Im ersten Halbjahr belief sich das Minus auf 27,7 Millionen Franken, die Eigenkapitalquote sank von einst über 50 auf unter 30 Prozent. Zuletzt begannen einige europäische Kunden, Aufträge hinauszuschieben. Die Aktie fiel auf ein Allzeittief und verlor gegenüber den Höchstständen 80 Prozent an Wert.
Ehrlich, aber knallhart
Nun reagiert das Management. Am Firmensitz in Prilly bei Lausanne bespricht die Konzernleitung derzeit mit den Kaderleuten, wie sich die Ideen zur Steigerung der Produktivität am besten umsetzen lassen. Es wird auch die Belegschaft treffen. Zur Debatte stehen eine Verlängerung der Arbeitszeit, Lohnsenkungen und ein Stellenabbau. «Spruchreif ist noch nichts, denn es soll ein Gesamtpaket werden, das auch die Zulieferer einschliesst», berichtet ein Firmeninsider. Bei einzelnen Massnahmen sei bereits ein Konsens gefunden, aber sie seien noch nicht umgesetzt. Bobst selber kommentiert die Vorgänge nicht.
Die schwierige Zeit beim Traditionskonzern mit Ablegern in 50 Ländern schlägt auf die Stimmung. Einige Kader offerierten sich selber im Markt, heisst es von Mitarbeitern, und bei den Gewerkschaften melden sich inzwischen regelmässig verunsicherte Arbeiter.
«Jean-Pascal Bobst hat sehr viele gute Ideen», heisst es aus dem Unternehmen heraus, «aber er will alles auf einmal und ist ungeduldig.» Das helfe der Sache auch nicht. Ein Mitstreiter des Patrons erzählt, nichts bringe diesen aus der Ruhe, und er wisse genau, welchen Weg er einschlagen müsse. In der Umsetzung sei er ehrlich, aber knallhart. Jean-Pascal Bobst übernahm vor zwei Jahren das Zepter, seit 17 Jahren schon arbeitet er im Konzern, den sein Urgrossvater gegründet hatte.
«Just-in-Time» und «Lean Production»
Die Bobst-Gruppe stellt Maschinen für die weltweite Verpackungsindustrie her. Produziert werden damit etwa Pommes-Chips-Verpackungen oder Kartonschachteln. China ist auch für die Waadtländer ein wichtiger Wachstumsmarkt. «Das Problem besteht einzig darin, dass chinesische Firmen in der Regel das Geld für die qualitativ hochstehenden Bobst-Maschinen nicht ausgeben wollen», sagt ein China-Experte. Letztes Jahr reagierte der Konzern und übernahm die lokale Maschinenproduzentin Shanghai Eternal. Damit bedient man seither erfolgreich den asiatischen Markt mit günstigen Produkten.
Das Problem des immens hohen Kostenblocks in der Schweiz blieb aber ungelöst. Hier beschäftigt Bobst 2000 der weltweit gut 5000 Mitarbeitenden. Der Umsatz dagegen ist im Inland mit 2 Prozent marginal. Ein Wegzug aus der Schweiz im grossen Stil ist kaum möglich. Vor Jahren prüfte man alternative Produktionsstandorte für qualitativ hochstehende Maschinen, verwarf dann den Gedanken auch aus Gründen der Qualitätssicherung. Seither konzentriert man sich auf Produktivitätssteigerungen in der Schweiz.
Jean-Pascal Bobsts Losung lautete dabei «Just-in-Time» und «Lean Production». Die Maschinen sollen ähnlich wie Autos in Montagestrassen entstehen, und zwar nur noch dann, wenn eine Bestellung vorliegt. Zuletzt investierte man 180 Millionen in die Umsetzung der Idee.
Die Familie kauft Aktien hinzu
«Die Vision ist grossartig, wenn sie am Ende auch hält, was sie verspricht», urteilt ein Manager. Die Schwierigkeit besteht darin, dass Bobst anders als Automobilkonzerne gerade keine Massenproduktion betreibt. Fast jede Verpackungsmaschine muss individuell auf Kundenwünsche abgestimmt werden. Das ist aufwendig und schmälert den Wert jeder Produktionsstrasse. Insgesamt verlassen die Schweiz pro Jahr nur gerade rund 700 Maschinen.
Noch vor einem Jahr war Bobst optimistisch, dass die eingeleiteten Massnahmen ausreichen würden. Doch der früher äusserst profitable Standort Lausanne kam auch wegen der Währungssituation nicht mehr aus den roten Zahlen. Im Frühjahr zog Bobst die Notbremse und legte ein Sparprogramm für die Fabrik im Waadtland auf.
Einige Wochen durfte man hoffen. Dann fiel der Euro ins Bodenlose. Seither erhöht sich das Sanierungstempo. «Bei einem Euro-Kurs zwischen 1.15 und 1.30 kann die Produktion in der Schweiz überleben, wenn es tiefgreifende Restrukturierungen gibt», sagte Bobst vor zwei Wochen den Analysten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn gegenwärtig wäre man auf einen neuerlichen Konjunktur-einbruch schlecht vorbereitet.
Den Glauben ans Unternehmen nicht verloren haben die Nachfahren des Unternehmensgründers. Über die Finanzgesellschaft JBF Finance kontrollieren sie Bobst bisher zu 45 Prozent. Aus Managmenttransaktionen geht hervor, dass die JBF zuletzt Bobst-Aktien gekauft hat. In den letzten drei Jahren allerdings hatten die Familien – es sind inzwischen fast zehn Parteien – wenig von ihrer Beteiligung, weil das Unternehmen keine Dividenden mehr ausschütten konnte. Dem Vernehmen nach wären einige Familienmitglieder allerdings darauf angewiesen. Offenbar fand man einen Ausweg. Die JBF schüttete letzten Winter fast 9 Millionen Franken steuergünstig als Nennwertreduktion an ihre Aktionäre aus.