Der luzernische Haushaltwarenhersteller Bodum hat den US-Giganten Starbucks in den USA verklagt. Hintergrund ist der Rückruf von über einer Viertelmillion Kaffeepressen. Der Streit geht in die Millionen. Noch schlimmer aber: Starbucks ist einer der wichtigsten Geschäftspartner von Bodum.
Die Klageschrift datiert auf den 10. Mai. Sie legt offen, wie Starbucks und Bodum vor vier Jahren mit der Entwicklung einer neuen Kaffeepresse starteten. Wie erste Prototypen entwickelt wurden. Wie schliesslich in einem Labor des Genfer Warenprüfers SGS auf Kundenreklamationen reagiert wurde. Und wie Starbucks einseitig dazu überging, die Ware als fehlerhaft zu deklarieren und einen weltweiten Rückruf lancierte.
Die Story beginnt im Juni 2015. Bodum-CEO Jørgen Bodum trifft sich persönlich mit einer hochrangigen Vertreterin von Starbucks. Bodum kennt das Unternehmen bestens. Seit zwei Dekaden geschäftet der Wahlschweizer, dessen Vermögen auf bis zu 200 Millionen Franken geschätzt wird, bereits mit dem amerikanischen Giganten.
Starbucks als wichtigster Kunde
Bodum und den langjährigen Starbucks-CEO Howard Schultz verbindet eine jahrelange Freundschaft. Sie starteten ihre Business-Partnerschaft in den 80er-Jahren, als die Amerikaner noch ein Nobody mit ein paar Dutzend Ablegern waren. Mittlerweile gibt es über 30'000 Starbucks-Filialen weltweit. Alleine im letzten Quartal von Januar bis Ende März eröffneten 319 neue Stores. Das sind mehr als drei neue Läden pro Tag.
Das explosive Wachstum hat den amerikanischen Kaffeegiganten zum wichtigsten Kunden von Bodum werden lassen. Seit November 2002 gilt ein Rahmenabkommen, das besagt, dass gewisse Bodum-Produkte in allen Starbucks-Filialen auf der ganzen Welt verkauft werden müssen. Kein Wunder also, dass sich der mittlerweile 70-Jährige Bodum-CEO Jørgen Bodum persönlich um die Betreuung des Star-Kunden kümmert.
Im Juni 2015 also schmiedeten Bodum und Starbucks den Plan, eine exklusive Kaffeepresse für Starbucks zu kreieren. Sie sollte zu 100 Prozent aus rezykliertem Material bestehen. Nur wenige Tage vergingen, bis die Arbeit an einem ersten Prototypen startete. Starbucks hoffte, dass die Produkte bereits im Herbst 2015 in den Läden sein werden.
Der Knopf des Anstosses
Die Amerikaner wollten aber etwas Neues. Der Knopf auf dem Kopf der Presse, normalerweise kugelrund und pechschwarz, sollte flach sein. Bodum empfahl, beim Bewährten zu bleiben, beugte sich letztlich aber dem Druck von Starbucks, schliesslich ist der Kunde König. Das gilt umso mehr, wenn es um den wichtigsten Abnehmer geht.
Bodum liess ein neues Design entwerfen, fertigte neue Prototypen an, lieferte die Ware an Starbucks. Die Amerikaner verlangten wiederholt kleinere Anpassungen. Ein Jahr verging, dann begann die Massenproduktion im Werk im portugiesischen Porto.
Die Produkte wurden anschliessend weltweit verkauft. In Nordamerika kommt es aber zu einer Häufung von Meldungen, wonach der neu entwickelte Knopf defekt sei. In den USA haben sich innert weniger als einem Jahr acht Personen eine Schnittwunde zugezogen, weil der flache Knopf beim Drücken gebrochen sein soll. Eine Person aus Kanada hat von ähnlichen Verletzungen berichtet. Sonst gibt es keine Wortmeldungen. Weder in Europa, noch in Asien oder sonstwo.
Starbucks nimmt die US-Kunden aber ernst. Der Konzern unterrichtet Bodum über einen möglichen Defekt am Produkt. Die beiden Firmen einigen sich darauf, dass ein unabhängiges Labor untersuchen soll, ob das Produkt für Konsumenten tatsächlich gefährlich ist. Sie wählen einen amerikanischen Ableger des Genfer Warenprüflabors SGS.
Weltweiter Rückruf
Die eigentlichen Tests starten im Februar mit einigen Tagen Verspätung, weil Starbucks eine Lieferung von Kaffeepressen an die falsche Adresse schickt. Das Resultat liegt schliesslich Anfang März vor. Es entlastet Bodum grundsätzlich. Der Knopf hält grossen Belastungen stand. Damit er tatsächlich bricht, müsste eine Kraft von über 400 Newton darauf einwirken. Das entspricht einem Gewicht von über 40 Kilo.
Wer mit so einer Kraft auf eine Kaffeepresse eindrückt, bewegt sich in einem sehr grenzwertigen Bereich, wird ein Spezialist in der Klage zitiert. Ein Rückruf sei nicht notwendig, lautet das Urteil.
Starbucks hat sich trotzdem dafür entschieden. Am 30. April verschickt das Unternehmen eine entsprechende Medienmitteilung. Bodum spekuliert in der US-Klage, dass dies unter anderem geschehen sei, weil Starbucks eine schwierige Beziehung zur amerikanischen Behörde unterhalte, die für Produktsicherheit und Konsumentenschutz zuständig ist.
Wörtlich heisst es, der Starbucks-Rückruf sein in Teilen davon motiviert gewesen, diese Beziehung «zu reparieren». Starbucks hätte in einem früheren Fall zu spät reagiert und sei deshalb zu «signifikanten Bussen» verurteilt worden. Erwähnt wird der Teavana-Fall, wo Starbucks eine Strafe von 3,75 Millionen US-Dollar auferlegt wurde.
Bodum: «Unzumutbarer Schaden»
Bodum vertritt in der Klageschrift den Standpunkt, dass der Rückruf unnötig war. Das Unternehmen bemängelt ausserdem, dass Starbucks es verpasst habe, in der Medienmitteilung auf die graue Farbe der Kaffeepresse hinzuweisen, die spezifisch für das Starbucks-Modell sei. Sonst würden Bodum-Presse im schwarzen Design konstruiert. Starbucks habe damit – und mit der Ausweitung des Rückrufs auf die ganze Welt – den Ruf der Firma geschädigt.
«Kurz gesagt, die freiwillige Rückrufaktion findet nun an Orten statt, an denen es keinen einzigen gemeldeten Vorfall gab», heisst es in der Klage. «Dies hat der Marke Bodum weltweit unzumutbare Schäden zugefügt und wird weitere Schäden verursachen. Das ist völlig ungerechtfertigt.»
Auf weitere Kommentare verzichtet das Unternehmen auf Anfrage.
Wie die Migros und Starbucks aus Bodum eine Weltmarke machten
Peter Bodum ist der Gründer der gleichnamigen Haushaltgerätefirma. Er sass Ende der fünfziger Jahre in einem Propellerflugzeug zufällig neben Gottlieb Duttweiler. Der Däne, Inhaber eines KMU mit damals umgerechnet knapp einer Million Franken Jahresumsatz, erzählte dem Migros-Übervater enthusiastisch von seiner jüngsten Erfindung, einer Kaffeebrühkanne mit Namen Santos: zwei feuerfeste Glaskugeln, übereinander angeordnet und mit einem Glasröhrchen verbunden. Kurz darauf brachte die Migros das System unter dem Namen Cafino in Umlauf. Das Ergebnis: eine Stückzahl, von der Bodum bis dahin nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Es war der internationale Durchbruch.
Der heutige Geschäftsführer Jørgen Bodum war damals noch Schüler. Knapp dreissig Jahre später machte er ebenfalls eine Zufallsbekanntschaft. Er traf einen jungen Amerikaner namens Howard Schultz. Dieser hatte gerade in seinem Heimatland seinen 40. Coffee-Shop eröffnet. «Und er sprach bereits von bald 10'000 Filialen in der ganzen Welt», sagte Bodum 2007 zum Wirtschaftsmagazin «Bilanz». Schultz hatte recht. Heute sind es über 30'000 Starbucks-Stores – mit Bodum als Zulieferer.