Eine Übersicht zu erhalten über die einzelnen Hafen- oder Marina-Bauvorhaben in der Schweiz ist schwierig, eine koordinierende zentrale Anlaufstelle besteht nicht. Zumindest von den beliebtesten Segel- und Motorbootregionen weiss man aber, wo Grossprojekte bestehen.
Die grösste Ausweitung des Angebotes hatte unser Land allerdings in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebt, als verschiedene grosse Jachthäfen gebaut wurden, die auch 30 Jahre später ein vielfältiges Angebot an Dienstleistungen bieten. In diesen Anlagen wird das eigene Boot am Liegeplatz mitunter auch zur Ferienwohnung mit der Möglichkeit, Tagesausflüge oder mehrtägige Törns zu unternehmen.
Erst Einsprachen - dann Finanzierungsprobleme
Seit Mitte der 80er Jahre sind die Neubauten von Hafenanlagen allerdings ins Stocken geraten. Zahlreiche Projekte scheiterten an behördlichen Auflagen, Einsprachen und dem Gegenwind der Umweltschutzverbände. Oftmals war auch Neid im Spiel. Obwohl da und dort die Differenzen bereinigt werden konnten, strandeten einige Projekte noch vor Realisierung an der Finanzierung.
Das hat auf der Nachfragerseite einiges bewirkt: Bootseigner reissen sich heute nur noch zögernd um die meist teuren, neuen Bootsplätze. Kommt hinzu, dass die mit der Baubewilligung verknüpften Auflagen oft verlangen, dass Bojenliegeplätze in den Hafen verlegt werden müssen. Die Kosten für einen Hafenplatz sind jedoch meist wesentlich höher als der Preis für einen Liegeplatz an der Boje. Zusätzlich muss der Bau der Hafenanlagen vereinzelt von den künftigen Liegeplatzmietern mit einem zinslosen Darlehen oder einem A-fonds-perdu-Betrag unterstützt werden.
Anderseits: Viele Bootsbesitzer schätzen den Komfort einer modernen Hafenanlage mit zeitgemässer technischer Infrastruktur und sind bereit, den dafür erforderlichen Obolus zu entrichten. Nicht alle Bootsbesitzer sind jedoch auf Rosen gebettet und würden gerne den günstigeren Bootsplatz an der Boje nutzen und in Kauf nehmen, dass sie mit dem Ruderboot übersetzen müssen. Das Rad der Zeit lässt sich jedoch nicht zurückdrehen. Baubewilligungen für neue Hafenanlagen werden meist nur noch mit Auflagen und begleitenden Massnahmen bewilligt.
Trotzdem werden in der Schweiz zurzeit verschiedene Hafenanlagen erstellt und stehen zum Teil kurz vor der Vollendung. Eine kleine, unvollständige Auswahl konzentriert sich auf die wichtigsten Schweizer Seen.
Zürichsee: Demnächst ein grosses Fest am Obersee
Im ehemaligen Baggergelände der Firma Kibag am oberen Zürichsee wird im Frühling 2005 der Jachthafen Stampf mit 235 Liegeplätzen für Motor- und Segelboote eröffnet. An der Mündung der Jona entsteht eine Hafenanlage für Jachten mit bis 5 m Breite und bis zu 14,5 m Länge mit kompletter Infrastruktur und einem Kran für das Ein- und Auswassern. Unter Beibehaltung der bestehenden Naturmole konnte das Hafenbecken nach Norden stark erweitert werden. Ein hauptamtlicher Hafenmeister sorgt für die Pflege und den Unterhalt der Bauten und Einrichtungen.
Vierwaldstättersee: Alles unter einem Dach
Als Fundament einer Überbauung in Beckenried NW am Vierwaldstättersee wird ein Wasserkeller mit 32 vor Wind und Wetter geschützten Bootsplätzen gebaut, für Boote mit bis zu 11 m Länge, 3,5 m Breite und einer Höhe von 3 m ab Wasserlinie. Jeder Liegeplatz ist mit einem Bootsaufzug (Hubkraft 5 bis 8 t) ausgerüstet. Über dem Wasserkeller entstehen als Pier 1 und 2 zwölf Eigentumswohnungen mit unverbaubarem Blick auf Vierwaldstättersee und Rigi. Pier 3 ist mit Wohn- und Gewerberäumen für eine gemischte Nutzung vorgesehen. Nahezu einzigartig und für Wassersportler interessant ist die Tatsache, dass zu jeder Wohneinheit ein Bootsplatz in der gedeckten Halle zur Verfügung gestellt wird. Allerdings: Die Bootsplätze werden nur zusammen mit einer Wohn-, Büro- oder Gewerbeeinheit verkauft.
Neuenburgersee: Bis Ende Jahr gibts 390 neue Plätze
Ende Oktober des vergangenen Jahres konnte mit dem Bau des neuen Jachthafens vor Cheyres am Südufer des Neuenburgersees begonnen werden. 390 Liegeplätze entstehen im neuen Hafen, die zum Teil bestehende Bojenfelder ersetzen werden. Dem Baubeginn sind langwierige Verhandlungen mit Umweltschutzverbänden und den Behörden vorausgegangen. Zurzeit werden die Aussenmolen und der Schutzdamm gebaut, damit anschliessend die Schwimmstege eingebracht werden können. Die Fertigstellung ist auf Ende dieses Jahres geplant. Nachfrage dürfte sich vor allem aus der Deutschschweiz einstellen. Der Neuenburgersee als grösstes Schweizer Gewässer ohne Grenzanstoss bildet zusammen mit dem Bieler- und dem Murtensee ein einmaliges Wassersportgebiet, das durch Kanäle verbunden vielseitige Erholungsmöglichkeiten bietet. Mit Ausnahme der zweisprachigen Städte Biel und Murten liegt das ganze Wassersportgebiet der Jura-Seen im französisch-sprachigen Teil der Schweiz. Dennoch sind über 60% der Bootseigner der auf den drei Seen liegenden Jachten Skipper aus der Deutschschweiz.
Genfersee: Vorbilder liegen allesamt am Mittelmeer
Ein für die Schweiz neuartiges und einzigartiges Projekt ist die im Bau befindliche Marina de Port-Valais in Le Bouveret am Genfersee. Inspiriert ist das Projekt von Mittelmeerhäfen wie Portofino, Cinque Terre oder Saint-Tropez. Die Anlage soll nördlich der Alpen mediterranes Ambiente vermitteln. Jedes Haus verfügt über einen direkten Landzugang für Fahrzeuge und Fussgänger sowie über einen Seezugang mit eigenem Liegeplatz zu jeder Wohneinheit, direkt vor der eigenen Terrasse.
Liegeplatz
Die Lage hat sich etwas entspannt
Der Eindruck täuscht: Liegeplätze sind nicht mehr so rar, dass man sich am besten bei Geburt des Kindes um einen Platz bewirbt, den Sohn oder Tochter 20 Jahre später nutzen kann. Am stärksten nachgefragt sind Liegeplätze der öffentlichen Hand, da meist verhältnismässig günstig. Diese sind zum Teil noch immer mit einer mehrjährigen Warteliste belastet und werden von den Gemeinden oder kantonalen Verwaltungen nach individuell festgelegten Spielregeln vergeben. Etwas entschärft hat sich die Lage bei den meist teureren Liegeplätzen in Privateigentum und von Interessengemeinschaften. Die Ansprechpartner auszumachen ist aber Kleinarbeit, ein zentrales Register existiert nicht. Beim Kauf eines neuen Bootes oder gelegentlich auch für Gebrauchtboote sind vielfach die Händler/Boots- firmen in der Lage, einen Platz zu vermitteln. Dabei ist auf die vereinbarte Laufzeit zu achten, das heisst, ob die Mietzeit mit einem Ablaufdatum eingeschränkt wird.
Bleibt noch der Weg zu einem Wassersportklub (Segel oder Motor) mit eigenen Liegeplätzen. Auch hier gibt es Regeln; so werden die Plätze oft nach Anciennität und Engagement im Klub zugeteilt.