Sein Vorname ist nicht gerade geläufig: Boudewijn. Und der Mann im kleinen Heineken-Shop in Winterthur, offenbar als «Sternelädeli» bekannt, wo am frühen Morgen schon viel los ist, kennt den Vornamen auch nicht. «So einen gibt es bei uns nicht.» Aber der Nachname wirkt Wunder «Meinen Sie den Herrn van Rompu? Klar, er ist im obersten Stock zu finden», sagt er. Freundlich und immer fröhlich sei der neue Chef von Heineken Switzerland. So gesehen, passe er gar nicht zu den Schweizern. «Schon am Morgen viel zu gut gelaunt.»

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Dann gibt es die kleine Enttäuschung für den Fotografen: Boudewijn van Rompu ist zwar tatsächlich voll auf Draht und in aller Herrgottsfrühe fröhlich, als käme er gerade aus den Ferien. Aber Bier trinken will er nicht, noch nicht: «Dafür ist es zu früh.» Dabei holt er zu einem Loblied auf den Gerstensaft in allen Lebenslagen und zu allen Tageszeiten aus. Das ist erwiesen: «Biertrinker leben länger und gesünder.» Für das Foto posiert er dann aber nach ein paar Stunden mit einem Bier. «Bei uns gibt es eine eiserne Regel: Keinen Alkohol am Arbeitsplatz», sagt er, beinahe entschuldigend, und nippt nur am Glas.

Im stilvoll eingerichteten Sitzungszimmer von Heineken Switzerland viele Holzbalken, wertvolle Humpen aus verschiedenen Epochen und Aschenbecher aus Bierflaschen will van Rompu vor einer der berühmten Heineken-Reklamen sitzen: Einer Bierflasche, die etwas unscharf dargestellt ist. Wärs Sommer, bekäme man Durst. Aber es ist Winter, und auf dem Glasdach liegt Schnee.

Kalt oder warm? Das scheint für den Holländer überhaupt kein Thema zu sein. Mehr als ein dutzend Mal hat er sich in seinem Leben verschoben mit Sack und Pack, samt Familie. Findet er das erstrebenswert? «Zügeln ist nicht gerade lustig», stellt er nach einer Weile fest. Trotzdem: Ob Amerika, die Karibischen Inseln, Afrika oder Vietnam, er war immer wieder auf Achse. «Umziehen ist halt umziehen, das Prozedere ist immer dasselbe. Nicht etwa, dass mir das Spass macht: Es ist eine unnötige Zeitverschwendung, die mich von Wichtigerem abhält.» Und wichtig ist für ihn immer das, was er gerade macht.

Das Domizil bleibt Amsterdam

Kann ein Manager, der so oft den Ort wechselt, überhaupt je sesshaft werden? Zum ersten Mal kommt die Antwort nicht wie aus der Kugel geschossen. «Na, irgendwann werde ich mich mit diesem Gedanken befassen müssen. Aber bitte noch nicht jetzt. Das hat noch ein paar Jahre Zeit.»

Wurzeln hat van Rompu erstaunlicherweise doch. Vielleicht erklärt dies, wieso es ihn immer wieder in seine Heimat zieht: Sein Domizil in Amsterdam hat er nie aufgegeben. Seine Frau und seine zehnjährige Tochter leben die meiste Zeit dort. Seine Frau führt seit zwei Jahren ihr eigenes Geschäft: «Wenn immer möglich, fliege oder fahre ich nach Hause», sagt van Rompu. Er ist also überall daheim, aber sein Zuhause, sein Domizil in Amsterdam will er trotz seines Manager-Nomadentums nicht aufgeben. Van Rompu liebt die holländische Mentalität. «Die Menschen sind gegenüber denen, die nicht dort geboren sind, sehr offen. Das mag mit der langjährigen Verbindung zu anderen Kontinenten zusammenhängen. Und diese Toleranz gefällt mir. Trotzdem ist mein Abenteuer in der Schweiz eine neue Herausforderung, da ich immer interessiert bin, andere Kulturen und Leute kennen zu lernen.»

Darauf angesprochen, was er derzeit am meisten vermisse, erwähnt er spontan die holländische Geselligkeit. «In Amsterdam in einem Pub einige anregende Stunden mit mir völlig unbekannten Menschen zu verbringen, die gar nicht wissen, wer ich bin, bedeutet mir sehr viel.» Wahrscheinlich wird dies in der Region Winterthur, wo er jetzt lebt, nicht gerade so leicht möglich sein. Er legt wenig Wert auf seinen Status. «Ich möchte gar nicht, dass Menschen deswegen beeindruckt sind, weil ich CEO von Heineken Switzerland bin. Ich arbeite einfach gerne für diesen Konzern.»

Fühlt er sich wohl, das in der Schweiz zu tun einem Land, in dem die Menschen weniger darauf erpicht sind, ihren Arbeitsplatz ins Ausland zu verlegen? «Ich möchte nicht unhöflich sein, aber mir fällt einfach auf, dass es viele Schweizerinnen und Schweizer gibt, die eigentlich lieber zurück- als vorwärts blicken.» Er wolle niemandem dreinreden, meint er, aber es gebe schon Dinge, die für Ausländer hier zu Lande ein Buch mit sieben Siegeln sein könnten. Dazu gehöre auch der Hang zur Sesshaftigkeit.

Seit 1976 im Konzern

Seine Karriere ist, das zeigt ein Blick auf seinen Lebenslauf, von Heineken geprägt: Er begann 1976 als Product Manager. Dann wurde er General Manager in Curacao und arbeitete als Commercial Director in Trinidad. Es folgten Stationen in La Réunion, in Holland und Asien, um nur einige zu nennen. Schon während der Studienzeit hat er sich nicht auf einen Standort beschränkt: Der Wirtschaftswissenschafter studierte in Holland, in den USA und in Frankreich und spricht viele Sprachen, einzig mit dem Deutsch hapert es noch ein bisschen. «Ich werde alles daran setzen, damit sich diese Lücke füllt», verspricht er. Schleierhaft ist nur, wann er bei seinem Termindruck Zeit finden wird, diesen Vorsatz wahrzumachen.

Doch die Verbesserung der Deutschkenntnisse ist ratsam, weil er bestimmt noch ein paar Jahre in einer Region lebt, in der nicht alle Holländisch, Französisch oder Englisch sprechen bei allem Respekt vor Winterthur. Jetzt fühlt sich van Rompu doch herausgefordert, seiner Wohngegend Tribut zu zollen. «Die Lebensqualität hier ist fantastisch, der Standard, verglichen mit anderen Ländern, in denen ich arbeitete, sehr hoch. Dennoch habe ich es als Ausländer hier nicht immer leicht. In der Schweiz wird man im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, wo alle einfach Europäer sind, als Ausländer abgestempelt.» Seine Beziehungen zur Schweiz reichen indes weit zurück. «Mein Vater war oft hier, weil er Kunden zu betreuen hatte. Als Kind machte ich mit meiner Familie des Öftern in der Schweiz Skiferien. Aber dass ich eines Tages hier tätig sein werde, konnte ich mir nicht vorstellen.»

Jetzt ist er es doch und er glaubt, wie er in einem hausinternen Interview mit der Pressesprecherin zu Protokoll gab, auch daran, dass es etwas gibt, das die Schweizer mit den anderen Europäern und Nicht-Europäern verbindet: «Es ist der klare Wunsch, zu überleben und die Lebensqualität für möglichst viele Menschen zu verbessern.»

Bücher lesen und Zwiebelsuppe löffeln

Wo sich van Rompu in ein paar Jahren aufhalten wird, steht in den Sternen. Falls er wieder zügelt, wird er aber eines sicher wieder mit sich rumschleppen: «Meine Bücher, sie bedeuten mir viel.» Die Vielfalt seiner Interessen ist gross. Sie reicht von Geschichte über Politik bis hin zu Kulinarischem. Er versteht auch etwas vom Kochen, sein Leibgericht ist die Zwiebelsuppe. Auch dafür ist es an diesem Morgen aber zu früh.

Van Rompu kommt aus einer Familie, in der man entweder Arzt oder Rechtsanwalt wurde. Doch er selber wollte als kleiner Bub Rennfahrer werden, die gleichen Berufe, wie seine Verwandten sie ausüben, haben ihn nicht so gereizt, sonst wäre er in deren Fussstapfen getreten. Jetzt verkauft er Bier für ein Unternehmen, das weltweit 40000 Mitarbeiter beschäftigt, Branchenführer in Europa ist, einen Umsatz von 9,163 Mrd Euro erwirtschaftet und 717 Mio Euro Reingewinn ausweist. Die Heineken-Aktien gehören zu den Blue Chips und sind Teil des gesamteuropäischen Dow Jones Euro Stoxx 50 MSCI Europe Index.

Macht es ihm keine Sorgen, dass trotz dieser guten Positionierung der Bierkonsum allgemein rückläufig ist? Rompu lacht: «Diese 1 bis 1,5%, welche der Bierkonsum zurückgegangen ist, sind doch angesichts der allgemeinen Verfassung der Wirtschaft wirklich nicht Besorgnis erregend.» So ist er, der neue CEO von Heineken Switzerland. Unnötige Sorgen macht er sich keine.

Steckbrief

Name: Boudewijn van Rompu

Geboren: 1949

Wohnort: Region Winterthur

Zivilstand: Verheiratet, eine Tochter

Funktion: CEO Heineken Switzerland

Ausbildung: Betriebswirtschafter mit verschiedenen Zusatzausbildungen in Holland, in den USA und in Frankreich

Schlagworte

SCHWEIZER KÄSE: «Fantastisch, aber der holländische kann mithalten.»

WINTERTHUR: «Da lässt es sich gut leben, aber ich bin nicht Standort-gebunden.»

KONKURRENZ: «Davor habe ich Respekt, wir wollen alle dasselbe: Gute Qualität.»