Jahrelang sassen Facebook und Google am längeren Hebel. Grosskonzerne und Mittelständler gaben sich manche Blösse bei ihren unbeholfenen Versuchen einer digitalen Präsenz –  so mancher gutgemeinte Werbespot provozierte versehentlich einen Shitstorm. Gleichzeitig wuchs die Marktmacht der Tech-Riesen aus dem Silicon Valley, und die Unternehmen warfen ihnen haufenweise ihre Werbe-Dollar in den Rachen, um den Kontakt zur begehrten jungen Zielgruppe nicht zu verlieren. Das hat auch in der Schweizbeachtliche Dimensionen angenommen: 2017 gingen 62 Prozent aller Werbeeinnahmen an die beiden Giganten aus dem Silicon Valley, wie Media Focus und IAB Switzerland Association Ende Januar schätzten.

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Auf der anderen Seite zeigten sich Facebook und Google gegenüber ihren Kunden nicht eben zuvorkommend. Seit Anfang Jahr spielt Facebook wieder stärker Content von Privatnutzern in die Timelines. Nicht wenige Beobachter mutmassten, dass mit dieser Massnahme auch der Druck auf Unternehmen steigt, mit bezahlter Werbung die Sichtbarkeit auf Facebook zu erhalten. Immer wieder fährt Facebook die Ellbogen aus, wie jüngst ein Rechtsstreit mit einem Schweizer Startup zeigte.  

Facebook laufen die jungen Nutzer davon

Google wiederum wurde 2017 mit einer Rekordbusse über 2,4 Milliarden Euro von der EU-Kommission gebüsst, weil es seine marktbeherrschende Stellung ausnutzte. Der Vorwurf: Google bevorzugte den eigenen Produktvergleich «Google Shopping» gegenüber Konkurrenzdiensten. Die Strafe für Google war die höchste, die jemals in einem solchen Zusammenhang ausgesprochen wurde.

Und das, obwohl beide digitale Plattformen mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben. Facebook laufen die jungen Nutzer davon, das bestätigen neue Zahlen aus den USA. Erstmals seit Bestehen der Plattform geht die Zahl der Nutzer zwischen 18 und 24 Jahren auch im Kernland USA zurück, berichtet das Marktforschungsunternehmen eMarketer. In der Schweiz war das bereits im Vorjahr der Fall, wie «Handelszeitung» berichtete.

Boykottdrohung durch Unilever

Darüber hinaus lassen beide Konzerne nach wie vor eine überzeugende Antwort vermissen, wie sie «Hate Speech» auf ihren Plattformen unterbinden wollen. Die Bevorzugung von privatem Content bei Facebook lässt hier sogar eine Zunahme befürchten. Wer so viele Werbemillionen kassiert, sollte hier eine Lösung finden.

Konsumgüterriese Unilever hat nun genug: Mit deutlichen Worten drohte das Unternehmen mit dem zweitgrössten Marketingbudget weltweit, seinen Werbeetat für Facebook und Googleeinzuschränken. «Als zuverlässiger Anzeigenkunde will Unilever nicht auf Plattformen Werbung machen, die keinen positiven Beitrag für die Gesellschaft leisten», sagte Marketing-Chef Keith Weed auf einer Konferenz in Kalifornien.

Werbekunden, so Weed, gehe es sehr wohl etwas an, «wenn sie ihre Marken sehen, die neben Anzeigen platziert sind, die Terror finanzieren oder die Ausbeutung von Kindern.» Google antwortete auf diese Worte: «Keith hat uns und die Branche immer dazu ermutigt, uns zu verbessern.» Google nehme die Sicherheit von Nutzer, Kunden und Partnern ernst, so ein Sprecher. «Wir werden weiterhin daran arbeiten, uns dieses Vertrauen jeden Tag zu verdienen.»

Kein Boykott von Migros, Coop oder Swiss

Auch in der Schweiz hat das Thema Hate Speech bereits hohe Wellen geschlagen, und viele Firmen sind mit Anzeigen auf Google und Facebook präsent. Zum Beispiel die Migros, mit 343'000 Follower bei Facebook: «Migros verurteilt jede Form von Hate Speech und Diskriminerung», sagt Migros-Sprecherin Martina Bosshard.

Die Migros hätte sehr restriktive Kriterien definiert, auf welchen Webseiten und Online-Plattformen sie mit ihren Werbebotschaften präsent sein wolle, die Präsenz in den sozialen Netzwerken sei in den vergangenen Jahren gewachsen. Bei einem rückläufigen Gesamtbudget seien die Investitionen dort tendenziell zunehmend. Meinungen und Forderungen kommuniziere man «offen und direkt», eine Boykottdrohung sei aber für die Migros «wenig zielführend».

Auch Coop als zweiter Handelsriese im Schweizer Markt verurteilt Hate Speech und erstellt für seine Online-Werbung Listen mit Webseiten, die als unerwünschtes Werbeumfeld gelten. Darunter fallen zum Beispiel Seiten mit pornografischem oder diskrimierenden Inhalt. Eine Werbestopp auf Facebook, wo Coop gut 72'000 Follower hat, oder Google sei aber nicht geplant, sagt Konzernsprecherin Alena Kress. Zur Thematik Hate Speech befinde man sich aber mit beiden Plattformen «im Austausch».

Dieser Ansicht ist auch die Swiss, mit 1,1 Millionen Followern auf Facebook. «Generell würden wir begrüssen, wenn sich die grossen Portale besser mit dem Thema auseinandersetzen würden», sagt Mediensprecherin Sonja Ptassek. Mit Facebook und Google bestehe keine enge Zusammenarbeit, Massnahmen wie bei Unilever seien bei der Swiss «nicht vorgesehen». Die Facebook-Präsenzen der Unternehmen sind dabei nicht identisch mit dem eingesetzten Werbebudget, das Profil auf Facebook ist nicht grundsätzlich kostenpflichtig für Unternehmen.