Die Abendsonne flutet den Himmel in Glutrot, das Lagerfeuer flackert. Über den Flammen hängt eine Blechkanne, der Kaffee dampft. Drei Menschen, ersichtlich der Generation Golf angehörend, sitzen in fröhlicher Runde in dieser Kulisse.
Ein Werbespot. Der Zuschauer spürt förmlich die Mischung aus Wärme, Wohlgeruch und der Weite schöner Natur. Dann eine Einblendung auf dem Bildschirm «UBS private Banking» und die Stimme aus dem Off tönt sonor und Vertrauen erweckend: «Damit Sie immer gut aufgehoben sind.»
Wir befinden uns im Februar 2010. Die Bankwirtschaft hat eine fundamentale Neuorientierung hinter sich: Alle Geldhäuser machen inzwischen auf Markenartikler. Irgendwann Mitte des abgelaufenen Jahrzehnts hatten sie erkannt: Der Wettbewerb lässt sich nur mit Gefühlen gewinnen. «Wir brauchen eine starke Marke», tönte es aus den Chefetagen der Zürcher Finanzindustrie. Man hatte entdeckt, dass sich Kunden auf umkämpften Märkten nur mit Emotionen überzeugen lassen und nahm Anleihen bei erfolgreichen Markenartiklern, lernte vom Marlboro-Cowboy, wie der nacherzählte Werbespot der UBS erzählt.
All das ist natürlich frei erfunden. Einen UBS-Spot dieser Art gibt es nicht noch nicht, denn: Was in der Konsumgüter-Industrie gang und gäbe ist, dafür interessieren sich heute, im Jahr 2004, auch die Banken. «Sie wollen Markenartikler werden», beschreibt Maurice Pedergnana vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) und Mitherausgeber des neu erschienenen Buches «Banks & Brands» den neuen Trend. In Zukunft werden die Banken Anleihen bei Nestlé, Marlboro und Mercedes machen, um ihre Marken in den Köpfen der Menschen zu verankern. Denn, so Professor Pedergnana, «im Wettbewerb der Zukunft können nur starke Marken gewinnen auch bei den Banken».
Vorbild Citigroup
Grosses Vorbild der Branche ist die Citigroup. Der amerikanische Finanzdienstleister ist schon heute aufgestellt wie Marlboro: «Alles ordnet sich einer zentralen Dachmarke unter», bilanziert der IFZ-Experte: Der Auftritt sei global einheitlich alle Produkte hören auf den Namen Citibank. Kauft Citigroup-Chef Sandy Weill irgendwo auf der Welt einen Finanzdienstleister, wird der sofort unter der Konzernmarke eingeordnet.
Die Börse mag das: Mit 260 Mrd Dollar Marktkapitalisierung ist der New Yorker Konzern mit Abstand die wertvollste Bank der Welt (Stand per Ende Januar).
Aber auch andere Banken interessieren sich für das Thema Markenbildung. Denn: «Wir differenzieren uns kaum über Produkte», schildert Wolfram Schweppe von der NordLB, einer Bank mit Hauptsitz in Hannover, die verbreitete Einsicht in der Branche.
Ob der 100-Franken-Schein aus dem Automaten der UBS oder der Credit Suisse kommt, macht kaum einen Unterschied. «Der Spielraum für Differenzierung durch Produkte ist klein», taxiert Schweppe die Lage.
Deshalb muss die Marke schaffen, was die Produkte allein nicht bringen. «Wir müssen ein extrem abstraktes Geschäft sichtbar und fühlbar machen», beschreibt Gian-Reto Raselli von der Zürcher Kantonalbank (ZKB) die Agenda: Damit die Kunden nicht heute hier und morgen dort shoppen gehen und die Angebote am Markt vollends austauschbar werden, gilt es, gegenzusteuern.
Intim wie ein Dorfladen
Der Idealfall: «Die Bank soll so nah und vertrauensvoll empfunden werden wie das Dorflädeli», sagt Raselli: Emotion und persönliche Bindung sind hier wichtig. Da aber der normale Kunde statt eines Bank-Mitarbeiters immer mehr nur noch den Bildschirm von Bancomaten oder PC-Banking sieht, muss die Bank erfinderisch werden: Es gilt, die durch Technologie entstandene Lücke zwischen Bank und Kunden wieder zu füllen. «Je grösser die Distanz, desto wichtiger ist die Pflege der Beziehung», sagt der Marketing-Experte der ZKB.
Jede Bank nähert sich dem Thema Branding, wie die Markenbildung übersetzt heisst, auf ihre Weise. Beispiele: Die ZKB geht mit dem Slogan «Wir sind die nahe Bank» zu Markte, unterstützt diese Botschaft mit Werbung und Sponsoring, etwa indem sie als Mitfinancier des Nachtnetzes des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV) fungiert oder Sportanlässe wie den Züri-Lauf-Cup unterstützt.
Die Nord LB setzt auf den Leitspruch «Die norddeutsche Art» und hängt sich so an das gute Image der hanseatischen Kaufleute an: «Wir wollen damit Vertrauen und Verlässlichkeit signalisieren», sagt Schweppe.
Die UBS ist einen Schritt weiter gegangen: «Hier ist das Branding schon strategisch verankert», sagt Pedergnana, «die UBS ist die erste europäische Grossbank, die sich zu einer Monomarke bekennt.» Seit Mitte 2003 gilt die so genannte Single-Brand-Strategie wie bei der Citigroup, als deren Folge die Marken Paine Webber und Warburg vom Markt verschwunden sind. Das Vorgehen der UBS ist auch an Kleinigkeiten zu erkennen: Egal, ob es sich um ein Preisverzeichnis für Fonds, eine Stellenanzeige oder den Geschäftsbericht handelt alle Lebensäusserungen der Bank folgen dem einheitlichen Auftritt der Marke. Der ist mittlerweile sogar in der Chefetage verankert: Bernhard Eggli ist der Marken-Manager der UBS, Mark Branson ist der oberste Markenverantwortliche im Range eines Chief Communications Officer. Branson gehört der erweiterten Konzernleitung an und berichtet direkt an den CEO Peter Wuffli.
Vorausgegangen war diesem Vorgehen ein anderer Schachzug, der zeigt, wie sehr die Bank der Zukunft die Praxis der Markenartikler nachahmt: «UBS hat sich Weltklasse-Know-how eingekauft», taxiert Professor Pedergnana das Vorgehen des Geldhauses: Die Agentur Prophet hat den Zürcher Konzern bei der Single-Brand-Strategie beraten. Einer der Mitwirkenden dieses Projektes war David Aacker, einer der weltweit führenden Gurus für Markenführung und Autor von Standardwerken wie «Building strong Brands» und Emeritus der University of California in Berkeley.
Andere Banken werden dem Beispiel von Citibank und UBS folgen. Die Credit Suisse etwa setzt ebenfalls konsequent auf Marken-Know-how. Sie hat als Marketing-Verantwortlichen für Credit Suisse Financial Services Marco Taborelli gewonnen, einen «reinrassigen» Manager aus der Konsumgüter-Industrie und Branding-Experten, der in der Vergangenheit leitende Positionen bei Master Foods («Mars», «Balisto» u.a.) und Unilever bekleidete.
Wahrscheinlich wird das nicht der letzte personelle Wechsel eines Managers mit Nestlé-, Coca-Cola-, oder BMW-Hintergrund in die Bankwirtschaft sein. «Die Banken müssen hier noch viel von anderen Branchen lernen», sagt Maurice Pedergnana.
Maurice Pedergnana, Martin Schneider, Stefan Vogler, Banks & Brands, 483 Seiten, Haupt-Verlag, Bern, 118 Fr.Direkt über die HandelsZeitung bestellen: Fax 01/288 35 77 oder: buecher@handelszeitung.ch
Nachgefragt: Bernhard Eggli
«Jeder Markenaufbau braucht Zeit und Kontinuität»
Bernhard Eggli ist Head Brand Management bei der UBS. Neben den klassischen Berührungspunkten zwischen dem «Markenprodukt» und der Kundschaft wie Werbung und Sponsoring zählt für ihn aber vor allem das Verhalten der Mitarbeiter gegen aussen.
Homogene Produkte im Wettbewerb verlangen nach Markenbildung. Welchen Stellenwert hat die Marke in der UBS-Strategie? Die Markenstrategie unterstützt die Unternehmensstrategie und soll zur Erreichung der Geschäftsziele beitragen. Unsere Dachmarken-Strategie wurde in enger Abstimmung mit der Konzernleitung entwickelt und im Juni 2003 umgesetzt. Unser Ziel ist es, die UBS vom Wettbewerb abzuheben und die Markenattraktivität und -loyalität zu erhöhen.
Marken sollen Kunden emotional binden mit welchen Werten geht die UBS ins Rennen? Markenbildung ist eher vergleichbar mit einem Marathon als mit einem 100-Meter-Sprint. Der Aufbau einer Marke braucht Zeit und Kontinuität. Die Marke braucht neben emotionalen Attributen auch funktionale: Unsere Kunden haben Zugang zu den Ressourcen eines global führenden Finanzdienstleisters. Gleichzeitig legen wir grossen Wert darauf, unsere Kunden auf sehr persönliche Art und Weise zu betreuen. Unsere Kundenberater nehmen sich die Zeit, die Bedürfnisse unserer Kunden zu verstehen und ihnen die richtigen Finanzlösungen vorzuschlagen.
Was sind für Ihre Bank die wichtigsten Kanäle, um die Marke in die Köpfe der Kunden zu bringen? Es gibt viele Berührungspunkte, die das Erlebnis mit der UBS-Marke prägen. Angefangen von Werbung und Sponsoring bis hin zur Produktbroschüre und dem Beratungsgespräch. Diese sind alle wichtig, deshalb werden wir in Kürze auch eine weltweite Werbekampagne starten. Sie soll die Bekanntheit unserer Marke steigern und die gewünschten Marken-Assoziationen aufbauen. Die nachhaltigste Wirkung haben jedoch unsere Mitarbeiter. Ihr Verhalten bestimmt darüber, ob das Markenversprechen, das wir etwa mit unserer Werbung kommunizieren, auch am Telefon oder im individuellen Beratungsgespräch tagtäglich erlebt wird.
Wird die Bank 2010 in einer Reihe stehen mit Marken-Unternehmen wie Procter& Gamble, Mercedes, Nestlé oder Coca-Cola? In der Schweiz ist das sicherlich heute schon der Fall. Global gesehen haben wir noch einige Arbeit vor uns. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass wir mit den gezielten Anstrengungen, die wir im Bereich der Markenbildung unternehmen, nachhaltige Wirkung erzeugen werden. In den Kreis dieser Marken vorzustossen, ist allemal ein erstrebenswertes Ziel.